Teamchef von Fred Merkel: «Er war ein Verrückter»
Fred Merkel hatte eine kurze, dafür aber intensive Karriere in der Superbike-WM. Der heute 54-Jährige begann seine Karriere wie viele Amerikaner im Dirt-Track und wechselte 1983 mit Honda in den Straßenrennsport. Zwischen 1984 und 1986 gewann Merkel die AMA Superbike dreimal in Folge.
Als 1988 die Superbike-WM gegründet wurde, stand der US-Amerikaner mit der legendären Honda VFR750 RC30 in der Startaufstellung. Seine Gegner hießen Davide Tardozzi, Marco Lucchinelli, Fabrizio Pirovano oder Joey Dunlop. Mit zwei Siegen und einigen Nullern entschied «Flying Fred» die Meisterschaft knapp für sich.
Auch die Saison 1989 war umkämpft, dieses Mal waren Stephane Mertens und Raymond Roche seine härtesten Rivalen – aber Merkel war gereift und in den 22 Rennen deutlich konstanter als im Vorjahr. Mit drei Siegen und zehn Podien krönte sich der Amerikaner mit 27 Jahren zum zweiten Mal zum Weltmeister.
Merkel fuhr für das Team von Oscar Rumi, heute 77 Jahre alt. Der Italiener erinnert sich im Gespräch mit unserem Kollegen von Motosprint an
«Ich habe ihn nach seinen Erfolgen in Amerika nach Italien geholt, er hatte keinen Vertrag. Er kam zu uns und blieb lange. Die beiden Weltmeisterschaften 1988 und 1989 waren dank seinem Talent und einem guten Motorrad möglich. Unsere Honda RC30 war gut vorbereitet. Es waren noch Zeiten, als man noch selbst an allem schrauben konnte. Fred vertraute mir und ich kann sagen, ich war eine Art zweiter Vater für ihn.»
«Die Werke waren damals nicht so engagiert wie heute. Wir haben das Motorrad und den Kit gekauft und daran gearbeitet. Wir haben unser Bestes gegeben und auf jedes Detail geachtet. Auf der Rennstrecke haben wir ausprobiert, was wir in der Werkstatt ausgetüftelt hatten. Wir hatten Spaß und wir fühlten uns wie Abenteurer. Merkel war ein netter Verrückter. Ich könnte viele Anekdoten erzählen.»
«Es war nicht einfach zu gewinnen, weil das Niveau hoch war und viele Fahrer Siegpotenzial hatten. Für die anderen waren wir eine Unbekannte, weil Fred viele Dinge lernen musste, einschließlich der meisten Pisten. Die RC30 war gut mit den Michelin-Reifen, aber 1989 mit den Pirelli-Reifen noch besser.»
«Die Superbike-WM war damals eine Sport- und Unterhaltungsparty. Das Fahrerlager war offen und brachte Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Nach den Trainings saß man zusammen. Jetzt machen die Piloten ihr eigenes Ding. Das ist einerseits richtig, denn Professionalität setzt eher eine sachliche Einstellung und Verhalten voraus. Aber es scheint mir, dass heute das Lächeln fehlt. Zu meiner Zeit war der Spaß offensichtlich, heute scheint es in den Hintergrund geraten zu sein.»