Der stärkste Beetle aller Zeiten sagt Goodbye
Goodbye für den VW Beetle
Ein großer Champion tritt ab: Nach fünf Jahren im Renneinsatz verabschiedet sich der Volkswagen Beetle aus der amerikanischen Rallycross-Szene. Mit fünf Fahrer-Titeln in Folge sowie zwei Marken-Meisterschaften für Volkswagen bestimmte der mit 412 kW (560 PS) stärkste Volkswagen Beetle aller Zeiten in der Global Rallycross Championship (GRC) und der Americas Rallycross (ARX) die Schlagzeilen in Übersee. Auf den spektakulären Rallycross-Pisten, einem Mix aus Schotter- und Asphaltpassagen und obligatorischem Sprung, fuhren sich die Beetle Piloten mit wilden Drifts und mehr als 30 Meter weiten Sprüngen in die Herzen der Fans. Mit einer Beschleunigung von null auf Tempo 100 in etwas mehr als zwei Sekunden und bei kompromisslosen Überholmanövern, die im dicht gedrängten Teilnehmerfeld nur selten ohne Rempler abliefen, hatte der Beetle meistens die Nase vorn.
Tanner Foust (USA) schloss jetzt die Erfolgsgeschichte des Beetle im Rallycross mit dem Gewinn des ARX-Titels 2019 ab. Zuvor hatte Scott Speed (USA) vier Meisterpokale für das Einsatzteam Volkswagen Andretti Rallycross geholt.
«Ein so sympathisches Auto wie den Beetle für den Kontaktsport Rallycross zu bauen, war für uns keine ganz alltägliche Aufgabe», erinnert sich Sven Smeets, Volkswagen Motorsport-Direktor, an die Anfänge des Projektes, das von Volkswagen of America 2014 ins Leben gerufen wurde. «Mit Allradantrieb und 560 PS unter der Haube ist der Beetle in die Geschichtsbücher des US-Motorsports gefahren. Mein Glückwunsch geht an das Team Volkswagen Andretti Rallycross, das mit dem Beetle fünf Jahre lang beinahe unschlagbar war.»
2015 zunächst unter dem Modellnamen Beetle GRC gestartet, absolvierte der zwischenzeitlich weiterentwickelte Beetle R in der Saison 2019 seine Abschiedstournee, maßgeblich unterstützt von der Volkswagen R GmbH. «Wir arbeiten eng mit Volkswagen Motorsport zusammen. Der Buchstabe R in unserem Firmennamen steht nicht von ungefähr für Racing. Die Siege des Beetle R haben dazu beigetragen, Bekanntheit und Image der Marke R in den USA zu stärken», begründet Jost Capito, Direktor Volkswagen R GmbH, das Engagement der Performance-Marke von Volkswagen in der amerikanischen Rallycross-Meisterschaft.
«Das ist ein fantastischer Abschluss der Rallycross-Ära mit dem Volkswagen Beetle», so Scott Keogh, CEO Volkswagen Group of America. «Wir sind begeistert, dass Tanner den Titel für Volkswagen und Andretti Rallycross gewonnen hat. Jeder Mitarbeiter wird diese Freude mit uns teilen. Der Beetle war ein großartiger Botschafter für den Sport und unsere Marke.»
Ehrgeiziges Projekt von Volkswagen of America
Die hauptsächlich in den USA ausgetragene Global Rallycross Championship (GRC) erfreute sich großer Beliebtheit besonders bei einem jungen Publikum. 2014 reifte bei Volkswagen of America der Plan, diese Bühne zu nutzen. «Volkswagen war damals mit dem Polo R WRC in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft sehr erfolgreich. Rallycross war für uns die ideale Alternative, die Marke Volkswagen im amerikanischen Motorsport zu präsentieren», erinnert sich Jost Capito, seinerzeit Volkswagen Motorsport-Direktor in Hannover.
Die Ingenieure um Projektleiter Eduard Weidl und Donatus Wichelhaus, damals Leiter der Motorenentwicklung bei Volkswagen Motorsport, entwickelten eine Rallycross-Version des Beetle. Zugute kam ihnen dabei, dass 2014 die vom Reglement vorgegebenen Eckdaten für ein World Rally Car wie den Rallye-Weltmeister Polo R WRC und ein Rallycross-Fahrzeug wie den Beetle GRC ähnlich waren: Allradantrieb mit ausschließlich mechanischen Differenzialen an Vorder- und Hinterachse, sequenziell geschaltetes Sechsgang-Getriebe, Mindestgewicht knapp über 1.200 Kilogramm.
