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Honda im GP-Sport: Preistreiber oder Samariter?

Kolumne von Günther Wiesinger
Stefan Bradl: Vertrag mit Nakamoto

Stefan Bradl: Vertrag mit Nakamoto

Im Motorrad-GP-Sport sind die Zweitakter verschwunden. Dass die Viertakter billiger sind, ist eine Illusion, geschürt von Honda.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Japaner Shuhei Nakamoto, Vizepräsident der Honda Racing Corporation, hat sich in seiner Dienstzeit im Zweiradsport riesige Verdienste erworben.

 

Unter seinem Regime ist Honda wieder zu einem Faktor in der MotoGP-Klasse geworden, nach jahrelanger Dominanz von Yamaha und Ducati. Nach 2006 (Hayden) hatten diese beiden Hersteller vier Titelgewinne hintereinander gefeiert. Nakamoto lockte Casey Stoner von Ducati weg, ausserdem band er die Kundenteams LCR und Gresini enger an HRC. Er nahm den aufstrebenden Marco Simoncelli direkt bei HRC unter Vertrag, später weitere Talente wie Marc Márquez und Stefan Bradl.

Dazu hat Nakamoto den Deal mit den Honda-Einheitsmotoren für die Moto2 eingefädelt. Aus Sicht von Honda genial, auch die Teams plädierten in Malaysia 2011 einstimmig für eine Beibehaltung dieses Systems. Denn die Motoren kosten nur 60.000 Euro für die ganze Saison.

Trotzdem wäre heute manchen Teams lieber, sie hätten freie Wahl. Dann würden vielleicht manche Landesimporteure kostenlose Supersport-Renntriebwerke liefern. Und Hersteller wie KTM, Mahindra und Ducati könnten über den Bau eigener Motoren nachdenken.

Dazu hat Nakamoto Honda in die kleinste GP-Klasse zurückgebracht und den Rallye-Fans ein japanisches Werksteam bei der Dakar-Rallye beschert.

Die Viertakter sind dreimal so teuer

Honda galt schon in den 1960er-Jahren als Viertakt-Verfechter und hat nach der Jahrtausendwende sehr frühzeitig entschieden, auch im GP-Sport von den Zweitaktern Abstand zu nehmen. Deshalb wurden die 125er und 250er nicht mehr weiterentwickelt, 2010 fuhr nur noch Marcel Schrötter eine Honda in der 125er-WM. Den letzten Achtelliter-WM-Titel gewann der weltgrösste Motorradhersteller 2005 mit Tom Lüthi.

Honda plädierte aber nicht wegen der geringeren Kosten für eine Einführung der Viertakter, sondern es ging um Firmenpolitik und ein bisschen um die Technologie der Zukunft. Denn Zweitakter sind aus dem Alltagsverkehr grossteils verschwunden, auch aus Gründen der Umweltverträglichkeit.

Heute tut Nakamoto so, als hätte sich Honda aus Gründen der Kostenreduzierung für die Viertakter stark gemacht. Das glaubt er wohl selber nicht. Denn KTM-Firmenchef Stefan Pierer erklärte nach dem KTM-Ausstieg aus den kleinen GP-Klassen 2009: «Aus dem Offroad-Sport wissen wir, dass sich die Motorenkosten in den Klassen 125 und 250 ccm um den Faktor 3 oder 4 erhöhen, sobald Viertakter ins Spiel kommen.»

Das hat sich längst bewahrheitet. Die Revision eines 250-ccm-Einzylinder-Viertakt-Moto3-Motors kostet nach 1500 km Laufzeit 5500 Euro. Beim 125-ccm-Einzylinder-Zweitakter hat am Ende der Laufzeit ein Mechaniker einen neuen Kolben reingesteckt, aus, basta. Deshalb haben sich die Kosten für einen Bezahlfahrer in der Moto3- gegenüber der 125er-WM verdoppelt.

In der Moto3 investiert Honda wenig Geld in die Entwicklung. KTM konzentriert sich auf diese neue Kategorie und sahnt die Erfolge ab.

