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TT: Die Jahre der Weltmeisterschaft

Von Helmut Ohner
Die Zuschauer sind immer in Griffweite

Die Zuschauer sind immer in Griffweite

Seit 1907 gibt es die Motorrad-Rennen auf der Isle of Man. Wie lange wird der «Mythos Tourist Trophy» noch weiterleben? Lesen Sie Teil 3 der Geschichte der TT.

Europa lag nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Trümmern und die Menschen hatten wahrlich andere Sorgen als an Motorradrennen zu denken. Trotzdem gab es auf der Isle of Man bereits Leute, die an der Wiederbelebung «ihrer» Tourist Trophy arbeiteten. Trotz zahlreicher Widrigkeiten, Öl und Benzin waren rationiert und Reifen kaum zu bekommen, dröhnten bereits 1947 wieder die Motore.

Die alte Garde der Motorradrennfahrer, die durch die Kriegswirren teilweise um ihre besten Jahre gebracht wurden, übernahm sofort das Kommando. Auch nach der Einführung der Weltmeisterschaft im Jahre 1949 durch die FICM (heute FIM) beherrschten erfahrene Piloten wie Freddie Frith, Harold Daniell, Maurice Cann, Artie Bell oder Manliff Barrington die Szene. Doch die jüngere Generation begann schon kräftig an deren Thron zu rütteln.

1950 schob sich bei der TT mit Geoff Duke ein Fahrer in den Blickpunkt, der mit seinem makellosen Fahrstil viele Fans gewinnen konnte. Der damals 27-jährige wurde neben den Arrivierten Artie Bell, Harold Daniell und Johnny Lockett ins dominierende Norton-Werksteam aufgenommen und lieferte im Senior-Rennen einen sensationellen Einstand. Der Neuling führte vom Start bis ins Ziel, stellte einen neuen Runden- und Streckenrekord auf und verwies seine höher eingeschätzten Teamkollegen eindrucksvoll auf die Plätze. Ein neuer TT-Star war geboren! Insgesamt trug sich Duke noch weitere sechs Mal in die Siegerliste ein. Nach seiner Karriere blieb er auf der Isle of Man und gründete die Duke Marketing Ltd, die sich auf die Produktion von Renn-Videos spezialisierte.

Bis 1952 war es deutschen Piloten als Kriegsverlierer verboten, an internationalen Rennen teilzunehmen. 1953 kehrten die deutschen Motorrad-Marken BMW, DKW und NSU mit viel Engagement und Ehrgeiz auf die Insel zurück. Während Walter Zeller (BWM) in der Senior-TT in aussichtsreicher Position stürzte, schaffte Werner Haas auf NSU zwei zweite Plätze (Klasse 125cc und 250cc) und Siegfried Wünsche brachte seine DKW auf den dritten Rang (250cc). Am Ende des Jahres durfte sich ganz Deutschland über einen Doppel-Weltmeister namens Haas freuen.

1953 erfüllte sich auch das Schicksal von Leslie Graham. Der erste Weltmeister der Halbliterklasse wünschte sich nichts sehnlichster als einen Sieg auf der Isle of Man. Tatsächlich gelang es dem Briten auf der MV Agusta das 125er-Rennen für sich zu entscheiden. Doch nur einen Tag später verunglückte Graham im Senior-Rennen tödlich. In der Senke von Bray Hill raste er in die Steinmauer. Die Ursache seines verhängnisvollen Sturzes blieb rätselhaft, doch man vermutete einen Bruch der Vorderradschwinge.

Im Jahr darauf wollte es NSU genau wissen. Bereits im März kam die Mannschaft zu einem Privattraining auf die Insel, um sich die schwierige Strecke einzuprägen. Für den jungen Österreicher Rupert Hollaus war es überhaupt der erste Kontakt mit dem spektakulären Kurs.

Der Einsatz zahlte sich aus. In der Lightweight-TT feierte man mit Haas, Hollaus, Reginald Armstrong und H. P. Müller einen Vierfachsieg. Die Ultra-Lightweight-Klasse, die allerdings auf dem kürzeren Clypse-Kurs ausgetragen wurde, entschied Hollaus nach hartem Kampf mit Carlo Ubbiali für sich. Hans Baltisberger brachte seine Rennfox auf den vierten Platz.

1954 fand nach 29 Jahren auch wieder ein Seitenwagen-Rennen statt. Nur im ersten Jahr konnte ein Norton-Gespann (Oliver/Nutt) siegen, danach begann die unglaubliche Siegesserie von BMW. Bis zum Ende der Rennen mit WM-Status im Jahre 1976 holten Walter Schneider, Max Deubel, Siegfried Schauzu und Klaus Enders, um nur einige zu nennen, für das bayrische Werk 26 Siege!