So konnten die Ingenieure von Volkswagen Motorsport in vielen Bereichen auf bewährte Technologie zurückgreifen. «Den Motor des Beetle haben wir beispielsweise auf Basis des Triebwerks des Polo R WRC entwickelt. Auch die Radaufhängungen konfigurierten wir aus Komponenten, die bereits existierten. Beim Getriebe setzten wir auf im Rallycross bewährte Bauteile», beschreibt Weidl. «Die Stoßdämpfer waren dagegen eine Eigenentwicklung. Die große Herausforderung für uns war, daraus ein konkurrenzfähiges Gesamtpaket zu schnüren.»
Eine spannende Aufgabe war außerdem die Adaptierung des Paketes auf die höhere Motorleistung. Der Polo R WRC feierte insgesamt zwölf Rallye-Weltmeister-Titel mit einem rund 232 kW (315 PS) starken 1,6-Liter-Triebwerk. Mit diesem Motor absolvierte eine Versuchsversion des Beetle GRC in der GRC-Saison 2014 drei Testeinsätze. Beim fertig entwickelten Beetle GRC kam ab 2015 dagegen ein Zweiliter-Vierzylinder mit satten 412 kW (560 PS) Leistung zum Einsatz.
Ein echter Erfolgstyp: Siegquote 75 bis 100 Prozent
Die technische Basis bildete jedoch nur die halbe Miete, den restlichen Anteil übernahmen mit dem Kalifornier Scott Speed und dem aus Denver (Colorado) stammenden Tanner Foust zwei echte Kerle des Motorsports – beide beliebt bei den Fans, äußerst schnell und robust im Zweikampf. Speed ist ehemaliger Formel-1- und NASCAR-Pilot, Foust hat sich weltweit einen Namen gemacht als Stuntfahrer in zahlreichen Kinohits und als Moderator der US-Ausgabe der Kultserie «Top Gear». Außerdem gewann er die GRC in den Jahren 2011 und 2012.
Der Beetle GRC eroberte die amerikanische Rallycross-Szene im Sturm. Mit seinem unverwechselbaren Design, durch wuchtige Kotflügelverbreiterungen und den großen Heckflügel noch spektakulärer geformt, war er im Teilnehmerfeld schon optisch eine Ausnahmeerscheinung. Der aggressive Sound des Turbomotors sorgte für die passende akustische Untermalung. Ein Auftritt, der nicht zu viel versprach. Bereits in der Premierensaison 2015 ging der Fahrer-Titel prompt an Speed, 2016 und 2017 obendrein die Vizemeisterschaft an Foust und der Marken-Titel in beiden Jahren an Volkswagen. Dazu schnappte sich Speed auch den prestigeträchtigen Sieg im Rallycross-Wettbewerb bei den X Games in Austin (Texas).
Klingt nach Dominanz? Nicht ganz: Denn hinter den nackten Zahlen stecken zahlreiche dramatische Renngeschichten von Rückschlägen, heroischen Mechanikerleistungen, brillanten Sekundenentscheidungen der sogenannten Spotter und der Ingenieure des Teams Volkswagen Andretti Rallycross und hart, aber fair geführten Duellen um Siege und Platzierungen.
Auch als sich 2018 die Americas Rallycross (ARX) neu formierte, wurde die Erfolgsgeschichte des Beetle fortgeschrieben. Volkswagen Motorsport schickte den weiterentwickelten Beetle R in die USA. Prompt holte Speed den vierten Meistertitel in Folge. Nicht, ohne sich auch diesmal ein beinhartes Duell unter anderem mit seinem Teamkollegen Foust um die neue Krone im Rallycross zu liefern, Happy End in Austin (Texas) inklusive. 2019 bildete ebenfalls ein abwechslungs- und geschichtenreiches Jahr, in dem Tanner Foust – mit dem mittlerweile nach Motorsport-Maßstäben im fünften Wettbewerbsjahr äußerst betagten Beetle R – zum ersten Mal Meister wurde. Nach kämpferischen Leistungen gegen das Werksteam von Subaru, einem holprigen Start in die Saison und einer perfekten zweiten Saisonhälfte. Sein neuer Teamkollege Cabot Bigham, ein Aufsteiger und Youngster aus der Nachwuchsserie ARX-2, belegte den siebten Gesamtrang.
Mit dem Titel für Foust feiert der Beetle einen gebührenden Abschied aus dem Rallycross. Andretti Motorsport, das Team von Michael Andretti, dem Sohn des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Mario Andretti, hat schon eine ganze Reihe von Fahrzeugen in unterschiedlichsten Rennserien eingesetzt. Fünf Titel in Folge, wie zwischen 2015 und 2019 der Volkswagen Beetle, hat aber noch keines davon gewonnen.