Wo sich McGuinness beinahe in die Hosen gemacht hätte
John McGuinness bei Governors Bridge, eine Stelle, die er nicht wirklich mag
John McGuinness ist einer der erfolgreichsten Road Racer der Welt. Allein bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man beendete er 23 Rennen an der ersten Stelle. Es gibt also keinen berufeneren Rennfahrer, um dem Fan zu verraten, worauf es ankommt, um die wohl gefährlichste Rennstrecke der Welt so schnell wie möglich zu umrunden und sie dabei unbeschadet zu überstehen.
«Die Tourist Trophy ist das ganze Jahr in meinem Kopf. Die Fähre buche ich im letzten Augenblick. Jedes Mal, wenn ich mich Richtung Isle of Man aufmache, denke ich, hoffentlich komme ich wieder zurück. Mein Großvater kommt immer vorbei und wir haben diese unbeholfenen Umarmungen. Ich kann ihm dabei nicht in die Augen schauen.»
«Auf eine spezielle Weise freue ich mich auf die Rennen auf der Isle of Man. Es ist zwar jede Menge Arbeit und ein unglaublicher Stress. Aber nach dem Rennen bist du in einem rauschartigen Zustand, als ob du auf Drogen wärst. Du sprichst mit deinen Kollegen und man erzählt sich, was man erlebt und welche gefährlichen Momente man gehabt hat.»
«Ganz ehrlich, ich mag die gesamte Strecke, auch wenn ich von Whitegates, dem 13. Milestone, Laurel Bank, The Nook und Governors Bridge nicht sonderlich begeistert bin. Aber da geht es mir so wie vielen meiner Rennfahrerkollegen. Ich kenne niemanden, der The Nook und Governors gernhat», ist sich der 48-jährige Brite sicher.
«Union Mills»
«Wenn ich aus Union Mills hinausfahre, beginne ich mich zu entspannen. In meinen Augen ist die Linkskurve dort super, super wichtig. Deswegen gehe ich die Rechtskurve davor etwas langsamer an. Wenn du an dieser Stelle zu viel riskierst, trägt es dich nach außen und du verlierst in der folgenden Links den ganzen Schwung Richtung Ballahutchin.»
«Jeder will aus Union Mills so viel Speed mitnehmen wie möglich. Dies ist besonders dann wichtig, wenn du jemanden unmittelbar vor dir hast, den du überholen willst. Das ist der erste Punkt nach dem Start, wo du nach dem höllischen Beginn durch Bray Hill etwas relaxen kannst, das versuche ich mir auch immer wieder vor Augen zu führen.»
«Glenduff»
«An dieser Stelle hatte ich einen meiner gefährlichsten Momente. Es war 2005 während des Supersport-Trainings. Ich hatte ohne Vorwarnung fürchterliches Lenkerschlagen. Es ging nur bang, bang, bang. Der Lenkungsdämpfer und das Chassis sind dabei gebrochen. Ich war nur noch Passagier und hätte mir beinahe in die Hosen gemacht.»
«Die Leute haben damals nur mit dem Kopf geschüttelt und mir zugewunken. Gottlob war es das einzige Mal, dass ich dieses brutale Lenkerschlagen hatte. Es war schrecklich, absolut furchterregend! Ich habe versucht, eine glatte Linie zu finden, aber die gibt es nicht. Du stehst bis Ramsey wie beim Moto-Cross in den Fußrasten.»
«Du musst hier sehr ökonomisch fahren. Viele Fahrer stecken so viel Energie hinein, dass sie sich verausgaben und nicht richtig atmen können. Man kann es ihnen aber nicht wirklich erklären, das muss von selbst kommen. Ich habe meinen Fahrstil im Lauf der Zeit angepasst. Oft setze ich mich nur auf, um meinen Körper als Luftbremse zu benutzen.»
«Sulby-Straight»
«Auf der langen Sulby-Geraden kann man sich wieder ein bisschen ausruhen. Man hat davor hart geschuftet und weiß, dass der nächste Abschnitt wieder schwierig sein wird. Ich versuche ruhig zu atmen und meine Finger und Zehen zu bewegen, damit sie wieder gut durchblutet werden. Das ist lediglich ein einfacher Prozess, keine Raketenwissenschaft.»
«Man muss sich während des Rennens immer wieder auf die Atmung konzentrieren, damit genügend Sauerstoff ins Blut kommt, denn sobald Milchsäure in deine Muskeln einschießt, ist es vorbei. Dann beginnen nämlich deine Gedanken nur noch um dieses Problem zu kreisen und es wird gefährlicher als es ohnedies ist.»
Wie stark die körperlichen Strapazen bei einem Rennen auf dem Snaefell Mountain Course ist, zeigen die Beschwerden nach dem 14-tägigen Aufenthalt auf der nur etwa 572 Quadratkilometer großen Insel zwischen Großbritannien und Irland, die abseits der Tourist Trophy und der Classic TT bzw. dem Manx Grand Prix eine beschauliche Steueroase ist.
«Bei den Langstrecken-Rennen habe ich meine Hände immer getapt, bei der Tourist Trophy mache ich es nicht. Ich habe es versucht, aber es hat sich eigenartig angefühlt und das Tape hat sich auch gelöst. Am Ende der Rennwoche habe ich auf meiner linken Hand keine Haut mehr und sie blutet. An meiner rechten Hand habe ich diese Probleme nicht.»
«Neben Rücken- und Nackenschmerzerzen wegen des Gegenwindes hatte ich Brandblasen am Ballen meines rechten Beins, weil manche Motorräder unglaublich heiß werden, ich meine Fußbremse nicht betätige und das gesamte Rennen auf dem Fußraster stehe. Alpinestar hat mir einen speziellen Stiefel mit einer dickeren Sohle und einem Hitzeschild gemacht.»