Formel 1: Ohrfeige für Gegner von Verstappen

Yamaha verlangt, dass die Gegner eingebremst werden

Von Ivo Schützbach
Vor der Veranstaltung in Misano fand Yamaha-Manager Andrea Dosoli deutliche Worte, wie er die derzeitige Anwendung der Balance-Regel in der Supersport-WM einschätzt – und tischt gewichtige Argumente auf.

Als die Supersport-WM vor vier Wochen in Barcelona gastierte, hörte man in den Yamaha-Teams Ausdrücke, die man auf keiner katholischen Schule lernt. Denn nach den ersten acht Rennen des Jahres steht Yamaha ohne Sieg da. Sechsmal gewann Ducati, je einmal Kawasaki und MV Agusta. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Stefano Manzi als bester Yamaha-Pilot nicht an die Rundenzeiten von Domi Aegerter herankommt, der die Weltmeisterschaft in den vergangenen beiden Saisons auf einer R6 souverän gewonnen hat.

Die Gegner haben kein Verständnis für die Klagen von Yamaha, sie verweisen auf deren lange Dominanz: Seit 2017 hat die Marke mit den drei Stimmgabeln im Logo sechsmal in Folge triumphiert.

Was sich 2022 geändert hat: Jetzt dürfen auch Motorräder mit mehr Hubraum mitfahren, wie die Triumph (765 ccm), die MV Agusta (800 ccm) und die Ducati (955 ccm). Um die Bikes auf einen gleichen Level zu bringen, wurde eine ausgefeilte Balance-Regel eingeführt.

«Als sich die Hersteller darauf geeinigt haben, dass verschiedene Motorenkonzepte auch mit größerem Hubraum zum Einsatz kommen dürfen, war klar und wurde auch niedergeschrieben, dass die Referenz bezüglich Performance die Yamaha ist», erklärte Andrea Dosoli, der Road-Racing-Manager von Yamaha Europa, beim Treffen mit SPEEDWEEK.com. «Daraus folgt, dass wenn die Regeln richtig implementiert werden, die Yamaha so konkurrenzfähig ist wie die Maschinen mit mehr Hubraum. Wenn wir ein Ungleichgewicht bei der Performance beobachten, dann haben FIM und Dorna die Verantwortung, die Motorräder mit großem Hubraum einzubremsen. Diese technischen Regeln wurden vor einigen Jahren niedergeschrieben, wir erwarten, dass sie entsprechend angewandt werden.»

Im gelben Regelbuch ist das nirgends verewigt, es wurde aber ausführlich dokumentiert im Schriftverkehr zwischen der Herstellervereinigung MSMA, dem Motorrad-Weltverband FIM und Promoter Dorna, bevor die «New-Generation-Bikes» für die Saison 2022 und darüber hinaus zugelassen wurden.

«In den Regeln ist eindeutig geschrieben, dass das Ziel für die Supersport-WM ist, die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Konzepte zu balancieren», betonte Dosoli. «FIM und Dorna haben das Recht und die Verantwortung, die Balance anzupassen – theoretisch kann das von einem Training auf das nächste geschehen. Wenn ein Ungleichgewicht herrscht, dann gehen wir davon aus, dass die Balance für das nächste Rennen angepasst wird. Die FIM hat gesagt, dass sie das so transparent wie möglich umsetzen will.»

Die Yamaha-Fahrer beschweren sich, dass es ihnen an Beschleunigung aus den Kurven hinaus fehlt, weil die R6 mit 600 ccm nicht so viel Drehmoment hat wie eine Ducati mit 955 ccm oder die Dreizylindermaschinen von MV Agusta und Triumph.

Ludovic Reignier als SBK Technical Director der FIM beurteilt die Situation anders und ortet Ausgewogenheit: Denn in Misano werden die Motorräder unter den gleichen Voraussetzungen antreten wie zuletzt in Barcelona. Zwar könnte die Maximaldrehzahl oder die maximal Drosselklappenöffnung bestimmter Motorräder während des Rennwochenendes angepasst werden, das wurde bislang aber noch nie gemacht.

«Ist eine Marke im Topspeed überragend, wie das bis Assen (mit Ducati – der Autor) der Fall war, lässt sich das leicht regeln», weiß Dosoli. «Dann wird entweder die erlaubte Maximaldrehzahl reduziert oder die Öffnung der Drosselklappen. Die Unterschiede in der Beschleunigung sind schwieriger zu handhaben; ich habe aber keine Zweifel daran, dass die FIM das in den Griff bekommt. Aus Ingenieurssicht sind genügend Stellschrauben vorhanden, um das umzusetzen – auch wenn es nicht einfach ist. Die FIM will das nicht nur tun, vielmehr liegt es in ihrer Verantwortung. Wenn das einmal passt, dann sollte es für alle Strecken okay sein. Und sollte sich herausstellen, dass weitere Anpassungen nötig sind, dann müssen diese gemacht werden.»

Für den Italiener ist eine Sache besonders zu beachten: «Die technischen Regeln müssen die Leistungen der Maschinen balancieren. Wären diese identisch, liegt es an den Teams und Fahrern, den Unterschied auszumachen. Wenn Bulega mit sieben Sekunden Vorsprung gewinnt, und die beste Yamaha ist Zehnter, man aber in den Daten sehen kann, dass die Beschleunigung und der Topspeed identisch sind, dann gibt es keine Notwendigkeit, an der Balance etwas zu ändern. Der FIM liegen sämtliche Daten vor. Wir dürfen das sportliche Ergebnis nicht mit den technischen Belangen vermischen.»

Die Datenauswertung ist sehr aufwändig, die Verantwortlichen der FIM sind längst an ihrer Belastungsgrenze angelangt. «Die Notwendigkeit von Analysen ist drastisch gestiegen», hält Dosoli fest. «Um alles kontrollieren zu können, braucht die FIM mehr Mitarbeiter. Wir müssen die Meisterschaft schützen, weil heute ein gutes Gleichgewicht herrscht – zwischen dem was die Hersteller investieren und dafür zurückbekommen. Wir müssen in der Lage sein, die Balance zwischen den verschiedenen Konzepten in den Griff zu bekommen, sonst wird die Meisterschaft kollabieren.»


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