Rennfahrercasting: So läuft das Finale der GT Academy
Keine Villa am weissen Sandstrand und kein Luxusappartment: Wer es in die finale Runde beim Nissan-Rennfahrercasting GT Academy geschafft hat, der muss zuerst einmal hart im Nehmen sein. Acht Kandidaten aus 60.000 Teilnehmern der deutschen GT Academy haben es in die finale Runde geschafft und durften am vergangenen Wochenende ins Race Camp nach Silverstone. An vier Tagen wurde dort in verschiedenen Wettbewerben der dritte Sieger der deutschen GT Academy gekürt. Die Bedingungen im Race Camp karg zu nennen, ist stark übertrieben: Die acht Finalisten schlafen gemeinsam in einem Gebäude inmitten des Grand-Prix-Kurs von Silverstone in einem grossem Raum auf spartanischen Feldbetten, geduscht wird draussen im Duschcontainer. Im Race Camp geht es um das Wesentliche und das ist die Armada von Nissan 370Z Nismo und Nissan GT-R Schulungsfahrzeugen vor der Tür.
GT Academy: Von der Playstation zum Rennfahrer in drei Monaten
Die 2008 ins Leben gerufenen GT Academy, in der Nissan einen Videospieler zum Rennfahrer ausbildet, ist sicher die ungewöhnlichste Form der Nachwuchsförderung eines Autoherstellers. Seit 2012 gibt es die GT Academy in einer deutschen Variante. Deutschland ist neben den USA das einzige Land, in der es eine nationale GT Academy gibt. Qualifizieren können sich die Teilnehmer, die zumeist keine Motorsporterfahrung haben, für die GT Academy ausschliesslich über Videospiele und auch im sechsten Jahr ist das Konzept noch ein durchschlagender Erfolg.
Über das Spiel Gran Turismo 6 auf der Playstation, ein Spiel auf der GT Academy Facebook-Seite und Live-Events konnte man sich für einen Vorentscheid im Rahmen des 24h-Rennen auf dem Nürburgring qualifizieren. Dort wurden aus 28 Teilnehmern dann die acht Finalsten für das Race Camp in England ermittelt. Finalist Philipp: «Wenn man glaubt auf der Playstation schnell zu sein, sollte man sein Glück über eines der Live-Events versuchen, denn Online hat man meist keine Chance. Dort gewinnen Jungs, die sehr viel Zeit vor der Spielkonsole verbringen.» Durch die Qualifikation zur GT Academy über die Spielekonsole ist das Alter der Teilnehmer bunt gemischt. Das Mindestalter liegt bei 18 Jahren, der älteste Finalteilnehmer in Silverstone ist 30 und der letztjährige Deutschland-Sieger Florian Strauß ist auch bereits 29.
Wer nach Silverstone in die Runde der letzten Acht kommt, muss bereit sein mit seinem bisherigen Leben ziemlich schnell abzuschliessen: Der Gewinner der GT Academy bekommt eine dreimonatige Rennfahrerausbildung in Silverstone, die bereits kurz nach dem Race Camp beginnt. Florian Strauss «Nachdem ich im vergangenen Jahr gewonnen habe, war ich für zwei Wochen zu Hause, dann ging es zur Ausbildung nach England. Dann kam schon das 24h-Rennen von Dubai und die Vorbereitung für die Blancpain-Saison. Zum Videospielen komme ich mittlerweile kaum noch.»
Preis hat Gegenwert von mindestens einer Million Dollar
Wer nach Silverstone geht, sollte also vorher schon mal intensiv mit seinem Chef gesprochen haben. Aber nicht nur der persönliche Einsatz ist hoch, sondern auch der Gewinn: Dem deutschen Sieger der GT Academy winkt als Highlight ein Renneinsatz bei den 24h auf dem Nürburgring 2015 im Werks-Nissan GT-R GT3 und die Chance auf eine Rennfahrerkarriere.
Für gewöhnlich kommen weitere Rennen dazu: Strauss fuhr bei den 24h-Rennen in Dubai, 24h Nürburgring mitsamt Quali-Rennen, startet in der Blancpain Endurance Series und wird kommende Woche an den 24h in Spa teilnehmen, alles in Werks-Nissan.
Nick Heidfeld, im dritten Jahr Juror bei der deutschen Version der GT Academy: «Wir haben mal ausgerechnet, dass die Rennfahrerausbildung und die Renneinsätze für den Sieger der GT Academy mindestens einem Wert von einer Million US-Dollar entspricht.»
