24h Le Mans: Wie wird es mit der Renntaktik?
Nicht nur beim Porsche Team kommt es auf die richtige Boxen-Strategie an
Die 84. Auflage der glorreichen 24 Stunden von Le Mans steht nun unmittelbar bevor. Und das diesjährige Rennen an der französischen Sarthe hat grosses Potential, ein echter Knaller zu werden. Das hat schon die Qualifikation gezeigt, in der Audi, Porsche und Toyota ganz eng beisammen waren.
Grundsätzlich haben sich die Langstrecken-Rennen in den vergangenen Jahren (verglichen mit der Vergangenheit) einen anderen Charakter bekommen. Während bis in die späten 1990er Jahre (nach der schnellen ersten Rennstunde, die immer von den grossen TV-Sendern übertragen wurde) auf jeden Fall noch materialschonendes Fahren in der Renntaktik stand, ist seit geraumer Zeit 24 Stunden volle Pulle angesagt. «Es ist heutzutage ein 24-Stunden-Sprint», haben so ziemlich alle teilnehmenden Piloten mindestens einhundert Mal, in der vergangenen Woche zu Protokoll gegeben. Bestes Beispiel: Der Rennausgang von 2011. Damals gewannen Marcel Fässler, André Lotterer und Benoît Tréluyer (Audi) mit lediglich 13,854 Sekunden Vorsprung.
Ganz klar: Es kommt auch in diesem Jahr auf Nuancen an, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Wann macht es Sinn, eine kleine Reparatur durchzuführen? Wie positioniere ich das Auto während einer Safety-Car-Phase? Welcher Fahrer kommt zu welcher Rennsituation ins Fahrzeug? Dies sind nur einige der Fragen, welche die Renn-Taktiker der einzelnen Teams auf dem Schirm haben müssen.
Wichtig ist auch die genaue Reifen- und Sprit-Strategie. Seit dem neu eingeführten technischem Reglement aus dem Jahre 2014 ist in der LMP1-Klasse die Stint-Länge der einzelnen Konzepte vorgegeben. Denn pro Runde ist der Kraftstoff-Verbrauch anhand der MJ-Unterklasse gedeckelt. Und genauso steht auch das Tank-Volumen fest (Benziner 62,5 L – Diesel 49,9 L). Für Porsche und Toyota ergibt sich somit eine Stint-Länge von 14 Runden unter 'normalen Rennbedingungen' – für Audi aber nur von 13 Runden. Kalkulation: 2015 hatte der Sieger-Wagen 395 Runden absolviert. Das wären (von der reinen Theorie her) umgerechnet auf dieses Jahr 28 Stopps für Porsche und Toyota – und 30 für Audi. Oder anders gesagt: Audi müsste zwei Tankstopps (ca. zwei mal 50 Sekunden) herausfahren, um mit den Benzinern auf einem Niveau zu sein.
Auch der richtige Moment für den Reifenwechsel will gut überlegt sein. Aufgrund des guten und ebenen Asphalts und der langen Geraden können in Le Mans Vierfach-Stints mit den Pneus gefahren werden – vor allem in der (etwas kühleren) Nacht. Gemäss Daten von Porsche verlieren die Reifen bis hin zum Ende ihrer Nutzungsdauer ca. 1,6 Sekunden pro Runde. Natürlich bauen die Reifen über die vier Stins nicht linear ab, doch multipliziert man die 1,6 Sekunden mit den 14 Runden eines Stints, so kommt man auf einen Zeitverlust von 22,4 Sekunden durch die verbrauchten Reifen. Und das ist in etwa genau die Zeit, um wie viel ein Boxenstopp länger dauert, wenn nach dem Tankvorgang auch noch Reifen gewechselt werden. Oder anders herum ausgedrückt: Der genaue Messwert der jeweiligen Reifenabnutzung entscheidet darüber, ob nach dem dritten noch ein vierter Stint mit den Reifen in Angriff genommen wird.
All diese Überlegungen werden natürlich über den Haufen geworfen, sobald es während des Rennens anfangen sollte zu regen. Denn dann kommen wieder ganz andere Überlegungen ins Spiel der Strategen. Welche Reifen zu welchen Zeitpunkt? Wie gross ist die Abnutzung der verschieden Pneu-Varianten, bei welcher Pisten-Beschaffenheit? Welcher Pilot fährt im Regen besser? Und so weiter…
Es steht also ein spannendes 24-Stunden-Rennen von Le Mans bevor.