Ten Kate Yamaha klagt: «Eine unerträgliche Situation»
Ten Kate und Loris Baz müssen mit der Kundenelektronik von Yamaha antreten
Der 9. August 2020 wird dem Ten-Kate-Team noch lange in Erinnerung bleiben: Da eroberte Loris Baz im Sprintrennen in Portimao den ersten Podestplatz seit dem 1. Oktober 2016. Und den ersten seit dem Wechsel von Honda zu Yamaha nach der Saison 2018.
Ten Kate und Baz harmonieren hervorragend, sie liegen auf der gleichen Wellenlänge und haben die gleiche Passion.
Trotzdem könnte der Franzose für 2021 anderen Verlockungen erliegen. Das Yamaha-Werksteam buhlt um Baz und würde ihn gerne auf der zweiten R1 neben Überflieger Toprak Razgatlioglu sehen. «Er ist die logische Wahl», betont Rennchef Andrea Dosoli.
Obwohl Ten Kate mit dem Werksteam regelmäßig auf Augenhöhe fährt, gibt es zwei Dinge, bei denen die Truppe aus Nieuwleusen nicht mithalten kann: Die Elektronik und das Gehalt.
Als Ten Kate kurz vor der Vertragsunterzeichnung mit einem Hauptsponsor für mehrere Jahre stand, hob im März die Coronakrise die Welt aus den Angeln. Auch Ende August ist noch kein großer Sponsor auf der Verkleidung zu sehen.
«Und wir müssen Loris die gleiche Elektronik bieten können wie das Werksteam, wenn wir ihn halten wollen», betonte Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wir fragen ständig danach, weil wir in die Mappings nicht selbst eingreifen können. Das ist eine eigenartige Situation, weil GRT das komplette Elektronikpaket bekommt und wir nicht.»
Das Giansanti Racing Team ist die offizielle Satelliten-Truppe von Yamaha. Sie soll junge Fahrer wie Caricasulo und Gerloff für das Werksteam aufbauen. Ten Kate hingegen ist ein normales Kundenteam ohne nennenswerte Unterstützung vom japanischen Hersteller.
Yamaha hat bereits vor der Saison die fundamentale Entscheidung getroffen, dass sie Kundenteams keinen vollen Eingriff in die Elektronik gestatten.
«Wir wollen gewinnen, deshalb brauchen wir das Gleiche wie das Werksteam», unterstrich Bos. «Ich weiß nicht, ob wir damit einige Zehntelsekunden schneller wären. Sicher lässt sich dieses System aber besser managen, weil unsere Jungs dann die Möglichkeit hätten, Dinge zu überprüfen – jetzt können wir gar nichts unternehmen. Wir müssen zu Yamaha gehen und um Hilfe bitten – so wollen wir nicht arbeiten.»
Weshalb stellt Yamaha euch nicht einen Elektroniker, wie es Kawasaki und Ducati für ihre Kundenteams machen? «Das wäre eine Lösung und wir haben das auch vorgeschlagen», so Bos. «Aber auch das wurde abgelehnt. Wenn wir nicht die gleiche Elektronik bekommen, dann weiß ich nicht, was passieren wird. Auch Ronald und Gerrit ten Kate halten es für unfair, dass wir in der zweiten Saison mit Yamaha weiterhin mit der Kundenelektronik fahren müssen. Die Regeln sagen, dass wir dieselbe Motorsteuerung erhalten müssen. Aber für die Software gibt es verschiedene Level – das ist eine Grauzone im Reglement.»
Obwohl Baz mit der Kundenelektronik gegen die Yamaha-Werksfahrer kämpfen kann, ist in seinem Hinterkopf verankert, dass Razgatlioglu, van der Mark, Caricasulo und Gerloff Material haben, das er nicht bekommt.
«Das ist natürlich ein Nachteil, auch mental», sagt Ex-Rennfahrer Bos. «Das Gleiche gilt für uns. Wann immer wir etwas am Motor ändern, müssen wir nach Italien zu Yamaha auf den Prüfstand fahren, damit sie uns das Mapping einstellen. Wir teilen unser gesamtes Wissen und liefern ihnen damit Ideen. Gleichzeitig können wir aber nur Sachen wie die Traktions- oder Wheeliekontrolle einstellen, aber nicht die Einspritzung oder die Zündung. Hätten wir diesen Zugriff, könnten wir sicher an Performance zulegen. Für uns als Motorentuner ist das eine unerträgliche Situation.»