WM-Auftakt in Katar: Die grosse Analyse
Der Grand Prix von Katar war nichts für schwache Nerven oder zart Besaitete. Für eine ziemlich hohe Quote der Motocross-WM-Elite kam die erste von 18 Runden – die längte Saison der Serie seit 1957 – nach Verletzungen zu früh oder die zerklüftete, von Löchern übersäte Hartbodenstrecke verursachte Probleme. Red-Bull-KTM-Werkspilot Antonio Cairoli will 2014 seinen achten WM-Titel einheimsen, den ersten in der neuen MXGP-Ära, aber der Italiener musste den GP-Sieg seinem wohl stärksten Herausforderer überlassen, Gautier Paulin aus dem Kawasaki Racing Team.
Cairoli holte sich beim Nachtrennen die Ränge 2 und 3 und zeigte schon nach dem ersten verkürzten Lauf (GP-Läufe dauern nur noch 30 min + 2 Runden wie in den US-MX-Meisterschaft) ein schmerzverzerrtes Gesicht, weil er sich in der Vorbereitung den linken Knöchel verletzte. Vorjahressieger Clément Desalle zeigte sich noch etwas eingerostet, der Suzuki-Werkspilot hat seit dem Motocross der Nationen im September und der folgenden Schulter-OP nur ein einziges Rennen bestritten. Der Belgier holte einen bescheidenden Platz 7, aber von ihm kann bald deutlich mehr erwartet werden.
Paulin verdiente sich den Auftaktsieg mit einwandfreien Auftritten. Seine Fahrt im ersten Lauf auf Rang 3 hinter dem entfesselten Max Nagl auf der exotischen HRC CRF450RW (W steht für Werk) und Cairoli beunruhigte ihn nicht, es führte nur zu einigen Anpassungen an der Kawasaki für den zweiten Lauf. Nach einem besseren Start musste sich der Franzose an der Spitze nur mit Teamkollege Steven Frossard auseinandersetzen, der ihm folgen konnte. Frossards Gesamtplatz 4 und der zweite Rang im zweiten Lauf waren starke Indizien, dass der ehemalige Vizeweltmeister mit dem trockenen Humor noch immer ganz vorne einiges zu bieten hat.
Frossard wie Nagl endlich wieder völlig fit
Cairoli, mit beleuchteten LED-Schriftzügen am Helm und den Stiefeln in der Wüste unterwegs, biss im zweiten Durchgang die Zähne zusammen und holte Rang 3, während direkt hinter ihm Nagl kein riskantes Spiel mehr einging, um seinen ersten Podestplatz für Honda und den ersten persönlichen seit dem Grossbritannien-GP 2012 zu sichern. Wie Frossard war der Deutsche topmotiviert zu zeigen, dass er nicht länger von einer «dunklen Wolke» von gesundheitlichen Problemen verfolgt wird.
Nagl reiste sogar extra spät an und nahm eigene Lebensmittel mit, um ähnliche Probleme wie vor einem Jahr in Katar mit der Lebensmittelvergiftung und dem so verkorksten Saisonstart 2013 so gut wie möglich auszuschliessen. Die Box von Honda war während der Tage in Losail ziemlich bevölkert, mindestens fünf japanische Techniker wuselten stets um den Prototypen herum. «Jedes Mal, wenn ich in die Box zurückkam, waren sicher fünf japanische Ingenieure im Team», erklärte Nagl. «Sie alle haben Laptops, wenn ich eine Frage hatte, bekam ich jedes Mal eine Antwort, wenn es um das Set-up ging. Nur schon in diesen zwei Tagen konnte ich extrem viel von ihnen lernen. Es ist eine grosse Umstellung, es wird das Team auf jeden auf den nächsten Level bringen. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit der Situation und ich mag es sehr», schilderte der Oberbayer die direkten Auswirkungen bei seinem Arbeitgeber nach der Beförderung der Honda-Mannschaft zu einem echten Werksteam von HRC.
Hinter der Spitzengruppe tauchte eine blaue Maschine auf: Jeremy van Horebeek erzielte zweimal Rang 5 und besetzte diese Position auch im GP-Ranking. Die Werks-Yamaha YZ450FM des Belgiers wartet nun mit einem Elektrostarter auf.
Tyla Rattray: Fehlt der Husqvarna-Star noch länger?
