MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Ducati Corse: Gobmeier nach Palastrevolution weg

Kolumne von Günther Wiesinger
Bernhard Gobmeier

Bernhard Gobmeier

Neun Monate. Immerhin. So lange hielt sich Bernhard Gobmeier auf dem Schleudersitz bei Ducati Corse. Jetzt soll Gigi Dall’Igna das Ruder herumreissen. Man darf es ihm zutrauen.

«Wir suchen lieber zehn Bereiche, die je eine Zehntelekunde bringen als das grosse Wunderteil, das eine Sekunde bringt. Das gibt es nämlich eh nicht», sagte Bernhard Gobmeier (54), neuer General Manager bei Ducati Corse, im Februar oder März bei den Wintertests.

Gobmeiers Credo lautete: «Evolution statt Revolution. Wir glauben, dass das Potenzial der Ducati GP12 im Vorjahr nie völlig ausgeschöpft wurde.» Offenbar ein Irrtum. Jedenfalls wurden die ersten Rennen 2013 mit der GP12-Version bestritten. Irgendwann wurde dann eine GP12.5 daraus.

Gobmeier im Januar: «Wir wollen in der zweiten Saisonhälfte 2013 wieder um Podestplätze fahren.»

Oder: «Mein Ingenieurs-Studium liegt zwar schon einige Zeit zurück. Aber die physikalischen Gesetze haben sich nicht verändert. Ich kann den Ingenieuren zumindest die richtigen Fragen stellen.»

Das alles hörte sich sinnvoll an. Aber dieses System brachte Ducati auch im dritten mageren Jahr keinen Schritt weiter.

Spätestens im Sommer dämmerte Gobmeier, dass er bei Ducati in die Fänge einer italienischen Allianz geraten war. Es dürften Kräfte bei Ducati Corse existieren, vielleicht sind da auch MotoGP-Projektleiter Paolo Ciabatti und der neue CEO Claudio Domenicali dabei, die auf Beharrung setzten.

Viele Ducati-Getreuen in Borgo Panigale haben es nicht verkraftet, dass Technik-Guru Ing. Filippo Prezioso vom Deutschen eiskalt abserviert worden war. Jetzt liessen sie Gobmeier auflaufen. Sie bevorzugen das italirnische Grande Casino gegenüber der deutschen Gründlichkeit.

Gobmeier fiel Mitte September beim Misano-GP auf: «Manchen Ducati-Technikern fehlt der Mut zum grossen Schritt. Wir brauchen radikale Änderungen.»

Misano war ein Wendepunkt: Rossi war dort 2012 mit der Ducati Zweiter. Dovizioso büsste diesmal als Achter 45,7 Sekunden auf den Sieger ein. Eine eiskalte Dusche für die Ducatisti.

Auch das gefühlte 13. Update für die GP13 war in die Hosen gegangen. Es musste etwas passieren. Gigi Dall’Igna bekam ein neues Angebot. Das erste im Juli hatte er dankend abgelehnt. Der Erfolgskonstukteur wollte keinen deutschen Vorgesetzten.

Für die nächstjährige Desmosedici kündigte Gobmeier kürzlich radikale Umbauten an. Er wollte das ewige Untersteuern durch einen geänderten Schwerpunkt, eine bessere Kinematik, unterschiedliche Gewichtsverteilung, andere Geometrie und Sitzposition aus der Welt schaffen. Auch die mangeldne Fahrbarkeit des giftigen Motors, die zu starkem Reifenverschleiss führt, ist ein ewiges Thema. Und der Verbrauch ist zu hoch, die 20-Liter-Regel 2014 verursacht in Italien Kopfzerbrechen.

Die Kluft zwischen Gobmeier und seiner ursprünglichen rechten Hand Ciabatti wurde anhand einiger kleiner Begebenheiten in den letzten Wochen offenkundig.

Gobmeier sass in Misano am Samstag mehr als 30 Minuten lang mit Pramac-Ducati-Teambesitzer Paolo Campinoti im Ducati-Besprechungszimmer. Ciabatti sass bei einem Glas Wasser 30 Meter entfernt in der Hospitality und starrte auf sein iPad.

Der Machtkampf war längst entbrannt.

Dafür durfte Ciabatti am nächsten Vormittag mit AB Cardion-Teambesitzer Karel Abraham verhandeln, wegen Kunden-Bikes. Aber der hatte längst bei Honda unterschrieben, er hat für seinen Sohn den Honda-Production-Racer RCV1000R bestellt. Leere Kilometer.

Jetzt muss Gobmeier dem Italiener Gigi Dall’Igna Platz machen. Der hatte bei Aprilia Reparto Corse die Befugnisse eines Allmächtigen und keine Lust, bei Ducati nur die Rolle des Technischen Direktors zu spielen, unter Gobmeier.

Der gute Luigi wusste, wie verzweifelt Audi und Ducati einen Erfolg in der MotoGP- und Superbike-WM nachlaufen. Wer ausser ihm sollte den Turnaround schaffen?

Dall’Igna hatte die schlagkräftige Aprilia RSV4 entwickelt, mit der Max Biaggie zweimal Superbike-Weltmeister wurde. Und er tanzte mit diesem billigen Fliessbandrenner dank Aleix Espargaró den Ducati-Stars in der MotoGP-WM auf der Nase herum. Seither gilt er in Italien als Heilsbringer, der Wasser zu Wein macht.

Ducati-CEO Claudio Domenicali spielt ein riskantes Spiel. Er trägt die Verantwortung für das zweijährige Rossi-Desaster. Er hat bei Preziosi jahrelang beide Augen zugedrückt. Er hat alle gescheiterten Konzepte in der MotoGP und beim hoffnungslosen Panigale-V2-Superbike mitverantwortet.

Audi hat 740 Millionen Euro für Ducati bezahlt.

Dass jetzt in der Superbike-WM erstmals seit 1988 keine Ducati in den Top-Ten auftaucht und in der Königsklasse Top-8-Plätze das Höchste der Gefühle sind, spielte der Italien-Fraktion bei den Roten in die Karten.

Audi musste Gobmeier opfern.

Zumindest wenn es um Intrigen geht, existiert so etwas wie eine italienische Gründlichkeit.


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