BMW-Teamchef exklusiv: «Saisonstart war ein Schock»
BMW-Teamchef Shaun Muir
Loris Baz aus dem Bonovo-Team sorgte beim Saisonstart in Aragon mit Platz 7 im zweiten Hauptrennen für das beste BMW-Ergebnis, Teamkollege Eugene Laverty schaffte es einmal in die Top-10. Ilya Mikhalchik brillierte im Team von Shaun Muir als Ersatz für den verletzten Michael van der Mark als Achter im ersten Rennen – Scott Redding ging mit einem mickrigen WM-Punkt (15. in Lauf 1) nach Hause.
Hatte BMW in Aragon gegen Ducati, Kawasaki und Yamaha wegen des Streckencharakters keine Chance, oder wurde der Anschluss an die Spitze trotz umfangreicher Entwicklungsarbeit in den vergangenen neun Monaten erneut verpasst? Oder konnten sich die neuen Fahrer noch nicht ans Bike gewöhnen?
«Wir wissen es nicht», meinte BMW-Teamchef Shaun Muir im Vier-Augen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wir haben mit dem Motorrad definitiv einen Schritt gemacht, dieser führt aber auch zu neuen Schwierigkeiten. Wir haben deutlich mehr Leistung und Drehmoment, drei unserer Fahrer taten sich aber schwer, diese auf den Boden zu bekommen. Nach dem Catalunya-Test war sich Scott sicher, dass er in Aragon um einen Platz in den Top-5 kämpfen würde. In Aragon war er ebenso überrascht wie wir, dass eine Sekunde Pace fehlte.»
Mikhalchik erledigte bei seinem Einsatz hervorragende Arbeit. Doch alle im Fahrerlager sind sich einig: Trotz seiner unzweifelhaften Qualitäten darf es nicht sein, dass der dreifache Deutsche Meister Redding, den WM-Dritten des Vorjahres, so deklassierte. Zumal Mikhalchik mit der WM-Version der M1000RR nur vier Tage Vorbereitungszeit hatte.
«Dem stimme ich absolut zu», unterstrich Muir. «Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass Ilya die letzten vier Jahre eine BMW fuhr und mit dieser Hunderte Runden drehte. Er fühlte sich auf dem Motorrad sehr wohl und verlor 21 sec auf den Sieger. Ilya hatte ein fantastisches Debüt in der Superbike-WM, er hätte einen Fixplatz verdient. Ohne Zweifel hätte ich aber Loris, Eugene und Scott vor ihm erwartet.»
Platz 8 von Mikhalchik ist ein feines Ergebnis, doch 21,6 sec Rückstand zum Sieger schmerzten. «Wir machen uns keine Illusionen», bemerkte Muir. «Für Ilya freuten wir uns sehr. Aber als Team, als Projekt standen wir sehr schlecht da. Die Frage ist: Wo wäre Michael van der Mark gelandet, unser bester Fahrer im Vorjahr. Michael ist überzeugt, dass er unter normalen Umständen 5 bis 8 sec auf Toprak verloren hätte. Ich wünschte mir, dem wäre so. Gleichzeitig hätte ich mir gewünscht, dass Loris in dieser Gruppe landet. Um zu zeigen, dass unser Paket passt. Aragon war ein Schock für uns, ein Desaster.»
Weltmeister Razgatlioglu beendete alle drei Rennen in Aragonien als Dritter, nur Alvaro Bautista (Ducati) und Jonathan Rea (Kawasaki) waren jeweils stärker. 5 bis 8 sec hinter dem Türken anzukommen, hätte für BMW in beiden Hauptrennen Platz 4 bis 6 bedeutet.
«Wie die Meisterschaft dieses Jahr aussieht, werden wir nach den nächsten beiden Events wissen», hielt der Teamchef fest. «In Assen lief es für uns immer gut. Es geht auch nicht nur um Scott, auch den anderen fehlt etwas. Es gibt derzeit mit Bautista, Rea und Razgatlioglu nur drei Fahrer, die sich deutlich abheben, mit allen anderen sollten wir auf Augenhöhe sein. Aber selbst, wenn wir Vierter, Fünfter oder Sechster werden, und um die Positionen von Rinaldi oder Locatelli kämpfen – dafür sind wir nicht hier.»
Redding auf Ducati (2020 & 2021), van der Mark auf Yamaha (2018) und Laverty auf Aprilia (2013) beendeten die Weltmeisterschaft bereits in den Top-3 und haben damit ihre Klasse bewiesen. «Es liegt am Motorrad und wir müssen es auf die Reihe bekommen», sagte Muir ohne Umschweife. «Zwischen Assen und Estoril sind drei freie Wochenenden und vier Wochen, wir schauen, wann wir wo zwei Tage testen können. Dafür brauchen wir auch keine neuen Teile. Es geht darum, dass unsere Piloten zum Fahren kommen, das Motorrad verstehen und Lösungen für die Probleme finden. Wir wollen alle vorhandenen Teile noch einmal gegentesten und schauen, dass sich Scott mit diesem Bike akklimatisiert. Michael hat sich während des vergangenen Jahres an das Motorrad angepasst. Er wusste, was er beim Fahren ändern muss, um das Maximum herauszuholen. Das letztes Bisschen kommt immer vom Fahrer. Er muss mit dem Vorhandenen klarkommen, sich anpassen, Erfahrungen sammeln und dann nur noch Details am Bike ändern. Das ist, was wir versuchen Scott nahezubringen.»