Shuhei Nakamoto: «Honda wurde überrumpelt»
Gerraint Thompson
Die Honda Racing Corporation wollte für 2012 den grossen Erfolg von 2011 wiederholen, als Casey Stoner mit zehn GP-Siegen zum Weltmeistertitel rauschte, Honda zwölf von 18 Rennen (zweimal siegte Pedrosa) gewann und alle drei Titel (Fahrer, Teams, Marken) abräumte.
Tatsächlich lieferten Casey Stoner und Dani Pedrosa auch 2012 erstklassige Performances ab. Sie standen bei acht Rennen gemeinsam auf dem Podest, das Repsol-Honda-Duo gewann die Teamweltmeisterschaft.
Aber besonders im ersten Saisondrittel waren den Honda-Stars oft die Hände gebunden. Besonders Dani Pedrosa hatte mit dem erhöhten Fahrzeuggewicht Mühe – und mit der neuen Reifengeneration von Bridgestone.
Erst als Honda in der zweiten Saisonhälfte modifizierte Fahrwerke und schliesslich sogar den 2013-Prototyp präsentierte, ging es bei Pedrosa ordentlich vorwärts. Er gewann insgesamt sieben Rennen und verpasste den Titelgewinn gegen Yamaha-Star Jorge Lorenzo nur um 18 Punkte.
Shuhei Nakamoto, Vizepräsident von HRC, hat sich während der Winterpause viele Gedanken über die vergangene Saison gemacht. «Der grosse Schritt 2012 war der Wechsel von 800-ccm- auf 1000-ccm-Maschinen. Wir haben den ersten 1000er-Prototyp bereits nach dem Jerez-GP 2011 getestet; wir waren also sehr früh dran. Casey war damals in der dritten Runde schon schneller als beim Spanien-GP mit seiner 800er. Wir haben damals die Drehzahlen an der 1000er noch niedrig gehalten, weil es Probleme mit der Zuverlässigkeit gab», schildert Nakamoto. «Wir wussten trotzdem, dass wir ein gutes Motorrad in der Pipeline hatten. Aber nachher hat Bridgestone einen MotoGP-Hinterreifen mit weicherer Karkasse entwickelt. Wir haben unser Motorrad für diese Erfordernisse umgebaut. Als wir die 1000er nach dem WM-Finale in Valencia erprobt haben, war dieser Prozess noch nicht abgeschlossen. Trotzdem ist Dani Pedrosa dort Bestzeit gefahren. Dani und Casey versicherten uns, die 1000er sei besser als die RC212V. Als wir dachten, alles sei im grünen Bereich, wurde im Winter zu einem sehr späten Zeitpunkt das Gewichtslimit um 4 kg erhöht. Dabei war das Gewicht für die 1000er ohnedies bereits von 150 auf 153 kg angehoben worden. Wir wurden durch diese späte Änderung auf dem falschen Fuss erwischt. Und wir sagen heute noch, es ist unfair, so eine Reglementsänderung mitten während des Testverbots durchzusetzen.»
Die Techniker von Honda und Yamaha mutmassten damals, die Dorna habe durch diese Massnahme den Ducati-Ingenieuren einen Gefallen tun wollen, die sich mit übergewichtigen Maschinen abmühten.
Die HRC-Piloten mussten jedenfalls beim ersten Sepang-Test Anfang Februar 4 kg Zusatzgewicht aufladen. So wurden zum Beispiel schwerere Auspuffanlagen gebaut. Nakamoto: «Es war nicht einfach, das Gewicht an den richtigen Stellen zu platzieren. Wenn du eine Rennmaschine 4 kg schwerer machst, wirft das die gesamte Balance über den Haufen. Ausserdem brachte Bridgestone danach einen neuen Vorderreifen mit einer weicheren Konstruktion heraus. Wir haben uns beschwert und diesen Reifen als unbrauchbar bezeichnet. Dieser Reifen war einfach nicht steif genug. Aber wir haben uns beim Dorna-Abgesandten Loris Capirossi nicht durchgesetzt. Im Grunde haben wir durch die zwei neuen Reifen von Bridgestone ein Testjahr vergeudet. Wir mussten das Motorrad wieder umbauen. Wir mussten knapp drei Monate vor dem Saisonstart einen neuen Rahmen und eine neue Schwinge konstruieren.»
Seit Bridgestone in der MotoGP die Einheitsreifen liefert, spielt die Harmonie zwischen den Reifen und dem Motorrad eine bedeutende Rolle. Die Honda-Rennmaschinen haben traditionsgemäss nicht den Ruf, in den Kurven überlegen zu sein. Das ist die Stärke von Yamaha. «Es sind die Pferdestärken, die wir aus unseren Motoren herausholen, die uns konkurrenzfähig machen», versichert Nakamoto. «Doch als Bridgestone zum Alleinausrüster wurde, mussten wir unser Augenmerk verstärkt darauf richten, das Maximum aus den Reifen rauszuholen. Wir müssen jetzt ein Motorrad bauen, das zu den Reifen passt. Wir müssen uns um den Flex des Rahmens kümmern und auf den Reifenverschleiss achten. Und wenn mitten in der Saison modifizierte Reifen geliefert werden, zwingt uns das zu grossen Umbauten. Wir konnten die harten alten Reifen bei den ersten fünf Rennen noch verwenden, aber in Silverstone wurden nur noch die Vorderreifen mit der weicheren Konstruktion verteilt. Beim siebten Rennen in Assen hatten wir erstmals einen neuen Rahmen-Prototyp, der aus Japan eingeflogen wurde. Dani hat das neue Motorrad sofort gefallen. Am Montag nach dem Mugello-GP haben wir auch das neue Triebwerk erstmals mit diesem Chassis probiert. Das war eigentlich ein erster Probegalopp mit einem 2013-Prototyp. Dani hat das neue Material gleich darauf in Laguna Seca eingesetzt. Casey gefiel der neue Motor, das neue Chassis hat ihm anfangs nicht behagt. Er hat also bei den nächsten Rennen den alten Rahmen mit dem neuen Motor verwendet. Mit dem 2013-Material haben wir die Stabilität beim Bremsen verbessern können. Das neue Chassis hat auch beim Fahrverhalten Vorteile gebracht.»