Phillip Island: Das ganze Ausmaß des Logistik-Fiaskos
Am vergangenen Donnerstag erfuhren die Teams der Supersport- und Superbike-WM von Promoter Dorna, dass sich der Plan für die auf Montag und Dienstag angesetzten Testfahrten grundlegend geändert hat. Statt beide Klassen an beiden Tagen für jeweils zwei Sessions auf die Strecke zu lassen, wird gesplittet: Die Supersport-Piloten fahren nur am Montag, die Superbike-Asse am Dienstag.
Grund dafür ist, dass die Reifen für die Superbikes noch immer nicht in Australien angekommen sind!
Während das Material der Teams per Luftfracht nach Australien geht, werden die Reifen von Alleinausrüster Pirelli auf dem deutlich günstigeren Seeweg transportiert.
Die Reifen für den Saisonauftakt Ende Februar wurden im Oktober des Vorjahres produziert und verließen die Pirelli-Fabrik in Italien Anfang November. Das Containerschiff fährt für gewöhnlich durchs Mittelmeer nach Osten, nimmt den Suezkanal in Ägypten und schippert durchs Rote Meer. Anschließend geht es über den Indischen Ozean nach Australien.
Für den Transport der Reifen sind über drei Monate veranschlagt, unter normalen Umständen ist dieser Zeitraum sehr großzügig bemessen.
«Dieses Jahr ist etwas passiert, das es so noch nie gab», erklärte Pirelli-Rennchef Giorgio Barbier im Vier-Augen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com im Fahrerlager auf Phillip Island. «Das Schiff war unterwegs, wurde in Ägypten aber gestoppt. Das war Anfang Dezember, damals war nicht klar, ob das Schiff durch den Suezkanal fahren kann oder nicht. Also wartete es. Letztlich wurde entschieden, dass das Schiff durchs Mittelmeer zurück und um ganz Afrika herum nach Australien fährt.»
Verantwortlich für das Logistik-Desaster sind die jemenitischen Huthi-Rebellen, die das südliche Rote Meer und den Golf von Aden unsicher machen. «70 Prozent der Containerschiffe fahren normal durch den Suezkanal», so Barbier. «Wir bekommen den gesamten Gummi für die Reifenproduktion aus Asien. Derzeit ist er viermal so teuer wie vor zwei Monaten, wegen der Transportkosten. Einige Mitbewerber mussten bereits die Produktion einstellen, weil sie keine Rohstoffe aus Asien erhalten. Es gibt Schiffe, die dümpeln im Mittelmeer und warten darauf, den Suezkanal passieren zu können, sofern sie Geleitschutz von einem Kriegsschiff bekommen. Sie müssen entscheiden, ob sie warten oder um Afrika herumfahren.»
Für jegliche Logistik im Zusammenhang mit der Superbike-WM ist die Dorna verantwortlich, aus unbekannten Gründen wird das Pirelli-Material auf zwei Schiffen transportiert. «Im ersten Container ist unser gesamtes Equipment, um die Reifen zu montieren, sowie 400 Supersport-Reifen. Die anderen drei Container mit 3000 Reifen sind auf einem anderen Schiff. Im Januar wurde uns mitgeteilt, dass der Container mit unseren Montiermaschinen nicht rechtzeitig zum Rennen ankommen würde. Also schickten wir einen Container mit dem gleichen Inhalt per Luftfracht nach Australien, dieser kam an. Wir haben also unser Equipment sowie 400 Supersport-Reifen. Dann hieß es, das zweite Schiff mit den Reifen würde am 13. Februar, vergangen Dienstag, ankommen. Doch nichts passierte. Am Donnerstag bekamen wir die Information, das Boot würde am Freitag ankommen. Jetzt wurde die Ankunft auf Montagmorgen fixiert, innerhalb vier Stunden sollten die Container vom Hafen in Melbourne an der Strecke sein.»
Barbier geht davon aus, dass dieser Termin eingehalten wird. Entscheidend wird sein, wann das Containerschiff in den Hafen darf und entladen werden kann. «Wir haben keine Alternative», betont der Italiener. «Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass wir den Supersport-Test am Montag fahren, dafür haben wir Reifen und können alles vorbereiten. Dann ist wenigstens eine Hälfte des Fahrerlagers abgefertigt. Müssten wir alles für beide Klassen Montagnacht vorbereiten, wäre das nicht zu bewerkstelligen.»
Und was geschieht, wenn die Superbike-Reifen nicht am Montag, sondern erst am Dienstag eintreffen? Ließe sich der Test auf Mittwoch verschieben? «Darüber redet Gregorio Lavilla von der Dorna mit den Rennstreckenbetreibern», so Barbier. «Ich gehe davon aus, dass das nicht so einfach ist wegen der Streckenposten, Krankenwagen etc. Ich weiß nicht, ob sich das alles so einfach um einen Tag verschieben lässt.»