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Lin Jarvis (Yamaha): «Der WM-Kampf ist nicht vorbei»

Von Sharleena Wirsing
Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis: «Jede Aktion hat Konsequenzen»

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis: «Jede Aktion hat Konsequenzen»

Der Vorfall zwischen Valentino Rossi und Marc Márquez in Sepang erhitzt weiter die Gemüter. Auch Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis teilte seine Sicht der Dinge mit.

Von der Fußraste gerutscht oder ein Tritt? War die Bestrafung von Rossis unsportlichem Verhalten mit drei «penalty points» zu hart oder zu mild? Ist der WM-Kampf bereits entschieden? Auch diese brennenden Fragen beantwortete Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis nach dem dramatischen Rennen in Sepang.

Wie sieht deine Reaktion zur Strafe gegen Valentino aus?

Ich denke, dass das, was auf der Strecke passierte, das Ergebnis eines harten Kampfes zwischen Marc Márquez und Valentino Rossi in den letzten Rennen war. Nach dem Rennen auf Phillip Island kam es zur Beschuldigung von Valentino, dass Marc das Rennen hätte kontrollieren können und damit Einfluss auf die Meisterschaft nahm. Ich denke, dass das, was wir im Rennen gesehen haben, die Rache von Marc Márquez an Valentino Rossi wegen seines Statements gegenüber den Medien war.

Wenn du das Rennen im Detail analysierst und jedes Manöver studierst, das Marc gemacht hat, gab es nichts Illegales – in keinem einzelnen Manöver. Aber ich denke, dass man das größere Bild sehen muss und sich fragen muss, was die Motivation eines derartigen Rennens war und was Marc dazu verleitet hat, Valentinos Rennen deutlich zu beeinträchtigen. Das resultierte in einem Überfluss an Frustration bei Valentino. Er machte ein Manöver, das nicht korrekt war, da Marc dadurch von der Ideallinie abkam. Dann hat Marc unglücklicherweise entschieden einzulenken und berührte  Valentinos  Bein, was dazu führte, dass Marc stürzte.

Ich bin sehr traurig, dass der Vorfall zu einem Sturz eines anderen Fahrers geführt hat. Ich denke, dass Valentino für den gehalten wurde, der – sagen wir – ein Manöver machte, das nicht legal war. Das war schließlich das Ergebnis und dafür wurde er bestraft.

Er bekam direkt eine Strafe von drei Punkten, was zusammengezählt mit dem Punkt, den er schon hat, vier Punkte ergibt und bedeutet, dass er in Valencia vom Ende der Startaufstellung losfahren muss. Unsere Aufgabe als Team ist es, die Interessen unserer Fahrer zu vertreten. Wir können also nicht abstreiten, dass Valentinos Manöver eine Art von Aktion war, die wir in der MotoGP-WM nicht sehen wollen.

Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass die Strafe etwas zu hart ist, drei Punkte zu geben, obwohl Valentino normalerweise nicht unsauber fährt. Er ist kein Fahrer, der Probleme für andere heraufbeschwört, also haben wir als Team bei der FIM Einspruch zur ersten Entscheidung der Rennleitung eingelegt. Dann wurde Valentino von der FIM angehört, auch die Rennleitung wurde konsultiert, dann wurden auch Marc Márquez und Honda angehört. Nach 45 Minuten hatten wir das Ergebnis des Protests. Er wurde abgelehnt.

Die eigentliche Strafe von drei Strafpunkten gegenüber Valentino besteht also noch immer. Mit einem Protest kannst du dich nach der Entscheidung der Rennleitung an die FIM-Stewards wenden. Wenn die FIM deinen Protest ablehnt und der ursprünglichen Entscheidung zustimmt, kannst du nicht weiter protestieren. Es ist endgültig, der Fall ist also geschlossen.

In den Helikopter-Aufnahmen kann man sehen, dass Márquez Valentinos Bein berührte. Rossi sagte, dass sein Fuß dadurch abrutschte und er Marc nicht getreten hat. Stimmst du damit überein?

Es geht nicht darum, was ich gesehen habe, sondern um das, was Valentino mir gesagt hat. Auf jeden Fall denke ich, dass die Bilder es bestätigen. Ein Tritt ist allgemein eine aggressive Bewegung nach vorne. In diesem Fall rutschte sein Fuß ab und Valentino sagte, dass er berührt wurde und sein Fuß von der Fußraste abrutschte. Ich denke nicht, dass es sehr clever wäre, eine 158 Kilogramm schwere RC213V zu treten.

Denkst du, dass Rossis Aktionen gerechtfertigt waren?

Ich verteidige seine Aktionen nicht. Deshalb hat er die Strafe bekommen, denn es wurde so beurteilt, dass diese Aktion nicht mit dem Regelbuch dieses Rennsports zu vereinen ist.

Jorge Lorenzo erklärte, dass er die Strafe für Valentino als zu mild empfindet.

Das ist seine persönliche Meinung. Jeder darf seine eigene Meinung haben, welche Art von Strafe für solche Zwischenfälle angemessen wäre. Es ist aber nicht seine Aufgabe, die Regeln der FIM-Weltmeisterschaft festzulegen. Meine Aufgabe ist das ebenfalls nicht. Es ist die Aufgabe der FIM und der Race Direction.

Ist es in Ordnung, dass die Race Direction nicht schon während des Rennens eine Entscheidung traf, sondern erst einige Zeit danach?

Das ist schwer zu sagen. Jeder Zwischenfall ist anders. Wenn sie eine übereilte Entscheidung getroffen hätten, ohne die Aufnahmen – auch die aus dem Helikopter – zu sichten und ohne Rossi sowie Márquez zu befragen, dann wäre das Risiko groß gewesen, einen bedeutenden Fehler zu machen. Wenn ein solcher Fehler großen Einfluss auf den Ausgang der Weltmeisterschaft hätte, dann ist es besser, sich etwas Zeit zu nehmen.

Hatten Rossis Aussagen über Márquez’ Rennen in Australien einen Einfluss auf die Vorkommnisse in Sepang?

Es gibt immer viele Möglichkeiten, Probleme anzugehen. Valentino entschied sich für diesen Weg. Vielleicht provozierte das Marc, auf der Strecke so aggressiv zu sein. Doch da solltet ihr Marc fragen und nicht mich. Jede Aktion zieht Konsequenzen nach sich. So ist das Leben.

Hätte es Rossi mit Yamaha absprechen müssen, wenn er einen Fahrer eines anderen Werkes öffentlich auf diese Weise verbal angreift?

Man kann nicht alles kontrollieren, nicht jeden Vorfall. Grundsätzlich haben wir eine sehr gute Beziehung zu unseren Fahrern. Wir sprechen mit ihnen vorher über viele Dinge. Dies war etwas, das Valentino stark bewegte. Es war seine Entscheidung.

Wie wird es nun in Valencia weitergehen?

Die Meisterschaft ist noch nicht vorbei. Valentino hat noch immer sieben Punkte Vorsprung. Natürlich ist der letzte Startplatz ein Nachteil, aber im Rennsport kann alles passieren. Ich fuhr 2006 schon einmal nach Valencia und war mir sicher, dass Valentino den Titel holt, aber es klappte nicht. Jorge hat nun große Chancen, aber er liegt sieben Punkte zurück. Wenn beide nicht ins Ziel kommen, ist Valentino trotzdem Weltmeister. Es ist noch nicht vorbei.

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