Formel 1: Abschied in der Unterhose

Anweisung für Petrucci: Sollte wie ein Tourist fahren

Von Ivo Schützbach
Danilo Petrucci hätte in MotoAmerica noch ein paar starke Jahre mit gutem Gehalt haben können, doch er zieht den Start in der Superbike-WM vor. Sein Manager Alberto Vergani verriet SPEEDWEEK.com die Beweggründe.

Dass Danilo Petrucci Ende November 2022 einen Vertrag mit dem Team Barni Spark Ducati für die Superbike-WM 2023 unterschrieb, sorgte für einige hochgezogene Augenbrauen. Denn der 32-Jährige hätte im Team Warhorse HSBK in der US-Superbike-Serie MotoAmerica deutlich mehr Geld verdienen können; Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti hatte noch wenige Tage zuvor gesagt, dass ihnen Petrucci in den USA mehr nützen würde als in der Superbike-WM.

Doch Petrucci entschied sich für die sportliche Herausforderung, wie er es nach der Saison 2011 bei seinem Wechsel vom Superstock-1000-Cup in die MotoGP-Klasse und mit seiner Teilnahme an der Rallye Dakar im Januar 2022 getan hatte.

Bei seinem Heimrennen in Misano war der Italiener Anfang Juni erstmals in der Lage, um Podestplätze zu kämpfen. Von Startplatz 4 kommend stürzte Danilo im ersten Lauf und war im Sprintrennen am Sonntagvormittag in gleich zwei brenzlige Situationen verwickelt, was völlig untypisch für den normal immer fairen Rennfahrer war. Erst verursachte er den Sturz von Domi Aegerter und Remy Gardner (beide GRT Yamaha), wofür er einen Long-lap-Penalty bekam, dann torpedierte er wenig später Honda-Werksfahrer Iker Lecuona, womit auch sein zweiter Lauf auf dem Boden endete. Im zweiten Hauptrennen wurde der 2-fache MotoGP-Sieger Siebter und liegt jetzt mit 64 Punkten auf dem elften WM-Rang.

«Danilo ist ein kleiner Schritt nach vorne gelungen, glücklich ist er aber nicht, weil er mehr will», erzählte Petruccis Manager Alberto Vergani im Vier-Augen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Ich sagte ihm in Misano, dass er nahe an Razgatlioglu dran war. Danilo entgegnete, wo dieser in MotoGP war? Danilo hat das Potenzial, er braucht aber mehr technische Unterstützung. Das Motorrad ist gut, das Team ist gut, wir brauchen aber etwas mehr – Personal mit mehr Erfahrung, um es deutlich zu sagen. Das ist der Unterschied zum Werksteam. Die Besten arbeiten im Werksteam, das ist normal. Es ist eine Frage des Budgets. Als Danilo das MotoGP-Rennen in Le Mans fuhr, erzählte er mir, dass es unglaublich wäre, wie der Crew-Chief und die Elektroniker arbeiten. Das ist, als hättest du auf einmal mehr Leistung. Die Menschen machen den Unterschied, das Bike ist mehr oder weniger dasselbe.»

«Ducati liebt Danilo», unterstrich Vergani. «Sie pflegen eine enge Beziehung zu ihm, er ist ein guter und netter Typ. Er gewann zwei MotoGP-Rennen – Joan Mir zum Beispiel gewann nur eines und wurde Weltmeister. Danilo hat doppelt so viel gewonnen. Manchmal reden die Leute von Petrucci etwas herablassend. Aber Petrucci war sehr konkurrenzfähig und hat den besten Marquez auf einem Siegermotorrad geschlagen. Danilo ist kompetent, er kann Dinge beurteilen. Die Leute lieben ihn, weil er wahrhaftig ist und anderen viel Respekt entgegenbringt.»

Nach der Saison 2022 gab es Gespräche zwischen Vergani und Teamchef Marco Barnabo, Axel Bassani in das Team zu bringen. Bassani blieb letztlich beim Ducati-Team Motocorsa, also offerierte Vergani seinen zweiten Fahrer Petrucci. «Barni sagte mir damals, dass ich ihm keine Illusionen machen soll», schmunzelte Vergani. «Ich entgegnete, ‚nein, nein, das ist möglich‘. Danilo ging für viel weniger Geld zu Barni, als er in Amerika bekommen hätte – weil er um den WM-Titel kämpfen will. Sein Traum ist, dass ihm dasselbe gelingt wie Carlos Checa, den ich ebenfalls gemanagt habe. Livio Suppo hat Checa damals ein gutes Gehalt geboten, um bei Ducati Testfahrer zu werden. Genesio Bevilacqua bot ihm viel weniger, um in der Superbike-WM zu fahren. Carlos schlief eine Nacht darüber und sagte, dass er seine Karriere nicht so beenden könne, er wollte einen Titel gewinnen. Im zweiten Jahr gelang ihm das. Danilo ist aus dem gleichen Holz geschnitzt, er will gewinnen. Wenn er keine Leistung bringt, ist er nicht glücklich.»

«Für Danilo war nichts einfach, er hatte einige schwierige Zeiten. Auch, als er für Ducati MotoGP fuhr. Da gab es einige Geschichten, die nur wenige kennen. Aber selbst als er von KTM gefeuert wurde, war alles gut. Er bekam dann später von Pierer die Möglichkeit, bei der Dakar zu starten – das war eine Art Geschenk. Jeder hat Danilo vom Dakar-Start abgeraten. Auch ich habe ihm gesagt, dass er wie ein Tourist fahren soll – und dann gewann er eine Etappe! Kinigadner sagte damals, dass Danilo die anderen lächerlich mache, weil er kein Spezialist in dieser Disziplin ist.»

Petrucci ist der einzige Rennfahrer, der ein MotoGP-Rennen und eine Etappe bei der Rallye Dakar gewann. Sein nächstes Ziel ist, einen Superbike-WM-Lauf zu gewinnen.

«Natürlich ist es mein Traum, ihn ins Werksteam zu bringen», hielt Vergani fest. «Dieses Jahr wird Bautista gewinnen. Und nächstes Jahr auch. Dann hört er wahrscheinlich auf. Ducati muss also auch an die Zukunft denken. Dann brauchen sie einen erfahrenen Piloten – warum nicht Danilo?»

Für 2024 wird Petrucci aller Voraussicht nach mit seinem jetzigen Team Barni Spark Ducati verlängern.


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