Eine besondere TT-Geschichte schrieb Florian Camathias im Jahre 1963. Bei der Anfahrt verweigerte das Transportfahrzeug des eigenwilligen Schweizers in Großbritannien seinen Dienst. Kurz entschlossen wurde das Gepäck auf dem Renngespann verstaut und Camathias, sein damaliger Beifahrer Alfred Herzig und der Mechaniker zogen des Weges. In Liverpool wäre die Fahrt fast zu Ende gewesen. Wegen der enormen Lärmentwicklung wollte ein Polizist das Trio stoppen. Als er hörte, dass sie die Fähre zur Isle of Man erwischen mussten, ließ er sie passieren. Die Sieger des Rennens hießen übrigens Camathias/Herzig!

Hatten in den ersten Jahren nach Wiederaufnahme der Tourist Trophy die britischen Einzylinder-Motorräder das Renngeschehen in den großen Klassen bestimmt, folgten dann jahrelang die italienischen Motorrad-Firmen mit ihren eleganten Mehrzylinder-Modellen.

Vor allem Bob McIntyre und John Surtees, 1964 auch Formel-1-Weltmeister, hießen damals die Protagonisten, die sich Ruhm und Ehre teilten.

Nach dem Rückzug von Mondial, Gilera und Moto Guzzi Ende der Fünfzigerjahre schickten sich die japanischen Hersteller an, die Motorradwelt in Europa zu erobern. Beim ersten Antreten von Honda 1959 wurde die Abordnung von vielen noch milde belächelt. Doch zu aller Überraschung holten sich die in Europa unbekannten Fahrer Giichi Suzuki, Seiichi Suzuki, Teisuke Tanaka, Naomi Taniguchi und Bill Hunt trotz mangelnder Streckenkenntnis den Fabrik-Mannschaftspreis im Rennen der Achtelliterklasse, wobei Taniguchi als Sechster sogar einen WM-Punkte ergattern konnte.

Bis zum ersten Einzelerfolg mussten sich die Japaner noch bis 1961 gedulden. Dem erst 21-jährigem Mike Hailwood gelang in den Klassen 125cc, 250cc und 500cc ein Hattrick, der noch keinem Fahrer vor ihm gelungen war.

Das war der Beginn einer einzigartigen Laufbahn, die nicht nur 14 Siege bei der TT, sondern auch neun WM-Titel bringen sollte. 1967 konnte der legendäre Brite ein weiteres Triple für Honda einfahren.

Auch Luigi Taveri konnte sich in die Siegerliste der TT eintragen. 1962 und 1964 gewann der drahtige Schweizer die Achtelliterklasse und 1965 auf einer Zweizylinder Honda die Klasse 50cc.

Die Sechzigerjahre waren überhaupt das «Goldene Zeitalter» für die Tourist Trophy. Fahrer wie Hailwood, Gary Hocking, Jim Redman, Phil Read und auch Giacomo Agostini lieferten sich unzählige denkwürdige Schlachten, ihre Fahrten glichen dem Ritt auf einer Kanonenkugel. Sie trieben sich gegenseitig zu immer eindrucksvolleren Rundenzeiten. Hatte 1957 ausgerechnet zum 50-Jahr-Jubiläum Bob McIntyre mit einer Zeit von 22:23,2 als erster Fahrer die Schallmauer von 100 Meilen/Stunde durchbrochen, lautete die Bestmarke von Hailwood zehn Jahre später bereits bei 20:48,8 (=173,809 km/h)!

Das beste Beispiel ist sicherlich das erbitterte Duell zwischen Hailwood und Agostini um den Sieg in der Senior-TT 1967. Hailwood, stets bemüht schon in der Startrunde sein Bestes zu geben, hatte soeben einen neuen Rundenrekord erzielt als er nach der dritten Runde mit seiner Honda an die Box stürmte, der Gasgriff hatte sich gelockert. Nach einer provisorischen Reparatur, die ihn elf wertvolle Sekunden gekostet hatte und Ago in Führung brachte, setzte «Mike the Bike» alles auf eine Karte. In einer wahnwitzigen Fahrt knabberte er Sekunde um Sekunde vom Vorsprung des fehlerlos fahrenden Italieners ab. In der fünften von sechs Runden waren beide wieder zeitgleich als Agostini mit einer gerissenen Antriebskette enttäuscht aufgeben musste. Der bei der entfesselnden Siegesfahrt erzielte Rekord von Hailwood sollte erst 1975 von Mick Grant auf einer Kawasaki 750 unterboten werden.

Nach dem Umstieg von Hailwood zum Automobilsport dominierte Agostini auf MV Agusta nach Belieben das Geschehen in der Junior- und Senior-TT. Der Liebling der weiblichen Zuschauer trug sich insgesamt zehn Mal in die Siegerlisten ein. Der Todessturz seines italienischen Kollegen Gilberto Parlotti 1972 veranlasste Agostini nie mehr an einem Rennen auf der Isle of Man teilzunehmen. Auch andere Spitzenpiloten schlossen sich diesem Boykott an und überließen die Tourist Trophy in den Soloklassen den Privatfahrern.

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