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Roger DeCoster: Was für MotoGP und Motocross gilt

Von Günther Wiesinger
Roger DeCoster mit den Red Bull-KTM-Piloten Marvin Musquin (links) und Cooper Webb sowie Robert Jonas (ganz rechts) und Pit Beirer (vorne)

Roger DeCoster mit den Red Bull-KTM-Piloten Marvin Musquin (links) und Cooper Webb sowie Robert Jonas (ganz rechts) und Pit Beirer (vorne)

«Viele Piloten sollten sich ein Beispiel an Marc Márquez nehmen», erklärt Roger DeCoster, der seit kurzem 75 Jahre alt ist – und trotzdem weiterhin hart für die Erfolge von KTM und Husqvarna in Amerika arbeitet.

Der fünffache 500-ccm-Motocross-Weltmeister Roger DeCoster feierte in der vergangenen Woche seinen 75. Geburtstag. Kein Grund, um sich zur Ruhe zu setzen: Als «Motorsport Director KTM/Husqvarna North America» ist er in Amerika für zahlreiche Erfolge in der Supercross-WM und Outdoor-Motocross Championship verantwortlich.

Die in der KTM Group vereinigten Fabrikate KTM und Husqvarna gewannen in Amerika trotz heftigster Bemühungen bis 2014 nie einen Titel in der 450-ccm-Supercross-Kategorie, sind aber jetzt unter dem DeCoster-Regime ungeschlagen:

2015: Ryan Dungey (KTM)
2016: Ryan Dungey (KTM)
2017: Ryan Dungey (KTM)
2018: Jason Anderson (Husqvarna)
2019: Cooper Webb (KTM)

Alle Beteiligten sind sich einig: Das hat viel mit der Expertise von Roger DeCoster zu tun, der mit 75 Jahren in der Szene immer noch immensen Respekt und hohes Ansehen genießt, auch wenn die aktuellen Stars in seiner erfolgreichen Ära noch gar nicht auf der Welt waren.

DeCoster war schon in seiner aktiven Ära ein vorbildlicher, freundlicher bescheidener Gentleman, eine einzigartige Persönlichkeit, er gewann in sechs Jahren als Suzuki-Werksfahrer fünf 500-ccm-WM-Titel; 1974 wurde er vom Finnen Heiki Mikkola (Husqvarna) auf Platz 2 verdrängt.

Der Ausnahmekönner (geboren am 28. August 1944) begann seine Profilaufbahn auf CZ in der Klasse bis 500 ccm. Er gewann die Belgische Meisterschaft 1966, mit 22 Jahren wechselte er in die WM, 1968 folgte der erste WM-Laufsieg.

Unglaublich: Von 1970 (dritter WM-Rang 250 ccm auf CZ) beendete DeCoster die Cross-WM bis inklusive 1978 immer in den Top-3.

Die Erfolgsbilanz:

1970: WM-Dritter 250 ccm (CZ)?
1971: Weltmeister 500 ccm (Suzuki)
1972: Weltmeister 500 ccm (Suzuki)
1973: Weltmeister 500 ccm (Suzuki)
1974: WM-Zweiter 500 ccm (Suzuki)?
1975: Weltmeister 500 ccm (Suzuki)
1976: Weltmeister 500 ccm (Suzuki)?
1977: WM-Zweiter 500 ccm (Suzuki)
1978: WM-Zweiter 500 ccm (Suzuki)

«Vor meiner letzten WM-Saison bin ich von Suzuki auf Honda umgestiegen. Ich lebe seither in Kalifornien und habe insgesamt 13 Jahre für Honda gearbeitet», erzählte Roger. «Mit 50 Jahren habe ich für sie noch Testfahrten gemacht. Damit habe ich längst aufgehört. Jetzt fahre ich in erster Linie Rennrad. Natürlich mit einem Renner von Eddy Merckx.»

Merckx ist eine weitere belgischer Sportlegende, er gewann fünfmal die Tour de France, dominierte den Giro, wurde Weltmeister, gewann alle Klassiker mehrmals und wurde «der Kannibale» genannt.

