Über Pierre Gasly
Der Genfer Romain Grosjean war zu Beginn der Saison 2016 der einzige Grand-Prix-Stammfahrer mit französischem Pass. Aber so langsam wird das wieder was mit der Grande Nation – Esteban Ocon fährt 2017 bei Force India, und 2017 will ein dritter Franzose an den Start gehen: Pierre Gasly aus der Rennstadt Rouen, Team-Leader der Red-Bull-Junioren.
Gasly ist ein Absolvent der klassischen französischen Rennleiter: Kartsport, französische Formel Renault, Formel Renault 3.5, GP2.
Gasly fuhr von 2006 bis 2010 Rennkarts. Er wurde unter anderem EM-Zweiter 2010 und Weltcup-Vierter. Damit war klar: Der Junge war bereit für den Aufstieg in den Automobilsport.
In der französischen Formel 4 lebte er sich 2011 prächtig ein: Vier Laufsiege, dritter Schlussrang. In der Formel Renault tat er sich dann ein wenig schwerer, erst im zweiten Jahr konnte er sich durchsetzen – Meister 2013.
Ein Jahr darauf stand ihm in der Formel Renault 3.5 (übrigens in einem Fahrzeug von Arden, also von Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner) nur jener Carlos Sainz junior vor der Sonne, der heute für Toro Rosso Formel 1 fährt und ebenfalls zur Red-Bull-Familie gehört.
Gasly schnupperte daneben schon in der GP2-Klasse, wo er 2015 eine komplette Saison bestritt – achter Schlussrang, mit zweiten Rängen in Ungarn und Russland als Höhepunkte.
Zum offiziellen Test- und Ersatzfahrer von Red Bull Racing ist Pierre Gasly im Herbst 2015 ernannt worden. In der GP2-Serie wechselte er zur Saison 2016 hin von DAMS zum Neuling Prema.
Gasly war sich seiner Sache sicher: Titelgewinn mit GP2, das würde für ihn einen Platz im Formel-1-Rennstall von Toro Rosso bedeuten. Erst beim Finale von Abu Dhabi konnte Pierre den starken Italiener Antonio Giovinazzi abfangen. Weil Red Bull den beiden Toro-Rosso-Piloten Carlos Sainz und Daniil Kvyat die Treue hielt, blieb für Gasly keinen Platz im GP-Feld. Er behielt seine Rolle als Test- und Ersatzfahrer für Red Bull Racing und Toro Rosso und wurde in der japanischen Superformula auf den Titel angesetzt. Daraus wurde letztlich nichts, weil Gasly dank regelmässiger Spitzenpositionen zwar mit Titelchancen zum Finale von Suzuka reiste, die beiden restlichen Rennen dort aber wegen den Auswirkungen eines Wirbelsturms abgesagt werden musste. Gasly blieb auf dem zweiten Schlussrang sitzen.
Als klar wurde, dass Daniil Kvyat bei Red Bull in Ungnade fällt und Carlos Sainz an Renault ausgeliehen wird, gab Gasly in Malaysia sein WM-Debüt in der Formel 1: Der Franzose erreichte in Sepang Platz 14, wurde in Suzuka Dreizehnter, in Mexiko wiederholte er diese Leistung, in Brasilien sprang Platz 12 heraus, beim WM-Finale von Abu Dhabi Rang 16. Anders gesagt: Gasly blieb punktelos.
Red-Bull-Rennchef Dr. Helmut Marko erkannte jedoch genügend Potenzial, um dem Franzosen für 2018 eine komplette Saison zu ermöglichen. Der Grazer sagte zum Debüt in Malaysia: «Red Bull hat, im kompletten Gegensatz zu Mercedes und Ferrari, Eier. Wir stecken junge Talente ins Auto. Vor allem im ersten Training im Nassen hat er gezeigt, dass er keine Angst hat, dass er eine gute Fahrzeugkontrolle besitzt. Über das ganze Wochenende hat er keinen Fehler gemacht, es war ein sehr gutes Debüt.»
2018 bedankte sich Pierre Gasly für das Vertrauen mit einer guten Saison. Rang 4 in Bahrain war das Highlight, aber auch Platz 7 in Monaco und Rang 6 in Ungarn durften sich sehen lassen. Der Franzose zog sich so gut aus der Affäre, dass Red-Bull-Rennchef Dr. Helmut Marko beschloss – Gasly ist der richtige Mann, um 2019 an der Seite von Max Verstappen für Red Bull Racing zu fahren. Das erwies sich als Trugschluss.
