Open-Ducati: Elektronik von 2013 und weniger Sprit?
Die Ducati-Box: Müssen bald 22,5-Liter-Tanks gebaut werden?
Der einflussreiche HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto rieb sich beim ersten Sepang-Test angesichts der Topzeiten von Aleix Espargaró auf der Open-Yamaha M1 des Forward-Teams verwundert die Augen.
«Yamaha verfolgt offenbar in der Open Class eine andere Philosophie als wir», stellte er verärgert fest. «Wir haben extra einen preiswerten Production-Racer gebaut und entwickelt, Yamaha verwendet einfach einen Prototyp aus der Saison 2013.»
Aber es kam noch dicker.
Am 28. Februar meldete Ducati Corse die drei Werksfahrer Dovizioso, Crutchow und Iannone ebenfalls in der Open Class an.
Und das wenige Stunden, nachdem Andrea Dovizioso noch im Factory-Modus in Sepang die drittbeste Zeit erzielt hatte, nur 0,068 sec hinter den Werksmaschinen von Rossi und Pedrosa.
Die weicheren Hinterreifen der Open Class hat «Dovi» bisher noch gar nicht verwendet.
Inzwischen hatte Wehklagen der Konkurrenz angehoben. «Wir wollen diese weichen Hinterreifen auch», meinten Lorenzo, Rossi, Bradl und Co.
Repsol-Honda-Teamprinzipal Livio Suppo hat mitgekriegt, dass Ducati offenbar ihre eigene Werks-Software trickreich an Magneti Marelli weitergereicht hat, um bei der Elektronik im Open-Status keine Nachteile zu haben. «Diese Software ist viel komplizierter als die, die die Open-Teams bisher zur Verfügung hatten», weiss Suppo.
Das Ergebnis: Forward und etliche andere Teams verwenden die 2013-Version, weil es an Zeit, Manpower und Wissen fehlt, um dieser neuen Software rechtzeitig bis zum Saisonstart auf die Schliche zu kommen.
Die Konkurrenzteams vermuten eine konspirative Liaison zwischen Ducati, Magneti Marelli und dem ehemaligen Ducati-Techniker Corrado Cecchinelli, der jetzt als Technik-Direktor bei der Dorna tätig ist.
Kompromiss: Weniger Sprit, keine weichen Reifen?
Inzwischen ist durchgesickert, dass Dorna und FIM der Grand Prix Commission einen Kompromissvorschlag zur Open Class vorlegen werden.
Es gibt also eine von der Dorna bezahlte Einheits-ECU, die bis zum Sepang-1-Test (4. bis 6. Februar) verwendet wurde. Inzwischen existiert die Upgrade-Elektronik, die für den zweiten Sepang-Test (26. bis 28. Februar) angeliefert wurde. Dieses Upgrade soll sämtliches Knowhow des Ducati-Werks beinhalten, eventuell auch von Aprilia, wo Ducati-Rennchef Gigi Dall’Igna bis Ende Oktober 2013 beschäftigt war.
Die Dorna hat diese Elektronik auch den Werksteams von Honda und Yamaha angeboten, sie wurde aber dankend abgelehnt. «Unsere Honda RC213V würde sich mit dieser Software nicht einmal starten lassen», weiss LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello.
Jetzt werden Dorna und FIM der Grand Prix Commission vorschlagen: Wer die 2013-ECU benützt, kann in der Open Class fahren.
Der von SPEEDWEEK.com vor zwei Wochen exklusiv aufgedeckte Trick von Ducati (Rausgabe der eigenen ECU an Magneti Marelli) wird also von der Grand Prix Commission nicht akzeptiert. Ducati muss die 2013-ECU einbauen – oder in der Factory-Status zurückkehren.
Aber Dorna und FIM wollen in der CPC noch weitere Hindernisse für Ducati und Forward-Yamaha einbauen.
Sobald ein Open-Fahrer drei dritte Plätze, zwei zweite Plätze oder einen Sieg errungen hat, soll sein Spritvorrat für das nächste Rennen von 24 auf 22,5 Liter reduziert werden.
Wenn dieser Open-Fahrer von Ducati oder Forward-Yamaha noch weitere Top-3-Ergebnisse einfährt, kann der Spritvorrat weiter beschränkt werden.
Ändern wird sich dadurch nicht viel. Denn Ducati und Yamaha kamen bei diesen Motorrädern 2013 mit 21 Litern bei allen Rennen über die Renndistanz.
Jetzt müssen noch die Funktionäre der Teamvereinigung IRTA (sie stimmen meist identisch wie die Dorna ab) und die Abgesandten der Hersteller-Vereinigung MSMA zustimmen.
Die Ducati-Manager sollen bereits ihre Bereitschaft zur Einwilligung bei diesem Deal signalisiert haben.
Bei der Dorna wird diese Diskussion mit eine gewissen Belustigung verfolgt. Denn Honda und Yamaha sträubten sich bisher gegen die Einheits-ECU, weil sie als nicht konkurrenzfähig und als unterlegen eingestuft wurde. Jetzt war Ducati den Werksteams von Honda und Yamaha damit in Australien dicht auf den Fersen: Rückstand 0,3 sec.
Also verliert dieses Argument an Aussagekraft.
Gut möglich, dass die Einheits-ECU schon 2015 für alle MotoGP-Teams Pflicht wird, obwohl sich auch Suzuki dagegen wehrt.
Honda und Yamaha werden von der Dorna herzlich eingeladen, auch ein paar Software-Geheimnisse an Magneti Marelli herauszurücken. Von denen dann freilich alle Konkurrenzteams profitieren würden.
Bis Ende nächster Woche soll zwischen MSMA, Dorna und FIM Einigkeit erzielt werden.
Der weiche Hinterreifen der Open Class wird auch noch ein Diskussionspunkt sein. Die Dorna will in diesem Punkt ähnlich vorgehen wie beim Spritvorrat: Wer zu erfolgreich ist, verliert die weichen Hinterreifen.
Eine andere Idee: Nur jene Open-Teams, die ehemalige Claiming-Rule-Bikes mit Superbike-Rennmotoren von Kawasaki oder Aprilia oder die Production Racer von Honda einsetzen, erhalten die weicheren Hinterreifen. Den Werks-Ducati und den beiden Forward-Yamaha könnten sie eventuell vorenthalten werden.
Wie auch immer: Die Lage wird nicht übersichtlicher. Die MotoGP-Klasse läuft auf eine Handicap-Formel hinaus.
Irgendwann werden wir die Übersicht verlieren: Wer fährt im Factory-Status und wer in der Open Class? Welcher Open-Fahrer hat noch 24 Liter im Tank und wer darf wegen Schnellfahrens nur noch 22,5 Liter mitnehmen?
Ist das im Sinne des Rennsports? Wer zu schnell ist, wird bestraft?