Sensationelle Karriere: Mit PlayStation zur Formel 1?
Wird der Engländer Jann Mardenborough der erste Formel-1-Pilot, dessen Racing-Grundlage Computerspiele sind? Jann fuhr als Knirps zwar sehr wohl Kart, aber nur drei Jahre lang, zwischen acht und zehn Jahren, dann schlosse die lokale Bahn in Cardiff, und die Familie Mardenborough hatte ohnehin kein Geld mehr, um das teure Hobby weiter zu finanzieren.
Motorsportlich fit hielt sich Jann danach an der Computer-Konsole. 2011 nahm er an der so genannten «GT Academy» teil – einem von Nissan und Sony ausgerufenen Wettbewerb, bei dem der beste Mann an der PlayStation gesucht wird. Mardenborough setzte sich gegen rund 90.000 Teilnehmer durch und erhielt ein Stipendium: er nahm für Nissan am 24-Stunden-Rennen von Dubai teil und errang in seiner Klasse Rang 3. 2012 setzte der Brite seine Karriere in der nationalen GT-Meisterschaft fort, gewann ein Rennen und wurde Gesamtsechster.
Nissan war vom jungen Mardenborough so überzeugt, dass sie ihn ins ferne Neuseeland entsandten, um an der Einsitzerserie Toyota Racing Series teilzunehmen. Dort wurde er 2013 bester Neuling und Gesamtzehnter. In der britischen Formel 3 wurde er in der nationalen Wertung Sechster. Anfangs dieses Jahres reiste er erneut nach Neuseeland – Gesamtzweiter (hinter Andrew Tang) mit drei Siegen und sieben Podestplätzen! Das war genug, um ins Red-Bull-Förderungsprogramm 2014 aufgenommen zu werden.
Der erste Mann einer neuen Generation?
Wird Jann Mardenborough der erste Rennfahrer, dessen Grundlage zum Sport die PlayStation ist? Und wie viele seiner Sorte werden nachrücken?
Wie gut dieser Engländer wirklich ist, wird sich 2014 zeigen – da bestreitet Mardenborough seine erste Saison GP3 (im Rahmenprogramm der Formel-1-WM), für Arden International (dem Team von Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner). Dort fährt Mardenborough an der Seite des Rumänen Robert Visoiu und des Schweizers Patric Niederhauser.
Mardenborough ist baff, wie das alles gekommen ist: «Ich wollte zwar schon als Kind Rennfahrer werden, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass die PlayStation mir den Weg dazu ebnet. Ich finde das selber immer noch völlig verrückt. Meine Ausgangsposition ist perfekt: Ich habe mit Arden das beste Team (der GP3-Serie holten Mitch Evans 2012 und Daniil Kvyat 2013 jeweils den Meistertitel, die Red.) und ich kann bei Red Bull Racing im Simulator dazulernen. Mit RBR zu arbeiten, ist eine unglaublich Chance. Die Arbeit im Simulator und das Training sind fabelhaft. Ich habe wirklich grosses Glück.»
Mardenborough über PlayStation und Realität: «Als ich von Nissan erstmals den 370z-Sportwagen fuhr, da fand ich das Fahren an der PlayStation und in echt jetzt nicht viel anders, das hat mich selber umgehauen. Der grösste Unterschied: zuvor sass ich vor einem 14-Zoll-Schirm, nun hast du eine komplette Landschaft vor dir. Du musst viel weiter voraussehen, es dauerte eine Weile, sich daran zu gewöhnen.»
Laurence Whiltshire, Chef der GT-Akademie, meint: «Viele Formel-1-Fahrer sind unfassbar gut, aber sie sind auch überaus privilegiert. Piloten über den Umweg PlayStation zu finden, eröffnet ein neues Feld. Die Spieler können praktisch unbeschränkt virtuell um die Kurse sausen, sie müssen weder aufs Wetter noch auf Jahreszeit oder Tag und Nacht achtgeben.»
Nach Jann Mardenborough ist der Spanier Lucas Ordoñes der zweite Mann, der von der Akademie gezielt gefördert wird.
Ex-GP-Sieger Johnny Herbert bleibt skeptisch: «Gewisse Dinge kannst du an der Station nicht üben – die Fliehkräfte sind nicht da, und das periphere Sehen wird auch nicht gefördert. Aber Simulationen sind in den letzten zehn Jahren so unglaublich viel besser geworden. Für mich ist Karting noch immer die klassische Schule. Das bedeutet aber nicht, dass Karting der einzige Weg sein muss.»
Mardenborough selber sagt: «Als Rennfahrer möchte man immer die Spitze seiner Sportart erreichen, und das ist eben die Formel 1. Ich glaube selber nicht, dass Computerspiele den Kartsport ersetzen werden. Kartsport ist enorm wichtig für die Entwicklung als Rennfahrer. Andererseits tritt man als Gamer online gegen echte Menschen an und lernt dabei, sich durchzusetzen. Eine gewisse Ähnlichkeit ist also vorhanden.»