Roger DeCoster gab SPEEDWEEK.com bei einem seiner Besuche im MotoGP-Fahrerlager ein offenherziges Interview.

Roger, kann die Motocross-Szene etwas lernen von den MotoGP-Kollegen??

Die Unterschiede sind so groß… Aber für die Fahrer treffen dieselben Dinge zu wie im Motocross. Eine Sache bleibt immer gleich: Bei guten Fahrern, die es nicht ganz an die Spitze bringen, fehlt in beiden Disziplinen derselbe Bestandteil, das gilt auch für alle anderen Sportarten auf der Welt. ?

Jeder Sportler muss die Verantwortung für das übernehmen, was er tut. Der Fahrer muss selber die Verantwortung für seine Resultate tragen.

Wenn du nicht gewinnst, sollst du nicht irgendwo anders eine Ursache dafür suchen, warum du nicht gewonnen hast. Vergiss die Ausreden. Schau’ dich selber an! ?

Den Fahrern wird der Kopf verdreht, sobald sich die ersten Erfolge einstellen. Von ihren Freunden, von den Fans, von der Familie, das geht ganz rasch. Dann beginnen sie zu glauben, sie hätten es bereits geschafft. In Wirklichkeit sollten sie mit den Füßen auf dem Boden bleiben.

Viele Piloten sollten sich ein Beispiel an Marc Márquez nehmen. Er hat soooo viel Talent. Trotzdem schuftet er erbarmungsloser und emsiger als jeder andere. Und trotzdem ist er völlig bescheiden und bodenständig.?

Es gibt viele Beispiele von Fahrern, die viel Talent haben, es aber nicht optimal ausnützen...

Ja, ich kenne das. Für die Misserfolge sind alle anderen verantwortlich, nur nicht der Fahrer selber. ?

Bist du beeindruckt, wie stark die ehemalige Offroad-Firma KTM im Road Racing auftritt? 2012 war KTM mit drei Technikern im Ajo-Moto3-Team anwesend, inzwischen ist man im dritten Jahr in der MotoGP-Klasse dabei und bei jedem Grand Prix mit zirka 100 Technikern vor Ort.?

KTM ist ja eine relativ kleine Firma, wenn man sie mit den Japanern vergleicht. Aber was sie in der jüngsten Vergangenheit erreicht haben, ist sehr eindrucksvoll. KTM ist in so vielen Serien erfolgreich.

Pit Beirer hat gute Arbeit geleistet. ?

Man muss auch vor Firmenchef Stefan Pierer den Hut ziehen. Er ist es, der die Budgets freigibt, die nötig sind, denn der Wettbewerb auf diesem Niveau ist extrem kostspielig.

Pit Beirer hat einmal erwähnt, es sei recht hilfreich, wenn man einen starken Leader in der Firma hinter sich weiß.?

Als ich in den 1980er-Jahren bei Honda war, sind wir mehr gegen uns selbst gefahren als gegen die Mitbewerber. ?

Zuerst war dort Mister Soichiro Honda ein superstarker Leader. Sein Rennmanager Miyakoshi hat ebenfalls vorbildliche Arbeit geleistet. Er begann 1980. Er hat die Idee für die 500-ccm-Dreizylinder-Zweitakt-GP-Maschine gehabt. Dazu gab es Ing. Irimajiri. Er hat den Ovalkolben-Motor entwickelt. Er war wirklich clever, kein Manager, sondern Technical Director und Motor-Designer. ?

Auch Suzuki hatte Mitte der 1970er-Jahre starke Chefs und Manager. Ich erinnere mich an Mister Yokouchi. Er war sehr gut und sehr erfolgreich. Heute sehe ich bei Suzuki keine Topmanager mehr.

Suzuki ist nach 2011 für zwei, drei Jahre aus der MotoGP ausgestiegen, weil der V4-Motor zehn Jahre lang ein Flop war. Jetzt fehlen sie in der Superbike-WM und in der Motocross-WM.

Ja, schade. Sie haben einige sehr gute Ingenieure. Es gibt dort noch gute Leute. Aber sie haben keine Macht. ?

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