Gaslys Leistungen an der Seite von Verstappen liessen so zu wünschen übrig, dass Red-Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko im Sommer die Notbremse zog – Alex Albon von Toro Rosso zu Red Bull Racng, Pierre Gasly zurück zu Toro Rosso. Der Thai-Brite Albon fuhr sofort auf höherem Niveau und hat auch für 2020 das Vertrauen erhalten.
Gasly revanchierte sich für die Versetzung mit einem sensationellen zweiten Rang im turbulenten Grossen Preis von Brasilien. Der Franzose hörte nach der Zieldurchfahrt gar nicht mehr auf zu brüllen, er schrie sich seinen ganzen Frust von der Seele, es klang wie ein Tier, das viel zu lange eingesperrt war und nun in Freiheit ist.
Durch die Kollision der beiden Ferrari und durch den ungestümen Angriff von Hamilton auf Albon lag auf einmal Gasly auf dem zweiten Rang, und der Franzose fuhr jetzt gewaltig die Ellbogen aus. Unvergessen , wie hart die Kritik an Pierre nach dem Chaos-GP von Hockenheim gewesen war, als er sich damals im RBR-Rennwagen von Albon im Toro Rosso demütigen lassen musste. Das war einer der Gründe, wieso er im Sommer versetzt wurde.
Nun aber, als Weltmeister Hamilton, auf Rang 2 dürstend, im Rückspiegel von Gasly immer grösser wurde, da wurde schnell klar: An diesem Tag wird Pierre seinen Platz verteidigen, oder dann kracht es eben. Gasly wehrte sich gegen die letzte Attacke von Hamilton, am Ende lag er um 62 Tausendstelsekunden vor dem Engländer. 62 Tausendstel, das sind zwei Wimpernschläge ...
Doppelsieg für Honda, mit einem Red Bull Racing-Piloten vor einem Toro Rosso-Fahrer, wer auf so ein Ergebnis Geld gesetzt hat, dürfte ein sehr reicher Mann geworden sein.
Der zweite Rang von Gasly ist das beste Formel-1-Ergebnis des Mannes aus der Rennstadt Rouen, und wir müssen um zwei Jahre bis nach Sugo 2017 zurückblättern, als er letztemals auf dem Siegerpodest zu sehen war, damals in der Top-Monopostoserie von Japan, in der Super Formula.
Zweiter Rang für Gasly, das ist auch das beste Ergebnis für Toro Rosso seit dem nicht weniger sensationellen Sieg von Sebastian Vettel in Monza 2008. In dieser irren Saison 2019 wurde Daniil Kvyat in Hockenheim Dritter, auch damals im Regen von Süddeutschland hatte Toro Rosso eine Chance eiskalt genutzt.
Gasly nach dem Rennen: «Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Jeder kann mir nachfühlen, dass dies keine einfache Saison gewesen ist, und nun finde ich mich auf dem Siegerpodest wieder, ich bin platt. Das ist mein erstes Siegerpodest in der Königsklasse, und ich hatte schon fast vergessen, welche überirdisches Gefühl es ist, unter die ersten Drei zu kommen. Diesen Tag werden alle meine Kollegen von Toro Rosso und ich nie vergessen!»
«Es war immer mein Ziel, in diesem Jahr auf dem Podest zu stehen, klar sollte das eigentlich anders laufen, aber nun stehe ich hier, ich bin fassungslos.»
Wie hat Gasly diese letzte Attacke von Lewis Hamilton erlebt? «Ich sah ihn kommen, dann duckte ich mich ganz tief ins Auto, ich wollte jedes mögliche km/h gewinnen, um auch ja vorne zu bleiben – und dank des starken Honda-Motors hat das auch geklappt.»
«Honda hat in diesem Jahr unglaubliche Fortschritte erreicht. Ohne die unablässige Arbeit der Japaner wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen. Ich bin überglücklich und ich bin komplett fertig.»
Gasly wurde am Ende WM-Siebter, einen Rang und einen Zähler hinter seinem RBR-Nachfolger Albon.
