Jost Capito: «Ich habe fünf große Ziele verfolgt»
Jost Capito Ende 2016 in Monza
Einen seltenen MotoGP-Gast traf SPEEDWEEK.com beim Portimão-GP am vergangenen Wochenende in der Red Bull Energy Station: Der Deutsche Jost Capito, bis Dezember 2022 noch Teamprinzipal beim Formel-1-Team Williams, schaute gemeinsam mit Hans-Bernd Kamps («tolimit») wieder einmal bei den Zweiradkollegen vorbei und sprach ganz offen darüber, warum er sich aus der Formel 1 zurückgezogen hat und jetzt etwas kürzer tritt.
«Ich bekomme im April eine neue KTM 890 Adventure und kann dann endlich einmal länger als ein paar Stunden Motorradfahren», erzählte der Neunkirchener. «Ich bin Ingenieur und suche jetzt Berater-Aufträge auch ausserhalb des Motorsports, denn ich will nicht mehr wie bei Williams für 800 Mitarbeitende verantwortlich sein und einen großen Teil der Arbeitszeit dem Personal- oder dem Finanzwesen widmen. Ich möchte künftig mehr Freizeit haben und lieber meine Expertise als Ingenieur bei interessierten Firmen einbringen, die nicht unbedingt was mit dem Motorsport zu tun haben müssen. Ich habe immer gesagt, dass ich den Job bei Williams nur zwei Jahre mache, maximal drei.»
Jost Capito hat eine abwechslungsreiche und erfolgreiche Berufslaufbahn hinter sich, die ihresgleichen sucht. Er begann seine internationale Laufbahn bei der BMW M GmbH als Motoreningenieur, wechselte 1996 zu Sauber Petronas Engineering, wo damals auch der 990-ccm-Petronas-Dreizylinder-MotoGP-Motor entwickelt und gebaut wurde. Er wurde später mit 900 ccm vom Carl-Fogarty-Petronas-Team in der Superbike-WM eingesetzt. 1998 bekam Capito zusätzlich die Rolle des Chief Operational Officers (COO) für das Red Bull Sauber F1 Team.
Anschließend war er bei Ford für die ST- und RS-Modelle verantwortlich und gleichzeitig als Motorsport Direktor zuständig für alle Ford-Motorsportaktivitäten in Europa, unter anderem für die COSWORTH Motoren-Kooperation mit dem Jordan F1 Team und die Ford Rallye-Aktivitäten mit dem Gewinn der Hersteller-Meisterschaft 2006 und 2007.
Capito trat 2012 einen Posten als Motorsport-Direktor bei Volkswagen an und feierte bis Ende 2016 großartige Erfolge in der Rallye-WM. Der Franzose Sébastian Ogier gewann im Red Bull-VW Polo unter der Regie von Capito vier Rallye-Weltmeistertitel hintereinander, ehe der Siegerländer zuerst bei McLaren und dann für zwei Jahre bei Williams (2021 und 2022) in die Formel 1 zurückkehrte.
Bei VW musste Capito mit der starken Fahrerpaarung Sébastian Ogier und Jari-Matti Latvala zurechtkommen; bei McLaren wartete mit den Stars Fernando Alonso und Jenson Button die nächste Herausforderung auf ihn.
«Ich arbeite gerne mit Fahrern zusammen. Mich reizen starke Charaktere, die natürlich extrem egoistisch sind. Die Kunst eines guten Teamchefs ist es, das interne Verhältnis trotzdem so zu gestalten, dass jeder seine beste Leistung bringt», lautet seine Devise.
Jost Capito will jetzt mehr Zeit für seine drei Kinder und die drei Enkelkinder haben. Wo der Neunkirchner künftig seinen Wohnsitz aufschlagen wird, ist offen. Bayern bleibt ein Thema, aber auch ein EU-Land wie Kroatien mit Zugang zum Meer hätte gewisse Reize.
«Ich habe im Motorsport fünf große Ziele verfolgt. Ich wollte das Indy 500 gewinnen, die Dakar-Rallye, die Rallye Monte Carlo, die 24 Stunden von Le Mans und das Formel-1-Rennen in Monaco. Die Dakar habe ich in der Lkw-Wertung mit meinem Vater und meinem Bruder mit einem Mercedes Unimog gewonnen. Der Monte-Rallye-Sieg ist mir als Motorsport-Direktor von Ford und VW gelungen, dazu habe ich Le Mans mit dem Porsche-Werksteam als Teammanager gewonnen. Aber die geplanten Erfolge in Indy und in der Formel 1 Monaco muss ich wohl langsam abhaken.»