MX-Werksteams unter Corona: Droht ein Rückzug?
Suzuki hat sich als Hersteller schon zweimal komplett aus der WM zurückgezogen
Weiterhin explodieren die Zahlen der Corona-Neuinfektionen in Europa, den USA und anderen Teilen der Welt. Nahezu sämtliche Unternehmen der Automotive-Branche haben ihren Betrieb eingestellt. KTM bleibt als größter europäischer Motorradbauer geschlossen. Von dieser Situation ist die Motocross-Sparte gleich dreifach betroffen, denn unter dem Dach der 'Pierer Mobility' agieren neben KTM auch Husqvarna und seit diesem Jahr auch GasGas.
Alle 3 Marken treten mit jeweils einem eigenen Werksteam an. Husqvarna hat seine WM-Präsenz in diesem Jahr mit einem hypermodernen Truck sogar noch aufgewertet.
GasGas tauchte 2020 erstmals in der Motocross-WM auf. Wie betroffen sind die Teams von der Krise? Ein Blick in die Geschichte zeigt: Es gab in der Motocross-WM eine Vielzahl von Werksteams, die kamen und gingen. Alle Firmen zu erwähnen, wäre Stoff für Monate.
Viele Werke haben in der Geschichte seit 1957 WM-Titel gewonnen: AJS, FN, Monark, Hedlund, Husqvarna, Lito, BSA, CZ, Suzuki, Yamaha, Kawasaki, KTM, Puch, Honda, Cagiva und Husaberg. Ein konkretes Werks-Engagement hatten aber noch weitere Hersteller: TM, Aprilia, Gilera, Vertemati, VOR, CCM, WRM und SWM - um nur einige zu nennen.
In diesem Jahr unterhalten KTM, Husqvarna, GasGas, Honda, Yamaha und Kawasaki eigene Werksteams in der Motocross-WM. Werksteams sind für die Motorradhersteller schlichtes Marketing. Wer allerdings extensives Marketing in Krisenzeiten betreibt, steht sofort auch unter dem Radar des internen Controllings, denn aus deren Sicht wird damit sowieso nur Geld verschleudert.
In guter Erinnerung ist der Ausstieg von Suzuki aus der Motocross-WM Ende 2018. Suzuki ist das prominenteste Beispiel eines wechselhaften Engagements der Werke.
Mitte der 1960er Jahre revolutionierte die tschechoslowakische CZ das Geschehen durch die Einführung der Zweitakt-Technik. 1966 wurde der deutsche CZ-Werksfahrer Paul Friedrichs erster Zweitakt-Weltmeister. Zweitakter waren leichter und wendiger als die damaligen Viertakt-Bikes. Das Hubraum-Privileg für Viertakter galt bis in die Neuzeit: Die MXGP-Klasse ist die frühere Klasse bis 250ccm/Zweitakt und 450ccm Viertakt, die MX2-Klasse (250ccm Viertakt) ist die frühere 125 ccm-Zweitaktklasse. Inzwischen dürfen in der MX2-Europameisterschaft und Weltmeisterschaft auch Zweitakter mit 250ccm Hubraum antreten. Aber die Viertakter sind inzwischen so weiterentwickelt, dass ihre Vorteile - insbesondere am Start - überwiegen.
Blicken wir nochmals zurück in die 1960er Jahre: Husqvarna und Suzuki erkannten den Trend des modernen Zweitakters, setzten ebenfalls auf diese verheißungsvolle Technik und hatten damit Erfolg. Erst seit 1975 gibt es die Weltmeisterschaft in der 125 ccm-Klasse. Von Anfang an war Suzuki dabei und gewann alles, was es dort zu gewinnen gab: 10 WM-Titel in Folge mit Gaston Rahier, Akira Watanabe (bis heute der einzige japanische Weltmeister), Harry Everts, Eric Geboers und Michele Rinaldi.
Im Jahre 1983 stieg Suzuki dann aber wieder völlig überraschend aus der WM aus. Suzuki wähnte sich am sportlichen Höhepunkt und hatte mit Georges Jobé (250cc) und Eric Geboers (125cc) gleich zwei weitere WM-Titel gewonnen.
Doch dieser Ausstieg war für die Japaner ein Desaster. Yamaha, Honda, KTM und sogar Cagiva sprangen in die Bresche und machten in den folgenden 6 Jahren die WM-Titel unter sich aus. Suzuki, einer der Pioniere des Motocross, verschwand für Jahre in der Bedeutungslosigkeit.
Dieser Ausstieg wirkt rückblickend betrachtet wie eine klassische strategische Fehlentscheidung. Ein Umdenken setzte erst ein, als Sylvain Geboers den Verantwortlichen in Hamamatsu das belgische Jungtalent Stefan Everts vorstellte. Stefan Everts holte 1991 tatsächlich den WM-Titel für Suzuki und ausgerechnet er sollte 27 Jahre später auch wieder den Ausstieg aus der WM besiegeln.
Die Corona-Krise ist eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten. Besonders hart trifft es die KTM-Mutterfirma mit 3 Werksteams ind er Motocross-WM. Jetzt ist langer Atem gefragt.
Das Kawasaki-Werksteam verbreitete in dieser Woche eine Pressemitteilung, dass sie trotz der Krise weiterarbeiten, technische Neuentwicklungen testen und sich auf die Fortsetzung der WM im Juni vorbereiten. Andere Teams verhalten sich ähnlich. Konkrete Ausstiegs-Szenarien gibt es derzeit zum Glück noch nicht.
Alle Werksteams hängen letztendlich am Tropf ihrer Mutterfirma. Brechen die Verkaufszahlen durch die weltweite Pandemie ein, stehen den Werken und damit den Teams sehr schwere Zeiten bevor.