Teamchef Franz Tost ist happy, dass er 2020 mit Daniil Kvyat und Pierre Gasly weitergemachen kann: «Ich bin entzückt, dass wir Pierre und Daniil für die kommende Saison behalten. Beide haben wirklich gute Leistungen gezeigt und ihre Konkurrenzfähigkeit bewiesen. Ihre Aussagen übers Auto sind fundiert, und sie holen alles aus dem Wagen. Wir sind in der glücklichen Lage, ein junges, dennoch erfahrenes Fahrer-Duo zu haben. Das macht Mumm für die Saison 2020.»
Und Pierre Gasly behält gut im Kopf, was ihm RBR-Teamchef Christian Horner gesagt hat: Wenn die Leistungen stimmen, dann kann er eines Tages wieder zu Red Bull Racing rücken.
In der Corona-verkürzten Saison fuhr Gasly in den ersten sieben Rennen vier Mal in die Top-Ten, mit dem Highlight von Rang 7 auf dem Red Bull Ring und in Silverstone. Und dann kam Monza.
Dank eines frühen Boxenstopps zog der Franzose an einigen Gegnern vorbei, dann erhielt Leader Hamilton eine Strafe, und der zweitplatzierte Lance Stroll verschlief den Re-Start. Ergebnis – Pierre Gasly in Führung!
Der Franzose gab sie nicht mehr ab und gewann sensationell seinen ersten Formel-1-Lauf. Erster neuer GP-Sieger seit Charles Leclerc in Belgien 2019, und es passte, dass Leclerc einer der ersten Gratulanten im Parc fermé war.
Zweiter GP-Sieg für das GP-Team aus Faenza, nachdem Sebastian Vettel 2008 – damals für das Team in Form von Toro Rosso – sensationell den Italien-GP in Monza auf nasser Bahn gewonnen hatte.
Wir staunten über den ersten Sieg eines Nicht-Top-Teams seit Kimi Räikkönen in Australien 2013, das war überfällig!
Pierre Gasly wusste gar nicht, wo er anfangen sollte: «Ist das nicht unfassbar? Was passiert hier? Was für ein durchgeknalltes Rennen! Klar war das unterbrochene Rennen für uns ein Steilpass, aber dieser Sieg ist uns nicht in den Schoss gefallen, unser Auto war sauschnell, schon das ganze Wochenende lang.»
Gasly hat Höhen und Tiefen wie selten ein Pilot erlebt in der Formel 1. Red Bull schenkte ihm seine Chance in die Formel 1, mit Toro Rosso, dann wurde er zu Red Bull Racing gerückt, aber er konnte sich nicht wie gewünscht entfalten, wurde 2019 wieder zu Toro Rosso zurückbefördert. Gasly verlor seinen Freund Anthoine Hubert in Belgien 2019. Zum Saisonschluss brillierte er mit einem zweiten Platz in Brasilien hinter Max Verstappen, längst hatte er sich wieder gefangen.
Pierre sagte, nachdem er sich zum 109. Sieger der Formel 1 gemacht hatte: «In den vergangenen 18 Monaten ist so viel passiert in einem Leben, ich musste viel verdauen. Dann aber der erste Podestplatz, nun der erste Sieg, ich weiss überhaupt nicht, was ich sagen soll. Ich habe Mühe zu verstehen, was hier passiert.»
«Dieses Team hat so viel für mich getan: Hier erhielt ich meine Chance in der Formel 1, mit diesen Jungs konnte ich in Brasilien meinen ersten Podestplatz feiern und nun den Sieg, ich kann ihnen gar nicht genug danken.»
«In Monza brauchst du Power, und Honda hat uns diese Power geschenkt. Auch ihnen eine riesiges Dankeschön.»
Auf die Frage, ob er gewusst habe, der erste französische Sieger seit Olivier Panis 1996 zu sein, sagte Pierre: «Ja, klar, und als ich in die Formel 1 kam, habe ich mir gedacht – das muss sich ändern. Aber ganz ehrlich: Heute Morgen hatte ich an ein gutes Rennen im Mittelfeld geglaubt, aber doch nicht an einen Sieg. Ich bin überglücklich.»
Nach der Siegerzeremonie wollte Gasly gar nicht mehr runter vom Podest kommen. Er hatte die Marseillaise gehört und dann die italienische Hymne, unter dem Podest lagen sich die Mitarbeiter von AlphaTauri und Honda in den Armen. Besser geht es nicht.
