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Domi Aegerter: Die 38-sec-Strafe kam nicht unerwartet

Kolumne von Günther Wiesinger
Domi Aegerter hätte den MotoE-Weltcup gestern nicht gewonnen, wenn Torres hinter ihm auf Platz 2 gelandet wäre. Nicht die 38-sec-Strafe kostete ihn den Titel, sondern die rücksichtslose Fahrweise.

Nach dem spektakulären Finish des siebten und letzten MotoE-Weltcup-Rennens auf dem Misano World Circuit gingen die Wogen hoch. Denn Domi Aegerter kollidierte in der letzten Runde beim ziemlich optimistischen Überholmanöver mit dem spanischen Weltcup-Leader Jordi Torres aus dem Team von Ex-Weltmeister Sito Pons.

Aegerter rauschte innen mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kurve 14, konnte seine Linie nicht halten, Torres richtete seine Maschine auf, er konnte aber die Kollision mit Aegerter nicht vermeiden, er ging zu Boden. Der Schweizer aus dem Dynavolt Intact GP-Team donnerte zwar als Sieger über den Zielstrich. In der Intact-Box brach Jubel über der vermeintlichen Weltcup-Sieg aus.

Doch der Wettstreit war mit der Zieldurchfahrt noch nicht beendet. Aegerter, mit acht Punkten Rückstand auf Torres ins siebte und letzte Rennen gestartet, rechnete mit 25 Punkten für den Sieg. Torres rappelte sich auf und landete noch auf Rang 13, das ergab drei karge Punkte. Teamkollege und Nachzügler Jasper Iwema hatte noch auf ihn gewartet und ihm einen Punkt geschenkt.

Aber für die meisten Experten war klar: Das Manöver von Aegerter in der Zielkurve der achten Runde wird vom «FIM MotoGP Stewards Panel» unter die Lupe genommen und untersucht.

Stefan Bradl, Moto2-Weltmeister 2011: «Die Aktion war von Domi war etwas hart. Es war klar, dass er eine Strafe bekommt.»

Die FIM-Stewards brummten Aegerter einen «Ride Through Penalty» auf, also eine Boxendurchfahrtsstrafe, und da er diese Strafe nicht mehr absolvieren konnte, wurden zu seiner Rennzeit 38 Sekunden addiert. Das warf ihn vom 1. auf den 12. Platz zurück – 4 statt 25 Punkte. Der Cup-Sieg ging um 7 Punkte an Torres verloren, der den Weltcup auch 2020 gewonnen hat.

Das Intact-Team und Aegerter haderten dann mit ihrem Schicksal. Torres sei Aegerter ins Hinterrad gefahren, stand in der Pressemitteilung des Teams. Schwer möglich, da Torres als Erster in die Kurve 14 eingebogen ist.

Aegerter habe den Gesamtsieg am grünen Tisch verloren, wurde gejammert. Nein, er hat ihn auf der Rennstrecke verloren.

Denn Domi bog auf der 260 kg schweren Energica Corse-Elektrobike viel zu schnell ein, die Kollision mit dem routinierten Jordi Torres (er ist auch Moto2-GP-Sieger und Superbike-WM-Laufsieger) war unvermeidlich.

Außerdem darf man in der Hitze des Gefechts nicht vergessen: Der Sieg hätte Domi Aegerter nicht zum Weltcup-Sieg verholfen, wenn Torres auf Platz 2 gelandet wäre. Er hätte damit nur den Rückstand von 8 auf 3 Punkte verkürzt.

Der Schweizer hatte nur eine Titelchance, wenn er Torres in der Zielkurve aus dem Weg räumte.

Das haben offenbar auch die unabhängigen FIM-Stewards mit dem dreifachen Weltmeister Freddie Spencer an der Spitze so gesehen.

Domi Aegerter war im Vorjahr Cup-Dritter, jetzt Zweiter, 2022 bietet sich vielleicht eine weitere Chance.

Im vierten Jahr werden die Verantwortlichen bei Intact vielleicht auch kapieren, dass es sich bei der MotoE-Serie nicht um eine Weltmeisterschaft handelt, wie in der Team-Kommunikation fälschlicherweise dauernd behauptet wird.

Der sonst sportlich so faire Sportsmann Domi Aegerter sollte in sich gehen und nicht die ganze Schuld auf andere schieben. Er wird gut daran tun, sich jetzt ganz auf den Gewinn der sportlich wesentlich wertvolleren Supersport-WM zu konzentrieren, die er mit 45 Punkten Vorsprung souverän anführt. 

Natürlich hätte sich Torres aus Rücksicht auf den Gesamtsieg gestern mit Platz 2 hinter Aegerter begnügen können.

Aber er wollte den Titelgewinn mit einem Sieg krönen – im Stil eines wahren Champions.


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