MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Maverick Viñales: Ist er so gut wie Marc Márquez?

Von Günther Wiesinger
Manche Experten halten den 20-jährigen Maverick Viñales längst für einen ganz Grossen. Er steht weniger im Rampenlicht als Landsmann Marc Márquez, aber seine Performance kann sich sehen lassen.

Ex-500-ccm-Weltmeister Kevin Schwantz hat schon im September 2011 erkannt, dass aus der damaligen jungen Generation von Topfahrern drei ganz besonders herausragten – Marco Simoncelli, Marc Márquez und Maverick Viñales.

Tatsächlich hat Viñales 2011 mit 16 Jahren in seiner ersten 125-ccm-GP-Saison bei Blusens-Aprilia gleich vier WM-Rennen gewonnen und als WM-Dritter mit 248 Punkten einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Auch 2012 gewann der begnadete Spanier mit der FTR-Honda in der ersten Moto3-Saison (250-ccm-Viertakter statt 125-ccm-Zweitakter) fünf Rennen – er wurde WM-Dritter mit 207 Punkten.

Aber Viñales war trotzdem frustriert, weil die Werks-KTM von Cortese mit Fortdauer der Saison immer unschlagbarer wurde und Honda und das Blusens-Team nichts unternahmen, um die Titelchancen zu erhöhen.

Die Saison gipfelte in einem Eklat. Beim Sepang-GP platzte Viñales der Kragen, er streikte, unterhielt sich während des ersten freien Trainings mit den Journalisten – und reiste dann heim nach Spanien.
Der Weg zum Titel war endgültig frei für KTM und Sandro Cortese.
Und Maverick machte unmissverständlich klar: Er wollte für 2013 eine Werks-KTM.

Viñales' damaliger Manager Ricard Jové nahm die Situation nicht besonders ernst, er pochte auf seinen langfristigen Vertrag. Rechtsanwalt Paco Sanchez machte Viñales daheim in Spanien klar, dass er am kommenden Sonntag in Australien wieder für Blusens-Honda fahren müsse, sonst werde er wegen Vertragsbruchs sein Gesicht verlieren.

Viñales kam der Aufforderung nach, das Porzellan zwischen dem Fahrer, Manager Jové und Blusens war allerdings zerschlagen.
Der Grund: Jové hatte ihm ein lukratives schriftliches Angebot von Red Bull KTM-Ajo für die Saison 2013 vorenthalten.

Viñales nahm eine Ablöse von 300.000 Euro in Kauf – und wechselte ins kleine LaGlisse-Team, dessen Besitzer Jaime Fernández-Avilés wenig später in die Schlagzeilen geriet, weil er wegen Betrugs monatelang ins Gefängnis eingebuchtet werden sollte.

Viñales liess sich nicht beirren. Er fuhr 2013 im spanischen Underdog-Team einen Podestplatz nach dem anderen heraus, aber Luis Salom hielt vom ersten bis zum letzten Rennen die WM-Führung. Erst beim Finale zeigte Viñales seine einsame Klasse, sein wahres Können und seine Nervenstärke – er gewann nach drei Siegen den WM-Titel überraschend vor Rins und Salom!

Von seinem Entdecker und Manager Ricard Jové hat er sich im Sommer 2013 im Alter von 18 Jahren getrennt, seither betreut ihn kein Geringerer als der finnische Weltmeister-Macher Aki Ajo, der mit grosser Achtung von dem willenstarken Aufsteiger spricht.

Übrigens: Maverick Viñales befürchtete das ganze Jahr 2013 hindurch, KTM würde das Red Bull-Team bei der Weiterentwicklung bevorzugen – und täuschte sich.

Zum Dank dafür schenkte er KTM-Sportchef Pit Beirer bei der FIM-Gala in Monte Carlo seine Goldmedaille.

Viñales ?wirkt genau so zielstrebig wie Marc Márquez, beide sind überreich mit einer riesigen Portion Naturtalent gesegnet, ihr Renninstinkt, ihr Siegeswille, ihr Blick fürs Wesentliche und ihr Selbstvertrauen sind beispielhaft.