Dabei dachte Pierre Gasly, alles ginge den Bach runter. «Als ich nach meinem Reifenwechsel in Runde 19 auf die Bahn zurückkam, sah ich das Schild – Safety-Car! Ich meldete mich am Funk: ‚Ist das vielleicht ein Scherz? Wir sind zum blödesten Moment hereingekommen!’»
Aber die AlphaTauri-Strategen waren unschuldig, schliesslich konnte ja keiner ahnen, dass wegen des liegengebliebenen Renners von Kevin Magnussen gleich das Safety-Car auf die Bahn geschickt werden würde. Normalerweise wird das mit einer gelben Flagge erledigt.
Weil die anderen Piloten zunächst warten mussten (die Rennleitung hatte die Boxeneinfahrt geschlossen), Gasly seinen Stopp aber schon hinter sich hatte, fand sich Pierre wenige Runden später auf Rang 3 wieder. Dann erneut Safety-Car, nun wegen des Unfalls von Leclerc, daher dritter Startplatz für Gasly.
Stoll verpatzte den zweiten Start, Hamilton musste eine Strafe absitzen (er war trotz geschlossener Boxengasse zum Reifenabholen gefahren), damit lag Gasly erstmals in seiner Karriere in Führung eines Grand Prix!
Der Mann aus der GP-Stadt Rouen: «Wie sich herausstellte, hatten wir nicht das Pech an den Rennstiefeln, sondern die Glücksgöttin auf unserer Seite. Wir lagen vorne, nun galt es, das Beste daraus zu machen.»
Nach der roten Flagge dachte Gasly nicht an den Sieg, wie er zugibt: «Ich wollte nicht an die Strafe von Lewis denken. Ich stellte mir vor – sein Auto ist schnell genug, um die Strafe abzusitzen und trotzdem vor uns ins Ziel zu kommen. Das Gleiche dachte ich auch von Bottas. Ich wartete immer darauf, dass ein Mercedes in meinem Rückspiegel auftauchen würde. Aber da kam nichts.»
«Ich musste an die GP2 denken, als ich von der Spitze aus Rennen kontrollieren konnte. In den letzten fünf Runden wurde es wirklich hart, meine Reifen waren tot. Ich stand fast in allen Kurven quer, ich sah, wie meine Verfolger aufrückten. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich meine Führung hätte abgeben müssen. Zum Glück dauerte das Rennen nicht länger, und ich sah im Rückspiegel auch, dass Carlos Sainz mit abbauenden Reifen kämpft.»
Wann hatte Gasly eigentlich vor Monza 2020 letztmals ein Rennen gewonnen? Es war fast auf den Tag genau drei Jahre zuvor in Autopolis (Japan), am 10. September 2017, im Rahmen der Super Formula.
Auf Monza folgten fünf weitere Punktefahrten, am Ende war Pierre WM-Zehnter mit 75 Punkten.
2021 punktete Gasly zehn Mal in den ersten 13 Rennen, mit einem grandiosen dritten Platz auf dem schwierigen Baku-Strassenkurs.
«Das war unglaublich, das war der reine Wahnsinn! Ich weiss fast nicht, was ich sagen soll. Diese letzten zwei Runden waren die vielleicht intensivsten meiner Formel-1-Karriere.»
«Wir hatten das ganze Wochenende über ein starkes Auto, wie mein vierter Startplatz bewiesen hat. Auch in den freien Trainings zuvor konnten wir zeigen – der Speed hier ist kein Zufall, der ist echt. Natürlich hoffte ich, dass ich das in ein gutes Rennergebnis umsetzen kann, aber nur insgeheim hatte ich gehofft, je nach Verlauf des Grand Prix vielleicht auf dem Siegerpodest stehen zu dürfen.»
Das grösste Problem von Gasly: «Wir hatten einen Leistungsverlust unter Volllast. In den kurvigen Teilen der Strecke war alles okay, aber in den Vollgaspassagen verlor ich viel Zeit. Das Team versuchte, mit mit anderen Motoreinstellungen zu helfen. Aber gegen Charles Leclerc auf der Geraden war ich Freiwild. Zum Glück konnte ich im engen Teil zurückschlagen. Es wurde ziemlich eng, und zwei Mal sah ich mich schon in einer Mauer, aber zum Glück ging alles gut.»
«Das mit den chaotischen Grands Prix ist schon witzig, und jetzt habe ich die Podestplatzsammlung komplett, einmal Sieger, einmal Zweiter, einmal Dritter.»
