Exklusiv: Wieso Ducati Toprak nicht als Garant sieht
Alvaro Bautista (li.) mit Toprak Razgatlioglu
Die Verträge beider Ducati-Werksfahrer Alvaro Bautista und Michael Rinaldi enden nach der Saison 2023. Der Weltmeister sagte nach seinem Dreifachsieg in Assen, dass er sich bis zu seinem Heimrennen in Barcelona am kommenden Wochenende entscheiden wolle, ob er seinen Vertrag um ein Jahr verlängert.
«Sobald er so weit ist, bin ich mir sicher, dass wir leicht zu einer neuen Vereinbarung kommen», betonte Aruba-Teameigentümer Stefano Cecconi im exklusiven Interview von SPEEDWEEK.com. «Ich gebe ihm Zeit. Je mehr ich ihn unter Druck setze, desto mehr ärgere ich ihn. Alvaro ist meine Priorität. Wenn er reden will, bin ich hier. Wenn er noch ein paar Wochen warten will, kein Problem. Wir sind nicht in Eile. Ich möchte mir einbilden, dass er bleiben möchte, weil er sich bei uns zuhause fühlt.»
Dass er bereits 38 Jahre alt ist, schreckt Cecconi nicht ab? «Körperlich ist Alvaro wie ein 20-Jähriger. Er trainiert hart, aber das tat er immer. Das tut er nicht nur, weil er älter wird und jetzt mehr tun muss. Biaggi war sogar noch älter, als er Weltmeister wurde. Er war alt, aber immer noch sehr schnell.»
Cecconi hätte es mit seiner IT-Firma und seinem Rennteam nicht so weit gebracht, wenn er nicht immer einen Plan B in der Hinterhand hätte. Doch sollte Bautista wider Erwarten doch seinen Rücktritt erklären, lässt sich Ersatz nicht einfach aus dem Hut zaubern. Zuzutrauen wären ähnliche Leistungen aus dem SBK-Paddock höchstens Toprak Razgatlioglu, dessen Yamaha-Vertrag nach dieser Saison ausläuft. Oder Rekordchampion Jonathan Rea, der aber bis Ende 2024 an Kawasaki gebunden ist.
«Das würde Sinn machen», meinte der Italiener zur potenziellen Verpflichtung von Razgatlioglu. «Aber das würde mehr an ihm liegen, wonach er sucht. Ich habe viel darüber gelesen, ob er in MotoGP wechselt oder in der Superbike-WM bleibt, geredet habe ich noch nicht mit ihm. Wen immer wir unter Vertrag nehmen, ich möchte jemanden, der unser Team und unser Motorrad als Plan A sieht und nicht als Plan B.»
Razgatlioglus Manager Kenan Sofuoglu hat in Assen erste Gespräche mit Yamaha über den Verbleib seines Champions in der Superbike-WM geführt und dem japanischen Hersteller auch mitgeteilt, dass er das «Vorkaufsrecht» habe. «Ich habe ihnen eine Frist gesetzt, vorher rede ich mit keinem anderen Hersteller», so Kenan.
Der fünffache Weltmeister weiß genau: Die einzige Verbesserung für Toprak könnte bezüglich Team und Motorrad die Truppe von Aruba.it Ducati sein, sollte er sich mit Yamaha nicht einigen.
«Von außen betrachtet könnte man zu diesem Schluss kommen», kommentierte Cecconi. «Man könnte meinen, dass er bei uns leicht gute Leistungen zeigen kann. Aber wir wissen, dass unser Motorrad recht speziell ist. Es ist nicht garantiert, dass, wen auch immer wir auf unser Bike setzen, er das gleich gute Gefühl damit hat wie Alvaro, seit er das erste Mal damit fuhr. Wir haben es mit großen und kleinen Fahrern versucht, mit leichten und schwereren. Deshalb kann man auch nicht sagen, dass wir das beste Motorrad haben, egal wer darauf sitzt. Wenn wir einen anderen Fahrer als Alvaro nehmen müssen, dann ist das eine Lotterie für uns. Man sollte meinen, dass ein sehr guter Fahrer mit einem sehr guten Motorrad auch gut abschneidet. Das Beste wäre, wenn wir einen geheimen Test machen würden, um zu sehen, ob es passt oder nicht. Das gilt für Toprak und viele GP-Fahrer.»
«Als wir damals Scott Redding verpflichteten, war das kein Schuss ins Blaue», hielt der Norditaliener fest. «Er gewann die BSB mit der V4R, deshalb konnten wir auf gute Leistungen seinerseits hoffen. Wenn ein Fahrer von einem ganz anderen Motorrad kommt, dann weißt du nicht, was du erwarten kannst. Fest steht, dass Toprak ein Talent ist. Aber solange ich jemanden nicht auf unserem Motorrad gesehen habe, mache ich mir so oder so Sorgen.»
Kann sich Cecconi vorstellen einen MotoGP-Fahrer wie Morbidelli zu verpflichten? «Warum nicht», entgegnete er. «Ich glaube, dass Franco ein viel besserer Fahrer ist, als er momentan zeigt. Selbst Quartararo strauchelt öfter, ich sehe das Problem deshalb nicht bei den Fähigkeiten der Fahrer. Vielleicht erleben wir gerade eine Kombination aus Motorrad und Fahrer, die nicht mehr wie vor ein paar Jahren funktioniert. Wenn du Alvaro nach seinen Ergebnissen bei Honda beurteilst, dann reden wir von einem Fahrer am Ende seiner Karriere, der nicht mehr motiviert ist. Dann kam der Motorradwechsel und plötzlich sehen wir einen anderen Alvaro.»
Superbike-WM 2023: Stand nach 9 von 36 Rennen | |||
Pos | Fahrer | Motorrad | Punkte |
1. | Alvaro Bautista (E) | Ducati | 174 |
2. | Toprak Razgatlioglu (TR) | Yamaha | 118 |
3. | Andrea Locatelli (I) | Yamaha | 104 |
4. | Axel Bassani (I) | Ducati | 77 |
5. | Jonathan Rea (GB) | Kawasaki | 73 |
6. | Michael Rinaldi (I) | Ducati | 54 |
7. | Danilo Petrucci (I) | Ducati | 51 |
8. | Dominique Aegerter (CH) | Yamaha | 50 |
9. | Xavier Vierge (E) | Honda | 49 |
11. | Alex Lowes (GB) | Kawasaki | 44 |
10. | Remy Gardner (AUS) | Yamaha | 37 |
12. | Scott Redding (GB) | BMW | 34 |
13. | Iker Lecuona (E) | Honda | 33 |
14. | Philipp Öttl (D) | Ducati | 30 |
15. | Garrett Gerloff (USA) | BMW | 23 |
16. | Michael vd Mark (NL) | BMW | 19 |
17. | Loris Baz (F) | BMW | 6 |
18. | Lorenzo Baldassarri (I) | Yamaha | 6 |
19. | Hafizh Syahrin (MAL) | Honda | 4 |
20. | Tom Sykes (GB) | Kawasaki | 1 |