Cortese-Teamchef: «Kann später an Motorsport denken»
Lucio Pedercini (li.) mit Sandro Cortese
Wenn ich daran denke, wie Sandro Cortese nach seinem Einschlag mit zirka 130 km/h in die ungeschützte Betonmauer in Portimao in der Auslaufzone lag, läuft es mir immer noch kalt den Rücken hinunter. Als ihn die Ambulanz ins Medical Center an der Rennstrecke brachte und weder Vater Antonio noch Freundin Alina zu ihm durften, wir ihn aber bis nach draußen schreien hören konnten, gehört zu den Szenen auf der Rennstrecke, die ich nie wieder vergessen werde.
Sandro hatte, wie er auch selbst sagt, alles Glück der Welt, dass er nach diesem Unfall nicht im Rollstuhl sitzt und noch lebt.
In den ersten Tagen nach der Operation versorgte er SPEEDWEEK.com regelmäßig mit Sprachnachrichten und per WhatsApp über seinen Gesundheitszustand. Viele in der Motorradszene machten sich große Sorgen um den zweifachen Weltmeister und waren von den Vorkommnissen betroffen. Auch vergangene Woche in Aragon erkundigten sich Fahrer, Teammitglieder und Journalisten nach seinem Wohlbefinden bei mir.
Anfänglich hörte sich Sandro am Telefon wirklich schlecht an, bei einer Vollnarkose bekommt man einen Schlauch in die Luftröhre geschoben und wird künstlich beatmet. Danach tut einem tagelang der Hals weh, sprechen ist mühsam.
Seit vergangenem Mittwoch ist Cortese zu Hause in Illerbachen bei Berkheim und lässt sich von seiner Freundin sowie der Familie pflegen und versorgen. In zwei Wochen wird er sich in den Medical Park in Bad Wiessee am Tegernsee in Reha begeben.
Sein Teamchef Lucio Pedercini, selbst jahrzehntelang Rennfahrer, war natürlich tief besorgt um Sandro. Als dieser in die Unfallklinik nach Murnau kam, besuchte er ihn von Norditalien aus.
«Am Mittwoch nach dem Rennen in Portimao wurde Sandro nach Murnau verlegt, ich besuchte ihn am folgenden Montag», erzählte Pedercini. «Ich war wirklich glücklich, ihn zu sehen. Als ich bei ihm ankam, hatte er gerade die Informationen von den Ärzten erhalten, dass mit seinem Rückenmark alles okay ist. Das ist das Wichtigste für seine Genesung und seine Zukunft – er hatte einen schlimmen Unfall. Es bestand ein sehr großes Risiko, dass er durch die Wirbelverletzung bleibende Schäden hat. Sandro weiß, dass er sehr viel Glück hatte. Schwierig zu sagen, wie er damit umgehen wird. Über Rennsport kann er nachdenken, wenn er wieder gesund ist. Dafür ist jetzt nicht der richtige Moment.»
Dass er nach Kurve 11, in der folgenden langgezogenen Links, in Portimao bei seinem Sturz in eine ungeschützte Betonmauer krachte, sorgte für viel Unverständnis und Wut. Pedercini hat sich die Unfallstelle genau angesehen und urteilt differenziert. «Der Sturz von Sandro war sehr unglücklich», meinte der 47-Jährige. «Mercado fuhr ihm ins Motorrad und Sandro kippte nach rechts – er stürzte quasi auf der Geraden. Normal kommt es dort zu keinem Sturz. Die Rennleitung hat mir den Crash aus drei verschiedenen Kameraperspektiven gezeigt. Als Sandro in Kurve 12 ankam, konnte er Mercado nicht sehen, er war aber bereits vor ihm. Man kann niemandem die Schuld geben, das war ein normaler Rennunfall.»