«Dazu musste ich aber gegen Charles ziemlich die Ellenbogen ausfahren, das ist mir gelungen, und letztlich war dies dann die Entscheidung zum dritten Platz.»
«Die ganze AlphaTauri-Truppe darf wirklich stolz sein auf ihre Arbeit, denn mit Yuki auf Rang 7 haben wir ein tolles Mannschaftsergebnis eingefahren.»
Gasly krönte eine gute Saison mit Rang 4 in Mexiko und Platz 5 beim WM-Finale von Abu Dhabi und wurde WM-Neunter. Noch nie hatte er so viele Punkte geholt in einer Saison, nämlich 110.
2022, im ersten Jahr der neuen Flügelauto-Epoche, lief es leider nicht mehr ganz so gut – Rang 5 in Baku blieb das beste Ergebnis, der AlphaTauri erwies sich als zu wenig schnell. Gasly sackte auf den 14. WM-Schlussrang ab.
Im Oktober wurde bekannt: Gasly hat einen Mehrjahresvertrag bei Alpine unterzeichnet. Schon beim Nachsaisontest von Abu Dhabi durfte er erstmals in den metallic-blauen Rennwagen klettern.
Pierre wirkte in seiner Medienrunde nach dem Abu Dhabi-Test so tatendurstig und aufgekratzt, als würde er in fünf Minuten gleich wieder auf die Bahn gehen. «Ich hätte mir keinen besseren Beginn mit diesem Team vorstellen können», sprudelte der 26-Jährige. «Basierend auf dem, was ich heute hier erlebt habe, weiss ich – ich kann mit Alpine Grosses schaffen.»
Die französische Rennmannschaft hat 2022 den vierten Schlussrang erreicht und dabei McLaren geschlagen. Die nächste Stufe soll 2023 gezündet werden – dann will Alpine den Top-Teams Red Bull Racing, Mercedes-Benz und Ferrari das eine oder andere Mal lästig werden.
Es ist normal, dass ein Pilot bei einem ersten Test mit dem neuen Rennstall nette Worte findet, aber Gasly ist fast nicht mehr zu bremsen, seine gute Laune war ansteckend. «Ich kam hierher und versuchte, völlig offen zu sein. Es ist so Vieles neu für mich, anderes Team, anderer Motor, anderes Auto, andere Techniker. Gas und Bremsen, Lenkung und Sitz, alles unbekanntes Terrain. Und dann lief alles wie am Schnürchen, unglaublich!»
Der GP-Sieger von Monza 2020 staunte: «Ich fühlte mich viel schneller als erwartet im Auto zuhause, und ich kann nun gut nachvollziehen, wieso Alpine WM-Vierter geworden ist. Und das erzeugt bei mir ein gewaltiges Kribbeln für 2023.»
Aber die folgenden zwei Jahre bei Alpine verliefen selten nach Wunsch: Gasly wurde 2023 Elfter und 2024 Zehnter, die Rivalität mit Esteban Ocon gipfelte in einer Kollision in Monte Carlo 2024, das war der berühmte Tropfen, der bei den Blauen das Fass zum Überlaufen brachte – der neue Alpine-Sonderberater Flavio Briatore machte Ocon klar, dass seine Dienste 2025 nicht mehr benötigt werden, Esteban haute ab zu Haas.
Gasly konnte vor allem im Regen glänzen: Als Dritter in Zandvoort 2023 und in Brasilien 2024, bei tückischen Pistenverhältnissen kommt die tolle Fahrzeugbeherrschung des Franzosen voll zur Geltung.
Der Alpine-Rennwagen stellte 2023 den Piloten immer wieder vor Rätsel. Das Verhältnis zu seinem Stallgefährten Ocon war von Anfang an ein Zweckbündnis, von Sympathie war wenig zu spüren. Alpine kam in Sachen Personal nicht zur Ruhe, und das wirkte sich auf den ganzen Rennstall aus.
«Es war ein Jahr der verpassten Gelegenheiten», blickte Gasly Ende 2023 zurück. «Wir waren weniger konkurrenzfähig als gewünscht, und wir haben einige Chancen ungenutzt gelassen.»
