Heinz Kinigadner/KTM: «Rallye-WM wird zu gefährlich»
Heinz Kinigadner
Der Tiroler Heinz Kinigadner, 250-ccm-Motocross-Weltmeister 1984 und 1985 auf KTM, Entdecker von Dakar-Sieger «Hiasi» Walkner und Berater des österreichischen Motorradherstellers KTM, macht sich ernsthafte Sorgen um den Motorrad-Rallye-Sport und dessen Zukunft.
Red Bull-KTM hat zwar die Cross-Country-WM 2018 mit Toby Price gewonnen. Aber der Zustand dieser Offroad-Rennserie gibt dem Tiroler zu denken.
Heinz, du hast dir besonders wegen der zwei Wettbewerbe in Südamerika den Kopf zerbrochen?
Ja, es geht um die zwei WM-Läufe in Chile und Argentinien. Sie haben eine Woche gedauert. Es gab jeweils 22 Teilnehmer, zwischen den Veranstaltungen gab es eine Woche Pause, die Teams waren drei Wochen lang unterwegs.
Und es gab bei den Spitzenfahrern sechs wirklich Schwerverletzte.
Das heißt: Die Rallye-Szene ist im Moment brutal ungesund. Richtig ungesund.
Wenn da die Verantwortlichen nichts dagegen unternehmen…
Das Problem ist: Es wird inzwischen so extrem schnell gefahren. Und wir haben von der Fahrerqualität im Rallye-Sport jetzt ein so hohes Niveau erreicht…
Die springen jede Düne – und wissen aber nicht, was dahinter ist.
?Das ist gestört.?Wir warten alle drauf, dass etwas passiert, bei dem wir dann nimmer sagen: «Es ist schlimm.» Irgendwann wird etwas passieren, was zu schlimm wäre.?
Welche Lösungen schweben dir vor??
Alle Lösungen und Vorschläge, die wir eingeleitet haben, dass die Motorräder zum Beispiel nicht mehr so große Tanks draufhaben dürfen, dass sie leichter werden müssen, weil das hohe Gewicht viele Unfälle versursacht hat, haben dazu geführt, dass sie schneller fahren…
Wir haben jetzt Tanks mit 30 oder 31 Litern, früher wurde mit bis zu 50 Litern gefahren.
Jetzt werden die Bikes beim Tanken nur ca. 30 kg schwerer statt 50 Liter, also steigen die Geschwindigkeiten.?
Der Hubraum wurde längst von 650 ccm auf 450 ccm gesenkt. Zweizylinder sind verboten. Früher ist BMW sogar mit 1100-ccm-Boxermotoren nach Dakar gestürmt…
Ja, aber wir haben trotzdem 72 bis 73 PS. Inzwischen fahren wir wie früher mit der 650er wieder 180 km/h Spitze. Der Motortausch wird mit Zeit-Penaltys bestraft, aber selbst die Dakar-Rallye wird zwei Wochen lang mit einem Motor problemlos durchgefahren. Das Material ist einfach super geworden, sehr ausgereift. ?
Muss man die WM-Läufe von sieben auf drei oder vier Tage reduzieren?? Oder gibt es andere Rezepte?
Es sind ja schon die einwöchigen Wettbewerbe problematisch.
Denn jeder trickst beim Prolog. Wenn du ein bisschen rechnen kannst, weißt du: Am Samstag muss ich hinten starten, dann überhole ich den Gegner und gewinn die Rallye.
Es ist jetzt fast bei jeder Rallye so gewesen, dass die wirklich im Gänsemarsch wie bei der Tour de France hintereinanderfahren.
Denn nicht der Gesamtführende startet als Erster, sondern der Sieger vom Vortag. Das bedeutet: Am nächsten Tag gewinnt er nimmer. Denn wer als Erster losfährt, gewinnt die Etappe nie. ?Zwei Minuten, vier Minuten, sechs Minuten – also wenn du Fünfter bist, startest du zehn Minuten hinter dem Ersten… Die ersten zehn oder zwölf starten in 2-Minuten-Abständen, dann folgen Minuten-Abstände, ab Platz 20 fahren jede Minuten zwei Teilnehmer los.? Das ist nicht bei jeder Rallye gleich.
Die Dakar zählt ja nicht zur WM. Deshalb hat sie ihre eigenen Gesetze.
Zur Rallye-WM zählen fünf Wettbewerbe: Zwei im Mittleren Osten, Abu Dhabi war 2018 der Beginn, dann folgte Katar. Aber in Katar ist keiner von uns mitgefahren, weil wir nicht von Abu Dhabi direkt einreisen durften. Man hätte das Material über den Oman und so weiter verfrachten müssen. Da haben wir gesagt: «Ihr habt ja einen Vogel.»
Im Sommer waren zwei Rennen in Südamerika, dann folgte zum Abschluss noch Marokko. Da fährt im Oktober jeder hin, weil es der letzte WM-Lauf ist.
Zwischendurch sind wieder alle nach Südamerika geflogen zur Inka-Rallye, denn die veranstaltet der Dakar-Promoter. Diese Rallye musst du bestreiten, wenn du die Dakar gewinnen willst. Sie zählt aber nicht zur WM.
Wir waren also mit dem Red Bull KTM-Team nach der Dakar zum vierten Mal in Südamerika. Die Kosten laufen aus dem Ruder.
Es gehört etwas unternommen – auch wegen der Sicherheit.