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Jan Witteveen: «Ducati muss zurück zum Stahlrahmen»

Von Günther Wiesinger
Ex-Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen empfiehlt Ducati einschneidende Massnahmen. Man müsse politisch mehr Einfluss nehmen und zurück zum Stahlrahmen von 2007, verlangt er.

Jan Witteveen war von Juni 1989 bis 2005 bei Aprilia als Renndirektor tätig, er baute die Firma Aprilia Reparte Corse (bis zu 120 Mitarbeiter) auf. Seit dem Weggang bei Aprilia gilt Witteveen als aufmerksamer Beobachter der Motorradszene.

Zur schwierigen Situation von Ducati vertritt der Niederländer ein paar ganz aussergewöhnliche Thesen.

Jan, wie kommt Ducati aus der dreijährigen Dauerkrise wieder heraus? Geht es nur durch den Wechsel ins Open-Format und durch die Verwendung der Einheits-ECU von Magneti Marelli?

Ducati hat die Elektronik immer schon von Magneti Marelli verwendet, genau so wie Kawasaki und Yamaha. Im November hat Ducati dann erstmals mit Yonny Hernandez in Jerez auch die Einheits-ECU getestet.
Meiner Meinung nach ist dieses Konzept mit den vielen Einheits-Systemen bei Elektronik, Reifen und so weiter in der Weltmeisterschaft nicht zielführend. In der Moto2 ist es ja noch schlimmer. Da gibt es ja auch noch Einheitsmotoren, Einheitsöl und Einheitsbenzin. Lauter Einheitsbrei. Am Schluss ist der Wettbewerb weg.
Ich habe nichts gegen neue Reglements. Aber sie sollen sinnvoll sein.

Ducati wird aber die Reglements nicht umstossen können?

Ducati überlegt jetzt, 2014 auch mit den Werkspiloten Doivizioso und Crutchlow auf die Einheits-Software umzusteigen. Offenbar hat sich beim Test in Jerez herausgestellt, dass zwischen ihrer eigenen Software und der Einheits-ECU kein gravierender Unterschied besteht. Also nützen sie vieleicht lieber die Vorteile des Open-Formats aus,  24 statt 20 Liter, mehr Motoren, Motorenentwicklung nicht eingefroren, eventuell weichere Reifen.
Sie haben sich gefragt, ob es angesichts dieser Fakten überhaupt Sinn macht, im Factory-Status zu fahren.
Bei den Tests in Sepang werden sie dazu weitere Erkenntnisse gewinnen.

Der neue Ducati-Rennchef Gigi Dall’Igna scheint bei Aprilia eine bessere Elektronik gehabt zu haben. Als er noch bei Aprilia war, wollte er auf 2014 die Einheits-ECU verzichten und lieber auf die Vorzüge der hauseigenen Software vertrauen.

Wenn sich jetzt abzeichnet, dass Ducati mit der Einheits-ECU keinen spürbaren Nachteil hat, würde ich an ihrer Stelle auch den Open-Status wählen. Dann können sie vielleicht weichere Hinterreifen fahren. Ausserdem haben sie mehr Spielraum bei der Entwicklung.
Wenn sie als Factory antreten, wird motormässig ab Mitte März alles eingefroren.
Was wichtig ist: Wenn ich bei Ducati wäre, würde ich bei der Gestaltung des Reglements mehr Druck auf die Dorna und auf die FIM ausüben. Ich weiss nicht, was sie daran hindert...
Ich würde an Stelle von Ducati alles daran setzen, um das System der Einheitsreifen wegzubringen. Der zweite Drei-Jahres-Vertrag mit Bridgestone läuft ja Ende 2014 aus...
Ducati hätte sich das ganze Geld und den ganzen Aufwand für Dutzende Rahmenausführungen und Testtage sparen können. Ducati ist dadurch in drei Jahren nicht konkurrenzfähiger geworden. Wenn sie die Einheitsreifen loswürden und dann nur einen Teil dieses finanziellen Aufwands an Bridgestone zahlen würden, um spezifisch für die Desmosedici konstruierte Reifen zu bekommen, wäre das viel sinnvoller und besser für Ducati.
Dann müssten sie kein Nicht-Ducati-Motorrad mehr bauen. Dann könnten sie sich auf ihre Stärken besinnen und wieder ein Original-Ducati-Motorrad bauen. Sie wären erstens wieder wettbewerbsfähiger; und zweitens müssten sie weniger Geld ausgeben.

Welches Motorrad müsste Ducati dann bauen: Den Gitterrohrstahlrahmen von 2007? Oder das Bike mit dem Karbon-Monocoque, das nachher kam und ein Flop war?

Das müssten die Ducati-Verantwortlichen entscheiden. Ich würde zum Konzept von 2007 zurückgehen. Das wäre am einfachsten.

Also zum Stahlrahmen?

Ach, der Rahmen... Das ist nur ein kurzer Vorderteil. Der wirkliche Rahmen ist der Motor.
Die Desmosedici GP7 von 2007 war eine Ducati! (Er ereifert sich). Was sie jetzt bauen, ist ja keine Ducati. Da fehlt die DNA, das Erbgut.
Ducati baut ja kein einziges Serienmotorrad mit Alurahmen. Das MotoGP-Projekt wurde völlig zweckentfremdet.
Ducati setzt jetzt seit zweieinhalb Jahren den Alurahmen ein. Doch diese Richtung hat nichts gebracht – ausser Schwierigkeiten.
Wie gesagt: Ich würde anstelle von Ducati viel politischer agieren und mehr Einfluss aufs Reglement nehmen.

Bei Ducati gibt und gab es in letzter Zeit offenbar keine Persönlichkeit, die genug Mumm dazu hatte. Das müsste wohl Ducati-CEO Claudio Domenicali mit Nachdruck übernehmen. Oder gleich Audi-Vorstand Dürheimer als Eigentümervertreter?

Ja, wer auch immer. Ich verstehe nicht, warum Ducati das bisher nicht getan hat. Die Politik wurde völlig vernachlässigt.

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