24h Le Mans: Was erwartet Sie im anstehenden Rennen?
Die diesjährige Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans ist eine ganz merkwürdige Ausgabe. Das betrifft besonders den Kampf um den Gesamtsieg. Mit Toyota tritt 2018 nur noch ein einziges Werksteam in der großen Klasse an – das gab es zuletzt 2006 (als Audi die Diesel-R10 an die Sarthe brachte). Somit steht das Rennen unter komplett anderen Vorzeichen als zuletzt. Toyota ist der haushohe Favorit und den privaten Konkurrenten in eigentlich allen Bereichen total überlegen. Alles andere als ein Toyota-Sieg wäre mehr als eine faustdicke Überraschung. Doch genau diese Situation erzeugt mächtig Druck auf die Protagonisten im japanischen Lager. Die Nervosität bei Fahrern bzw. Management ist förmlich zu spüren und die Zündschnur scheint recht kurz zu sein. Fast wirkt es so, als ob Toyota regelrecht Angst davor hat, dass nicht doch wieder etwas komplett Unvorhergesehenes passiert.
Doch genau dass könnte die Chance der privaten Konkurrenten sein. Denn nur mit einem freien Kopf kommt man in Le Mans erfolgreich über die 24-Stunden-Distanz. Zusätzlich hat sich Toyota (ohne sportliche Not) noch einen Risikofaktor eingekauft. Nicht falsch verstehen: Fernando Alonso gehört zu den zwei besten Rennfahrern auf der Welt. Doch in Le Mans ist er ein Rookie. Der Spanier kann in Magny-Cours, Portimão oder im Motorland Aragón noch so viele Testrunden gedreht haben – Le Mans ist eine ganz andere Sache. Überrundungsverkehr mit 59 anderen Wagen, die teilweise von übermotivierten Piloten gefahren werden, erfordern Routine. Dazu kommen alle Risiken der schlechten Sicht in der Nacht und die in Le Mans immer latent schwelende Regengefahr. Alles das birgt Unwägbarkeiten, die es mental zu managen gilt.
Die Situation ist ganz klar. Wenn Toyota ohne Probleme durchkommt, gibt es erstmals seit Mazda 1991 wieder einen japanischen Sieg in Le Mans. Einfach schon aufgrund dessen, dass der Speed-Vorteil der TS050 Hybrid zu groß ist. Somit sind Rechenexempel an dieser Stelle müßig. Darüber hinaus werden sich die anderen LMP1 im Rennen sicherlich nicht mit Ruhm bekleckern. Bei Ginetta dürfte die eigene Verwunderung groß sein, wenn die beiden G60-LT-P1 bei der 6-Stunden-Marke noch in Schlagdistanz sein sollten. Die BR1 hatten in den Trainingstagen ebenfalls schon mit technischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen, und ByKolles ist immer für einen Ausfall gut. Ob nun die beiden R13 von Rebellion 24 Stunden lang fighten können, muss sich auch erst noch herausstellen. Zwar basieren diese Wagen auf dem stabilen Oreca LMP2, doch ihre wirklich ersten Testkilometer auf der Strecke haben die Rebellion erst im April zurückgelegt. Da gibt es immer noch genug offene Themen, mit denen die angloschweizer Mannschaft ins Rennen gehen wird.
Es ist also nicht ganz ausgeschlossen, dass 2018 in Le Mans vielleicht ein LMP2 ganz oben stehen könnte. Die kleinen Prototypen sind 'bulletproofed' und fast durchweg mit starken Piloten besetzt. Außerdem haben die LMP2 mit Zeiten bis in den 3:24er Bereich gezeigt, dass sie ihren großen Brüdern nicht mehr wirklich nachstehen.
Zu der GTE-Klasse gibt es nichts sonderliches hinzuzufügen. Am Freitag kam die dritte BoP (Balance of Performance) für das diesjährige Le-Mans-Event herein geflattert. Mit an Sozialismus erinnernden Methoden versuchen die Veranstalter zwanghaft, alle Autos irgendwie gleich zu bekommen. Letztendlich treten im Rennen 17 Pro-Autos der Hersteller Aston Martin, BMW, Corvette, Ferrari, Ford und Porsche an. Über die Distanz werden einige davon mit Problemen zurückfallen und andere komplett ausfallen. Und am Ende siegt dann derjenige, der am besten durchgekommen ist. Das kann letztendlich jeder der 17 Wagen sein.