Beide Fahrer wirkten mit ihren 18, 19, 20 und 21 Jahren ungeheuer reif und erwachsen, was auch den MotoGP-Rookie Jack Miller auszeichnet.

Márquez und Viñales ordnen alles dem Rennsport unter, sie trainieren verbissen und bringen viele Opfer.

Doch der Erfolg gibt ihnen Recht.

Wir haben ein paar statistische Daten hervorgekramt, die dokumentieren, dass ein Vergleich zwischen Maverick Viñales und Marc Márquez auf keinen Fall gewagt oder an den Haaren herbei gezogen ist.

Der Vergleich

– Maverick Viñales hat in der 125-ccm-WM bereits beim fünften Auftritt seinen ersten Grand Prix gewonnen, Marc Márquez erst bei seinen 33.
– Maverick Viñales gewann in der Moto2-WM gleich sein zweites Rennen, er beendete die Rookie-Saison 2014 mit vier Siegen auf dem dritten Gesamtrang. Er hielt sich dann im Gegensatz zu Marc Márquez nur eine Saison lang in der Moto2-Klasse auf – und unterschrieb dann für zwei Jahre bei Suzuki.

– Marc Márquez hat in der Moto2-WM erst beim seinem achten WM-Rennen den ersten Sieg errungen. Das war 2011 in Le Mans, wo Viñales übrigens seinen ersten 125er-GP-Sieg feierte.
Márquez beendete seine erste Moto2-Saison an zweiter Stelle hinter Stefan Bradl, Viñales beendete sie 2014 als Dritter.
– Maverick Viñales ist zwei Jahre jünger als Márquez und könnte noch einige Altersrekorde seines Landsmanns brechen.

– Beim Alter zum Zeitpunkt des WM-Debüts (in der 125-ccm-WM) hat Márquez die Nase vorne:

Marc Márquez: 15 Jahre und 42 Tage

Maverick Viñales: 16 Jahre und 67 Tage.

Beim Alter zum Zeitpunkt des ersten GP-Siegs (125 ccm) war Viñales der deutlich Jüngere:

Marc Márquez: 17 Jahre und 109 Tage
Maverick Viñales: 16 Jahre und 123 Tage.

Beim Alter zum Zeitpunkt des ersten Moto2-GP-Siegs lag hingegen Márquez um ziemlich genau ein Jahr vorne:

Marc Márquez: 18 Jahre und 87 Tage
Maverick Viñales: 19 Jahre und 91 Tage.

In der MotoGP-WM wird Maverick Viñales noch einige Zeit im Schatten des Repsol-Honda-Stars stehen, die Nummer 93 wird vorläufig keine Rekorde an den schnellen Landsmann verlieren.

Wobei Márquez einen Vorteil hat: Er wurde am 17. Februar 1993 geboren, Viñales am 12. Januar 1995. Er ist also in jeder Saison 36 Tage jünger als sein Rivale, wenn es um das Aufstellen von Altersrekorden geht.

Márquez war 2013 nach drei Rennen schon WM-Leader (mit 61 Punkten) vor Lorenzo (57) und Pedrosa (53), er hatte gleich beim zweiten Rennen in Texas die Pole-Position erzielt und den Sieg eingeheimst.

Viñales muss sich aber mit seinen Leistungen beileibe nicht verstecken. Der 20-jährige (70 GP-Starts, 16 Siege, 40 Podestplätze, elf Pole-Positions) hat auf der neuen Suzuki GSX-RR als Rookie die Ränge 14, 9 und 10 erobert und sich als Neuling in der Weltspitze etabliert.

Viñales hat seinen Weg in der 125er-WM, in der Moto3 und in der Moto2 vorbildlich gemacht. Er wird sich auch in der MotoGP-WM durchsetzen, wenn auch in nächster Zeit en bisschen im Schatten von Márquez, Lorenzo und Pedrosa.

Aber für 2017 werden Honda, Yamaha und Ducati mit dicken Scheckbüchern um den begabten Siegfahrer wetteifern.

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