24h Le Mans: Nachlese vom Langstrecken-Klassiker
In der Startaufstellung der 24h von Le Mans war auch 2019 wieder einiges los
Die 87. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans wird sicherlich nicht als der ganz große Motorsport-Knaller in Erinnerung bleiben. Denn dafür klaffte die Performance zwischen den beiden siegreichen Toyota und der restlichen Konkurrenz einfach zu sehr auseinander. Die japanischen Werkswagen fuhren ihr eigenes Rennen an der Spitze und dominierten nach Belieben.
Für Toyota gab es folglich den fest eingeplanten Doppelsieg - nach 2018 nun schon der zweite in Folge. Und nach Mazda 1991 stand somit zum dritten Mal ein japanischer Hersteller ganz oben auf dem Podium an der französischen Sarthe. Alles andere als ein Toyota-Triumph wäre aber auch eine fette Blamage geworden.
Während die Toyota locker ihre Kreise um die 13,626 Kilometer lange Strecke drehten, hatten viele Zuschauer den einen oder anderen gelangweilten Blick von sich gegeben. Richtig spannend wurde des höchstens gut eine Stunde vor Rennende, als der in Führung liegende José María López nach einer Plattfuß-Meldung im Display seines TS050 die Box ansteuerte - dort jedoch den falschen Reifen gewechselt bekam. Als eine Runde später nochmals nachgelegt werden musste, war der Sieg für den Argentinier und seine Wagenpartner Mike Conway, Kamui Kobayashi futsch. Die Aktion erinnerte ein wenig an einen Zahnarzt aus dem Mittelalter, der die Zange am gesunden Zahn angesetzt hatte.
Ohne auf Toyota zu schauen, fuhr der BR1 von Mikhail Aleshin, Vitaly Petrov und Stoffel Vandoorne einen sauberen dritten Platz ein. Das russische Fahrzeug kam einigermaßen unbeschadet über die Distanz, was in dieser Form nicht unbedingt zu erwarten war. Vor allem der eher fragile AER-Turbo-Motor stand in der Vergangenheit des öfteren in der Kritik. Der Abstand von fünf Runden auf die Spitze stellt die Realität in den Versuchen zum Finden einer passenden Einstufung zwischen Hybrid und Nicht-Hybrid dar.
Grundsätzlich sind die Privatwagen aber mittlerweile an ihre Performance-Grenze gekommen. Schneller können sie eigentlich nicht mehr gemacht werden - und schneller sollten sie auch nicht mehr werden. Die private Bestzeit setzte BR-Pilot Egor Orudzhev in der Qualifikation mit 3:16,159 Minuten. Diesen Wert konnten selbst Audi und Porsche mit ihren futuristischen Hybrid-Rennern nie in Le Mans erreichen. (Neel Jani schaffte 2015 im Porsche 919 eine 3:16,887 Minuten). Ein ehemaliger LMP1-Fahrer äußerte gegenüber SPEEDWEEK.com auch Bedenken, sich freiwillig in einen privaten LMP1 zu setzen.
Stark präsentierte sich auch die LMP2-Klasse: Noch bis in die neunte Rennstunde lagen alle gestarteten 20 kleinen Prototypen vor dem GTE-Feld. Das belegt die Qualität, die in der Kategorie inzwischen herrscht. Dass am Ende unter den ersten Elf der Klasse wieder neun bei Oreca gebaute Fahrzeuge lagen, zeigt aber auch die Einseitigkeit der LMP2 unmissverständlich auf.
Interessant ging es auch in der GTE-Klasse zu. Porsche, Ferrari und Corvette lagen (dank der BoP) auf Augenhöhe. Ford befand sich dicht auf, Aston Martin und BMW wirkten verloren. Dass am Ende die Italiener jubeln durften, passt ins Bild der aktuellen BoP-Politik: 2018 siegte Porsche, 2017 Aston Martin, 2016 Ford, 2015 Corvette und 2014 dann letztmals Ferrari. Jeder darf mal oben stehen und seine Vorstände glücklich machen.
Unerwartet ging es dagegen in der GTE Am zu. Auf den Sieg des Ford GT von Keating Motorsports von Jeroen Bleekemolen, Felipe Fraga und Ben Keating haben nur die Wenigsten gesetzt. Für Motorsport-Enthusiast Ben Keating ist es ein ganz besonderer Triumph. Der 47-jährige Herrenfahrer trat bereits zum fünften Mal in Le Mans an und versuchte sich stets mit einem anderen Fahrzeug. Das ist der wahre 'Spirit of Le Mans'.
Einen leichten Rückgang gibt es in Le Mans weiterhin bei den Zuschauerzahlen zu verzeichnen. Der ACO vermeldete die Zahl von 252.000 Besuchern. (Dieser Wert bezieht sich übrigens auf das ganze Wochenende. Die Veranstaltungstage werden also kumuliert.) 2018 haben sich noch 256.900 Interessierte das Treiben an der französischen Sarthe vor Ort angeschaut. 2017 waren es 258.500 und im Jahr davor 263.500 Zuschauer.
Mittlerweile (oder vielleicht deswegen) hat der ACO auch seine harte Hand gegenüber den Zuschauern etwas zurückgenommen. So war es den Fans in den letzten Jahren stets untersagt, eigenes Bier mit an die Strecke zu nehmen. Dies stieß teilweise auf Unverständnis in der Anhängerschaft. Nicht wenige langjährige Begleiter haben dem Klassiker dadurch zuletzt den Rücken gezeigt. 2019 wurden die Taschen tatsächlich nur noch auf Glas kontrolliert und eben nicht mehr auf Gerstensaft. Das sorgte wieder für bessere Stimmung auf den Rängen - selbst bei dem an der Spitze so zähen Rennverlauf.