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Die falsche WM-Klasse: SBK vor nächster Revolution

Kolumne von Ivo Schützbach
Seit 2017 gibt es Supersport 300 als Unterbau zur Supersport- und Superbike-WM. Doch weder sportlich noch was die Marktrelevanz der Motorräder betrifft werden die Hoffnungen erfüllt.

Nach der Übernahme der Superbike-WM und ihrer Rahmenklassen durch Promoter Dorna im Herbst 2012 wurde einiges über den Haufen geworfen. Die beiden Superstock-Kategorien 600 und 1000 wurden beerdigt, stattdessen 2017 Supersport 300 als neue Einstiegsklasse etabliert. Damit wurde das gleiche dreistufige System wie in MotoGP geschaffen.

Es bestand die Hoffnung, mit dieser neuen WM-Klasse in Asien Interesse bei zusätzlichen Herstellern und Rennstreckenbetreibern zu schaffen, denn dort werden sehr viele Motorräder mit 250 bis 400 ccm verkauft.

Diese Wünsche haben sich nicht erfüllt: Weder kamen neue Marken in die WM noch hat ein WM-Lauf der 300er-Klasse in Asien stattgefunden. Noch schlimmer: Zuerst hatte Sepang in Malaysia kein Interesse mehr an der Ausrichtung eines SBK-Events, dann stieg auch Buriram in Thailand aus. Obwohl es zeitweise positive Signale gab, kam es nie zu einem Rennen in China, Indien oder Vietnam. Lediglich Indonesien ist seit 2021 im Kalender – aus Kostengründen ohne die kleine Klasse.

Promoter Dorna hat die vergangenen fünf Saisons schmerzhaft gelernt: Supersport 300 weckt kaum Herstellerinteresse, lediglich Yamaha und Kawasaki sind dabei – und eine KTM. Im europäischen Markt haben Motorräder unter 600 ccm nur eine geringe Relevanz. Und sportlich bringt die Einstiegsklasse lange nicht so gute und viele Talente hervor, wie sich das die Dorna erhofft hat – obwohl die Rennen phänomenal zum Anschauen sind und die Kategorie umkämpft ist wie keine andere.

Lediglich Manuel Gonzalez, der 300er-Weltmeister von 2019, hat in der Supersport-WM den Durchbruch geschafft. Der am 4. August 20-Jährige wurde im Vorjahr WM-Dritter – und verschwand umgehend in die Moto2-WM, wo er für das Team Yamaha VR46 Master Camp startet.

Von den aus der SSP300-WM aufgestiegenen Piloten schlägt sich in der laufenden Saison Weltmeister Adrian Huertas am besten, er liegt in der Supersport-WM auf dem tadellosen zehnten Gesamtrang. Vizeweltmeister Tom Booth-Amos hat, auch verletzungsbedingt, erst vier Punkte erobert. Und Jeffrey Buis, der Champion von 2020 und WM-Dritte von 2021, steht noch ohne Punkt da und hat einen 17. Platz in Estoril als bestes Ergebnis vorzuweisen.

Schon länger gibt es Überlegungen, die Supersport-300-WM durch eine Twin-Klasse mit 600 bis 700 ccm zu ersetzen. Denn nur wenig, was die Youngster in der 300er-Klasse lernen, nützt ihnen später in der Supersport-WM. Und seit dort der Hubraum auf bis zu 800 ccm für Dreizylinder und bis zu 955 ccm für Twins erhöht wurde, ist die Kluft zwischen der kleinen und mittleren WM-Klasse noch größer geworden.

«In einer Meisterschaft, deren Bikes auf Serienmaschinen basieren, müssen wir uns nach dem Markt richten», unterstrich SBK Executive Director Gregorio Lavilla gegenüber SPEEDWEEK.com. «Deshalb brauchen wir für jede Klasse eine weitgefasste Herangehensweise. Die Idee ist, eine Einstiegsklasse für junge Fahrer, eine mittlere Klasse und eine Top-Klasse zu haben. Die Klassen wiederum müssen sich nach den Interessen der Hersteller richten. Wenn sich die Märkte ändern, müssen wir reagieren.»

Der Markt für Zweizylinder-Maschinen wie die Yamaha R7, Aprilia RS 660, Suzuki SV650 oder Kawasaki Ninja 650 wächst. Immer mehr Hersteller bringen Motorräder für dieses Segment, auch Manufakturen aus den riesigen Wachstumsmärkten China und Indien. In einigen nationalen Meisterschaften gibt es bereits Rennen dafür, etwa den Twins-Cup in MotoAmerica.

Die Dorna verfolgt diese Klasse mit viel Interesse und überlegt, wie es in SBK mittelfristig weitergehen soll. Als Vorgeschmack werden wir Ende September im Rahmen des Barcelona-Events das europäische Finale des Yamaha-R7-Cups sehen.

Aktuell leisten die Motorräder in der kleinen Klasse zirka 45 PS, in der mittleren Kategorie 145 und die Superbikes um die 240.

Die oben genannten Twin-Bikes haben zwischen 70 und 100 PS, sie wären für die Einstiegsklasse aus mehreren Gründen besser geeignet als SSP300. Der Unterschied zwischen der kleinen und mittleren Kategorie wäre bezüglich Gewicht und Leistung nicht mehr so groß und das Herstellerinteresse bedeutend mehr. Auch der Sicherheit wäre es zuträglich, weil die schlimmen Unfälle in SSP300 sehr klassenspezifisch sind.

Politisch ist das kein einfaches Thema, denn der Motorrad-Weltverband FIM meint, dass er die Vorgaben für die Rennsportklassen machen muss. Doch Innovationen mit Weitblick kamen aus dieser Richtung noch nie. Und ein altes Sprichwort sagt: «Wer die Musik bezahlt, bestimmt was sie spielt.»

Die spanische Sportagentur Dorna hat in den vergangenen Jahren in der Supersport-300-WM bewiesen, dass die Balance-Regel funktioniert. In der Supersport-WM sind dieses Jahr erstmals die neuen Maschinen von Ducati, MV Agusta und Triumph dabei, auch dort herrscht nahezu Chancengleichheit. Es sind also bereits sämtliche Werkzeuge vorhanden, um die Twins auf einen sehr ähnlichen Performance-Level zu bringen.

2022 und 2023 nutzt die Dorna, um Erfahrung mit den «Next Generation Bikes» in der Supersport-WM zu sammeln. 2024 soll die neue WM-Kategorie mit Twins in der Größenordnung von 600 bis 700 ccm als Einstiegsklasse kommen.

Ob die Supersport-300-WM dann zu einer Europameisterschaft degradiert oder gestrichen wird, ist offen. Das hängt vom Interesse der Hersteller, Sponsoren und Medien ab. Wenn die Klasse als solche der Meisterschaft nichts bringt, wird sie nicht überleben.

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