Zurück zu den Verletzten: Nagls Teamkollege Evgeny Bobryshev plagte sich ebenfalls mit einem verdrehten Knöchel herum, die vielen Rechtskurven auf dem Circuit liessen den Tag des Russen mit ziemlich viel Schmerzen beenden. Die Nummer 777 konnte sich in den Top-Ten halten, hätte mit den guten Starts und ohne die Bänderverletzungen aber sicher mehr erreichen können. Auch Tanel Leok, Jake Nicholls und Tyla Rattray gehörten auf die Liste der Angeschlagenen. Rattray konnte gar nicht starten, da sich die Knochen im gebrochenen kleinen Finger verschoben haben. Die schmerzhafte Angelegenheit muss nun in Belgien operiert werden, damit könnte der Südafrikaner zwei weitere Runden verpassen. Nicht gerade der Saisonstart, den sich Rattray nach dem Engagement beim neuen Husqvarna-Werksteam vorstellte.
MX2: Der verpasste GP-Sieg von Max Anstie
In der MX2-Klasse startete Doppelweltmeister Jeffrey Herlings so, wie er 2013 beendete und gewann mit den Rängen 2 und 1 den Grand Prix – aber es hätte durchaus den ersten GP-Sieg für Max Anstie werden können. Die Fahrer von Bike it Yamaha Cosworth lag in beiden Rennen klar vorne und wurde zweimal von mechanischen Problemen gestoppt. Anstie fährt im vierten Jahr für das vierte Team, aber nun scheint er bei den Briten, die schon an den Aufstiegen von Zach Osborne und Dean Ferris beteiligt waren, wirklich eine Heimat gefunden zu haben.
Aus Zeitmangel beim Testen fuhr Anstie die 2013er Maschine von Ferris in Katar, aber Teammanager Steve Dixon versicherte, dass die neue YT250F noch besser und schneller sei, wenn sie abgestimmt ist. Angesichts der Stärke dieses Pakets in den letzten drei Jahren sind das ziemlich beunruhigende News für das MX2-Feld.
Herlings zeigte sich über seine Rennen nicht glücklich, im zweiten Lauf fiel er während seiner Aufholjagd gar zwischenzeitlich wieder etwas zurück. Aber da er 2014 wegen seiner Verletzung (Ermüdungsbruch im Bein) erst drei Wochen auf dem Motorrad sass, konnte er nicht mehr erwarten. Er muss seine Starts massiv verbessern, wenn er mit 20 Sekunden Vorsprung gewinnen will, was seiner Aussage nach möglich war.
US-Nobody Covington und Arnaud Tonus stark
Eine grosse Präsenz markierte Monster Energy Kawasaki in der kleinen Klasse. Dylan Ferrandis bezwang Herlings um 0,3 sec im ersten Lauf und gewann bei seinem ersten Auftritt im CLS-Team sogleich erstmals einen WM-Lauf.
Für Aufsehen sorgte der amerikanische Wildcard-Pilot Thomas Covington. Der Teenager hielt sich im zweiten Lauf auf den Rängen 2 und 3, am Ende wurde er Dritter. Im ersten Lauf musste der Pro-Circuit-Kawasaki-Youngster mit einer streikenden Kupplung aufgeben, die folgende Reparatur war vor dem Start des zweiten Laufs ein Wettlauf gegen die Zeit.
Covington wurde noch von Arnaud Tonus auf Rang 3 verdrängt, noch ein GP-Star der fast in Vergessenheit geriet. Der Schweizer hat seit fast zwei Jahren immer wieder Verletzungssorgen gehabt und ist nun in seinem letzten MX2-Jahr wieder fit. Tonus konnte sogar als «Mann des Rennens» bezeichnet werden, nachdem er seine Kawasaki von ausserhalb der Top-Ten über die zerklüftete Strecke prügelte und in der Schlussphase noch Herlings jagte.
Eine weitere Fussnote in der MX2: Romain Febvre rundete hinter Herlings und Ferrandis das Ergebnis ab und konnte damit am Ort seines ersten GP-Podestplatzes vor einem Jahr erneut auf das Treppchen steigen. Der Erfolg des Franzosen war in der neuen Ära von Husqvarna der erste Podestplatz, seit Alex Puzar 2003 in Namur die letzte Trophäe seiner glanzvollen Karriere holte.
Die Maschinen wurden nun bereits wieder verpackt und per Fracht nach Thailand geschickt, wo am nächsten Wochenende der Glutofen von Si Racha wartet.