Vor allem in der ersten Saisonhälfte war Sand im Getriebe: Kollision ausgerechnet mit seinem Stallgefährten Ocon in Australien, Strafen wegen der Verletzung von Pistengrenzen in Österreich, Kollision mit Stroll im Silverstone und erneut mit Ocon auf dem Hungaroring, Nullrunde auch in Katar, weil er zu oft neben der Ideallinie gewesen war.
Gasly weiter: «Es war ein hartes Jahr. Am schwersten zu verdauen war unsere Kollision im Albert-Park von Melbourne, da hätten wir einen Podestplatz an Land ziehen können.»
Es gilt als offenes Geheimnis im Fahrerlager, dass Gasly und Ocon keine Freunde sind, aber Pierre differenziert: «Mir ist klar, dass die Rivalität zwischen zwei Piloten in einem Rennstall ins Ungesunde kippen kann. Da muss ich aufpassen. Wenn mich Esteban nicht in seinen inneren Kreis lässt, dann okay. Für mich ist entscheidend, dass wir gemeinsam das Team vorwärtsbringen. Die Rivalität an sich ist unvermeidlich – er will mich schlagen, ich will ihn schlagen. Aber um ein gutes Rennauto zu haben, müssen wir am gleichen Strang ziehen.»
«Ich habe jetzt ein Jahr mit Alpine hinter mir und sehe mich in einer besseren Position. Ich kenne alle Fachleute, ich kennen die ganzen Abläufe, ich weiss, wie ich mich optimal einbringen kann. 2023 habe ich gewissermassen das Fundament gegossen, darauf kann ich nun aufbauen. Das ist ein gutes Gefühl. Wir wollen vom ersten Rennen an unser Potenzial erschliessen.»
Aber Gasly kam im ersten Saisonteil 2024 vom Regen in die Traufe: Der neue Alpine-Renner war eher ein Schleicher, die Franzosen hatten im ersten Teil der Saison das langsamste und schwerste Auto im Feld, das Fahrzeug wirkte einfallslos wie ein Formel-2-Wagen.
Eine ganze Weile lang krebste Alpine auf hinteren Rängen herum, nur Sauber war noch schlechter. Nur ein starker zweiter Saisonteil ermöglichte es Alpine, noch auf Schlussrang 6 hoch zu klettern.
Gasly: «Ich muss mich kneifen, wenn ich daran denke, was in den letzten Rennen des Jahres alles passiert ist. Beim WM-Auftakt in Bahrain hatten wir das langsamste Auto, in Brasilien standen Esteban und ich auf dem Podest, später der dritte Startplatz in Las Vegas. Ich bin sehr glücklich über die Fortschritte, die wir mit diesem Auto machen konnten.»
Wie konnte Alpine auf einmal so schnell sein? Der Sieger des Italien-GP 2020 erklärte: «Wir haben in Sachen Abtrieb sehr aggressiv entwickelt, das hat uns im Regen von Brasilien geholfen. Und es hilft auch hier, weil wir es uns erlauben können, die Flügel flach stellen zu können, um auf den Geraden schnell zu sein, ohne aber in den Kurven schmerzhafte Kompromisse eingehen zu müssen.»
Die letzten Saisonrennen 2024 von Gasly durften sich wirklich sehen lassen: Dritter Startplatz in Las Vegas, fünfter in Abu Dhabi, sechster in Austin. Rang 3 in Brasilien, Platz 5 in Katar, und der sechste Rang beim WM-Finale sicherte Alpine den sechsten Schlussrang im Konstrukteurs-Pokal.
Ebenfalls bemerkenswert – Gasly ist der einzige der 24 Fahrer in der WM 2024, der bei seinen Mechanikern keinen selbst verursachten Schrott abgeliefert hat. Gasly grinste: «Ich sollte mal mit meinem Autoversicherer sprechen, ich finde, mir gebührt eine Ermässigung.»
«Das ist schon eine Bilanz, auf die ich stolz bin. Aber vor allem ist das fürs Team wichtig, denn wir arbeiten alle unter dem Kostendeckel, und wenn du dein Auto heil ins Ziel bringst, dann kannst du mehr Geld für die Entwicklung verwenden. Der Kostendeckel und der sinnvolle Einsatz unseres Geldes sind bei uns grosse Themen.»
Für 2025 gilt das gleiche Ziel, das die Blauen schon 2023 und 2024 anstrebten: Im Mittelfeld wieder vorrücken und den Top-Teams auf die Nerven gehen.