Nissan will einen Fahrer über die GT Academy in die Formel 1 bringen
Lucas Ordonez, der erste Sieger der GT Academy aus Spanien, fährt mittlerweile im sechsten Jahr für Nissan. GT Academy-Absolvent Jann Mardenborough, dem Nissan mittlerweile eine Saison in der GP3 bezahlt und der im Nachwuchskader von Red Bull Racing ist, wird nicht nur als zukünftiger Nissan-LMP1-Stammfahrer gehandelt, sondern als erster Kandidat aus der GT Academy, der es bis in die Formel 1 schaffen kann.
Der Traum kann aber auch schnell wieder vorbei sein. Das erlebte auch Peter Pyzera, 2012 erster deutscher GT Academy-Sieger und im vergangenen Jahr in Silverstone Klassensieger in der Blancpain Endurance Series. Nach einer Saison mit sieben Rennen für Nissan war der Traum vorbei, denn vier GT Academy´s (Deutschland, USA, Europa und International) produzieren permanent Nachwuchs und Plätze im Kader der GT Academy sind ebenso endlich wie das Budget. Von den bisher 12 GT Academy-Siegern stehen allerdings noch acht Kandidaten bei Nissan unter Vertrag.
Nissan lässt sich den Spass einiges Kosten: Der Wettbewerb ist aufwendig, die GT Academy beschäftigt sieben Vollzeit-Mitarbeiter, im Race Camp beim Finale wird auch nicht am Personal und Aufwand für die Ausscheidungen gespart und für die notwendige Aufmerksamkeit lässt Nissan die GT Academy in vier TV-Episoden aufbereiten und bei RTL ausstrahlen.
Die Wettbewerbe haben so auch TV-tauglich zu sein und sind eine Mischung aus Fahrprüfungen und Klamauk: Während Überholtrainings, Boxenstopptrainings und Rundenzeitwettbewerbe zum Rennfahrer-Repertoire zählen, ist ein Rallye-Training, bei dem man Panzern ausweichen muss und von Paintball-Siegern beschossen wird, eher den Anforderungen des TV-Partners geschuldet.
GT Academy endet mit Rennen auf Silverstone Grand-Prix-Kurs
Vier Tage dauert die finale Runde des Rennfahrercastings. An den drei ersten Tagen scheiden vier Kandidaten aus, die verbliebenen vier Kandidaten kämpfen dann am letzten Tag um den Sieg. Die unterschiedlichen Wettbewerbe werden mit verschiedenen Punktzahlen bedacht, die letzte Prüfung ist dann zum Abschluss der Veranstaltung die Königdisziplin: Die verbliebenen vier Finalisten fahren auf identischen Nissan 370Z Nismo auf dem Grand-Prix von Silverstone ein Rennen gegeneinander. «Der Sieger des Rennens war in den vergangenen Jahren meistens auch der Gesamtsieger», erklärt Strauss.
Die GT Academy ist wohl der ungewöhnlichste Weg Rennfahrer zu werden. Nick Heidfeld: «Ich finde das Ergebnis sensationell und es gibt einige schnelle Fahrer, die das Programm hervorgebracht hat. Das Programm funktioniert. Ich finde des toll, dass es Jugendlichen oder auch Erwachsenen ohne viel Geld von Sponsoren oder von Hause die Möglichkeit gibt, in den Rennsport zu kommen. Rennsport ist nie günstig gewesen, wird aber immer teurer und hier kann es einer, der nicht mit viel Geld gesegnet ist, es ganz nach oben schaffen und das begeistert mich an der Sache.»
Eine der härtesten Prüfungen muss sich der seit Dienstagabend feststehende deutsche GT Academy-Sieger nun aber in den kommenden zwei Monaten stellen. Bis RTL das Finale der GT Academy am 20. September ausstrahlt, darf der Sieger nicht verraten, dass er gewonnen hat. So gibt es obendrein noch eine Lektion in Geheimniskrämerei.
TV-Sendezeiten der GT Acdemy bei RTL
26.07., Startzeit: 13:20 Uhr,?vor Qualifying GP von Ungarn,
23.08., Startzeit: 13:20 Uhr, vor Qualifying GP von Belgien,
06.09., Startzeit: 13:20 Uhr, vor Qualifying GP von Italien,
20.09., Startzeit: 14:20 Uhr, vor Qualifying GP von Singapur