LCR-Chef Lucio Cecchinello: Ärger über Open-Vorteile
Verärgert: Die Teambesitzer Fausto Gresini und Lucio Cecchinello
LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello ist alles andere als begeistert von den Vorteilen der neuen Open Class, denn die M1-Yamaha von Aleix Espargaró sowie Colin Edwards und die drei Werks-Ducati von Andrea Dovizioso, Cal Crutchlow und Andrea Iannone können im Laufe der Saison dank der weicheren Reifen, der vier Liter mehr Sprit, der zwölf statt fünf Motoren und der nicht eingefrorenen Motorenentwicklung zu einer ernsthaften Bedrohung für Stefan Bradl werden.
«Dieses neue Reglement ist nicht ordentlich durchdacht. Es lässt zu viel Interpretationsspielraum», ärgert sich Cecchinello. «Es ist ja schon seltsam, dass Ducati jetzt ab Montag als Open-Class-Team an den Bridgestone-Tests in Australien teilnimmt.»
Tatsächlich hatte Bridgestone im Winter vereinbart, dass nur die sechs offiziellen Werksfahrer von Honda, Yamaha und Ducati nach Phillip Island reisen werden.
Aber plötzlich tritt Ducati dort am Montag, Dienstag und Mittwoch (getestet wird jeweils von 9.30 bis 17.30 Uhr Ortszeit) im Open-Format an. Bridgestone hat aber gar keine weichen Hinterreifen nach Australien verfrachtet... Eine kuriose Situation.
Lucio Cecchinello peilt mit Stefan Bradl 2014 konstant Top-5-Plätze an, der Bayer soll drei Podestplätze einfahren. Und ursprünglich bestand das Ziel, Rossi und Pedrosa deutlich näher zu rücken. Aber ausgerechnet dieses Duo fuhr in Sepang die Bestzeit, Lorenzo hingegen kam über Platz 7 nicht hinaus, Márquez ist verletzt. Ducati wurde stärker, auch im Factory-Modus.
Die Kräfteverhältnisse haben sich leicht verschoben.
«Was soll ich dazu sagen? Die Open-Geschichte wirkt für mich ein bisschen unfair. Wir werden auf sehr deutliche Weise benachteiligt. Zum Glück verfügt Honda bei den RC213V-Prototypen über einen Technologie-Vorsprung. Aber es gibt bei der Entwicklung, bei den Reifen und beim Treibstoffverbrauch jetzt keine gleichen Voraussetzungen mehr», ist sich Cecchinello bewusst. «Wenn die Open-Bikes von Forward und Ducati bei allen Rennen in der Startaufstellung vor uns stehen, ist das für uns sehr unangenehm. Dann besteht für uns eine grössere Gefahr, dass wir unsere Rennen verpatzen. Stefan wird selbst bei einem guten Start mehr Fahrer als üblich vor sich haben, weil die Open-Team im Qualifying weichere Reifen bekommen. Dadurch kann alles verfälscht werden. Aber vielleicht ist es das, was Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta beabsichtigt hat. Er will mehr Action, mehr Überholmanöver. Er will solche Diskussionen, die MotoGP bleibt dadurch im Gespräch. Die neuen Vorschriften waren ursprünglich vielleicht gut für die Weltmeisterschaft, weil sie den Privatteams nützen. Aber so wie sie jetzt umgesetzt werden, das geht definitiv zu weit.»
Die Fans tappen im Dunkeln
Dem Ducati-Werksteam darf man keinen Vorwurf machen: Die Italiener nützen nur ein paar Schlupflöcher des Reglements geschickt aus.
«Am Ende kümmert sich die breite Masse nicht um die Details im Reglement», weiss Cecchinello. «Die meistens Fans auf den Tribünen und vor den TV-Geräten, sie sehen eine Ducati an der Spitze und sagen: Das ist ein gutes Motorrad. Welche Fahrer mehr Sprit haben und welche nicht, das weiss doch keiner...»
Jetzt bleiben nur noch acht Prototypen-Fahrer im Factory-Status übrig. Die beiden Repsol-Honda (Márquez, Pedrosa), die beiden Werks-Yamaha (Rossi, Lorenzo), die beiden Tech3-Yamaha (Pol, Espargaró, Smith) sowie LCR-Honda (Bradl) und Go&Fun-Gresini-Honda (Bautista).
Da alle betroffenen Factory-Status-Piloten verunsichert sind, werden Dorna, IRTA und FIM jetzt unter Beschuss kommen.
Aber es kann nur eine Stossrichtung geben: Kann man den Open-Team die weicheren Hinterreifen vorenthalten?
Denn dieser lukrative Aspekt ist im Reglement nicht definitiv festgeschrieben. Es ist nur von «unterschiedlichen Reifen» für die Open Class die Rede. Die jetzt verwendeten Hinterreifen bringen aber 0,6 bis 0,8 sec pro Runde. Und sie halten auch eine Renndistanz durch.
«Die besten Open-Fahrer von Ducati und Forward-Yamaha werden mit den weicheren Hinterreifen in den Qualifyings konstant schneller sein als die Prototypen», rechnet LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello vor.
Deshalb möchten die verbleibenden Factory-Teams jetzt gemeinsam abklären, ob die Werksfahrer diese weichen Hinterreifen zumindest fürs Training nicht auch bekommen sollten.
«Dieses Thema sollten wir jetzt sicher aufs Tapet bringen», meint Cecchinello. «Wir sollten Bridgestone klar machen, dass wir auch fürs Training einen wettbewerbsfähigen Reifen brauchen.»