Das Comeback der MotoGP-Saison 2015: Dani Pedrosa
In schwierigen Momenten lernt man am meisten. Das trifft auch auf das Jahr von Repsol-Honda-Pilot Dani Pedrosa zu. Zu Beginn der Saison 2015 stand Pedrosas MotoGP-Karriere kurz vor dem Aus. Mit 30 Jahren schien der Körper des feingliedrigen Spaniers seinem noch immer großen Ehrgeiz einen Strich durch die Rechnung zu machen.
«Ich will Rennen gewinnen. In diesem Zustand geht das nicht, ich werde kein Rennen mehr bestreiten, wenn sich die Beschwerden nicht bessern», ließ Pedrosa in Katar eine Bombe platzen.
Das sogenannte «arm pump» oder auch «Kompartmentsyndrom» ist eine typische Motorradfahrer-Krankheit. Sie betrifft die Muskulatur der Unterarme, die unter Belastung stark anschwillt und schmerzt. Der erhöhte Gewebedruck führt zu einer Verminderung der Durchblutung, zu Schmerzen und Taubheitsgefühlen.
Der Spanier musste zahlreiche Ärzte aufsuchen, bis eine Lösung gefunden war. Viele Mediziner gaben ihm nur eine 50:50-Chance auf eine ausreichende Genesung, um wieder erfolgreich Rennen fahren zu können. Einige rieten von einer weiteren Operation ab. Doch Pedrosa entschied sich anders. Am 3. April wurde er zum dritten Mal nach 2005 und 2014 wegen «arm pump»-Problemen am rechten Unterarm operiert.
Dr. Angel Villamor nahm die Operation in Madrid vor. Der Chirurg, der auch Leibarzt des ehemaligen spanischen Königs Juan Carlos I. ist, wandte eine mikroskopische Technik an, die sehr tiefgreifend ist. Der mehr als zweistündige Eingriff war jedoch erfolgreich, Dr. Villamor war zuversichtlich.
Für die Übersee-Rennen in Austin und Argentinien fiel Pedrosa aus. Nachdem der geplante Einsatz beim Jerez-GP nicht stattfand, gab der Honda-Pilot beim Grand Prix von Frankreich in Le Mans sein Comeback.
«Ich denke, Dani hat den Jerez-GP noch ausgesetzt, weil er noch nicht fit war. Wenn er zurückkehrt, kann er auch um Top-Resultate kämpfen», war Valentino Rossi überzeugt. Pedrosas Teamkollege
Marc Márquez hieß Pedrosa in Le Mans herzlich willkommen: «Ich freue mich für Dani und auch für das Team, denn wir brauchen ihn.»
Bei seinem Comeback in Le Mans stürzte Pedrosa bereits in der zweiten Runde in Kurve 4. Auch die nächsten Rennen nach seiner Rückkehr in die Königsklasse gestalteten sich schwierig, aber Pedrosa biss sich durch, in Barcelona stand er wieder auf dem Podest, auf dem Sachsenring schnappte er sich Platz 2 hinter seinem Teamkollegen Marc Márquez. In den Rennen von Indianapolis bis Misano erlebte Pedrosa einen kleinen Rückschritt – keine Podestplätze.
Pedrosa gegen Rossi: Der Showdown in Aragón
Richtig Fahrt nahm Dani Pedrosa ab dem Aragón-GP auf. Er besiegte im MotorLand eindrucksvoll Yamaha-Star Valentino Rossi und eroberte nach harten Überholmanövern bis zur letzten Runde Platz 2 hinter Jorge Lorenzo. Einen so ausgeprägten Kampfgeist hatte man bei Pedrosa zuvor nur selten beobachten können. Kurz darauf folgte der endgültige Befreiungsschlag, als er in Motegi seinen ersten Sieg in der Saison 2015 feierte.
In Aragón und Motegi sah man Pedrosa nach langer Zeit wieder strahlen. «Es ist sehr wichtig, Selbstvertrauen zu haben. Wenn man Probleme hat, weil man die eigene Situation nicht kontrollieren kann, dann hat man mehr Angst davor, was man tut. Doch umso weiter die Operation zurückliegt, desto mehr hat sich meine Verfassung verbessert. Ich mache noch immer Fortschritte», schilderte er.
In der Hitze von Sepang wiederholte Pedrosa trotz der großen körperlichen Belastung diese starke Leistung und fuhr an der Spitze auf und davon. Die Gegner waren chancenlos.
«In Sepang fühlte ich mich sehr gut auf dem Bike und genoss das Fahren auf dieser Strecke. Wir sind stolz auf diesen Sieg, denn es war eines der schwierigsten Rennen in diesem Jahr, was die physische Belastung betrifft», freute sich Pedrosa nach seinem Sieg in Malaysia. Beim WM-Finale in Valencia schloss er die Saison mit einem weiteren Podestplatz ab.
Ohne Verletzungen 2016 zum ersehnten Titel?
Doch der Schatten, der noch immer über Pedrosas erfolgreicher Karriere liegt, ist der fehlende Titelgewinn in der Königsklasse. Der kleine Spanier ist der erfolgreichste MotoGP-Pilot ohne WM-Titel in dieser Klasse. In den Klassen 125 ccm und 250 ccm feierte Pedrosa einen beziehungsweise zwei Titel. Er ist also dreifacher Weltmeister.
Als Pedrosa 2006 in die MotoGP-Klasse aufstieg, musste er sich als Rookie neben Nicky Hayden behaupten, der den Weltmeistertitel im Kampf gegen Valentino Rossi sicherte. Pedrosa beendete die Saison als WM-Fünfter und wurde somit zum «Rookie of the Year». Viele handelten ihn bereits als potentiellen Nachfolger von Valentino Rossi.
Im folgenden Jahr überraschte Casey Stoner die MotoGP-Welt und schnappte sich auf der Bridgestone-bereiften Ducati den Titel vor Pedrosa und Rossi. 2008 und 2009 war Valentino Rossi nicht zu schlagen, während zeitgleich ein neuer Stern am MotoGP-Himmel aufging: Jorge Lorenzo. Der Spanier holte 2010 seinen ersten MotoGP-Titel.
2011 sollte Dani Pedrosa erneut miterleben, wie sich sein Teamkollege zum Weltmeister krönt. Casey Stoner triumphierte auf der Honda des Repsol-Teams. Im Jahr darauf musste sich Pedrosa trotz einer bärenstarken Aufholjagd, er gewann sechs der letzten acht Saisonrennen, am Ende Jorge Lorenzo geschlagen geben.
2013 erlitt Pedrosa eine weitere Niederlage, als er im Titelkampf zwischen Rookie Marc Márquez und Yamaha-Star Jorge Lorenzo am Ende der Saison nur mehr eine Statistenrolle innehatte. Wie so oft spielten auch Verletzungen eine große Rolle in der Saison des feingliedrigen Spaniers. Auf dem Sachsenring brach er sich 2013 das Schlüsselbein, wie Lorenzo in Assen.
Für die Saison 2014 hatte sich Pedrosa von seinem langjährigen Manager und Mentor Alberto Puig getrennt. Zudem hatte er bereits mit seinen «arm pump»-Problemen zu kämpfen und wurde WM-Vierter.
Nach den Streitigkeiten um Valentino Rossi, Marc Márquez und Jorge Lorenzo in der Saison 2015 wünschen sich viele Fans, dass 2016 endlich die Stunde von Gentleman-Fahrer Dani Pedrosa schlägt. Es wäre dem 30-Jährigen zu wünschen, denn nach seinem fabelhaften Comeback könnte es seine letzte Chance auf den Titel sein.