Und wenn es den Herstellern so ums Sparen ginge: Warum hat sich dann Honda in der Superbike-WM nie mit den anderen Herstellern darüber unterhalten, eine Beschränkung des Motorenkontingents einzuführen? In der MotoGP-Klasse waren jetzt vier Jahre lang sechs Motoren erlaubt, 2013 nur noch fünf. Bei den Superbikes können 20 bis 30 Triebwerke verheizt werden. Man hätte auch früher auf die Idee kommen können, in der Superbike-WM standardisierte Teile (Getriebe, Dämpfung, Elektronik) einzuführen.

Aber wir wissen doch alle: In der Weltmeisterschaft geht es um Gewinnen, nicht ums Sparen.

Solange Aprilia in der Superbike mit einem verkappten Prototyp dominiert, den im Alltag keiner kaufen will, läuft in dieser angeblich seriennahen Meisterschaft («Win on sundy, sell on monday») etwas Grundsätzliches verkehrt.

Lobenswert: Honda baut Production-Racer

Als HRC und Repsol-Honda ihre stärksten MotoGP-Jahre erlebten, gab es ein «open budget». Auch in den Zeiten der Krise verfügt Honda noch immer über ein grösseres Rennbudget als alle andern. Darüber freuen wir uns, es wird sehr sinnvoll angewendet. Nur HRC konnte Stoner für 2013 eine Gage von 11 Millionen offerieren. Zu unserem Leidwesen hat er trotzdem abgelehnt.

Jetzt freuen wir uns auch über die lobenswerte Zusage von Shuhei Nakamoto, für 2014 für fünf Fahrer Production-Racer der Honda RC213V zu einem Stückpreis von 1 bis 1,2 Millionen Euro (Kaufpreis!) zu entwickeln und zu bauen. Dann erhalten die Teams wieder Motorräder, die sie näher als die Spitze heranbringen als die Notnägel namens Claiming-Rule-Bikes.

Vielleicht hätte der mächtige Honda-Konzern schon früher mithelfen sollen, die Preistreiberei einzudämmen. Dann wären vielleicht Hersteller wie Aprilia, KTM, Kawasaki, Suzuki nicht aus- und Firmen wie Ilmor und BMW längst eingestiegen. Aber die Kosten waren in astronomische Höhe gestiegen. KTM bezahlte einst allein für die Reifen 50.000 Euro. Pro Grand Prix und Fahrer! (Heute liefert Bridgestone dank des Dorna-Deals die MotoGP-Einheitsreifen kostenlos).

Die Nachfrage diktiert den Preis

In der Königsklasse kostete 2001 das Leasing für einen siegfähigen 500er-Zweitakter rund 1 Million Euro pro Fahrer. Als Kiefer Racing für 2012 mit Stefan Bradl in die MotoGP-WM (mit einem 1000-ccm-Viertakter) aufsteigen wollte, forderte HRC für das teuerste Leasingpaket 3,7 Millionen Euro. Alleine das hochmoderne «quick-shift»-Getriebe sollte 700.000 Euro pro Saison kosten!

Das darf man Honda nicht unbedingt vorwerfen. Denn die Nachfrage diktiert den Preis.

Als Aprilia die 250er-WM dominierte, bezahlten manche Teams drei Jahre lang für dasselbe Zweitakt-Paket jeweils 1,3 Millionen Leasing pro Fahrer und Saison. Die Entwicklung stand trotzdem still. Honda brachte seine 250er nicht einmal zum halben Preis unter die Leute.

Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta reagierte prompt. Er führte die Moto2 mit den Einheitsmotoren ein und setzte dem MotoGP-Wucher mit den Claiming-Rule-Maschinen (Materialkosten pro Fahrer rund 600.000 Euro) ein Ende. Die GP-Macher wie Dorna, IRTA, FIM und die Teams sind gefordert, den Werken durch sinnvolle Reglements enge Leitplanken zu setzen und den Entwicklungsspielraum zu begrenzen.

Ich mache Honda und Nakamoto keinen Vorwurf: Ein Werk hat andere Prioritäten als ein Serien-Promoter und ein Privatteam. Ein Werk muss gewinnen. Das ist der klare Auftrag.

Deshalb zählt es nicht zu den Aufgaben eines erfolgreichen HRC-Managers, sich als Samariter darzustellen.

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