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Dakar-Rallye in Saudi-Arabien – alle Hintergründe

Von Günther Wiesinger
Heinz Kinigadner mit Ex-Dakar-Fahrer Nani Roma

Heinz Kinigadner mit Ex-Dakar-Fahrer Nani Roma

KTM-Berater Heinz Kinigadner kennt die Hintergründe des Standortwechsels der Dakar-Rallye wie kein anderer. Der Tiroler schildert die Ursachen des Wechsels und sieht viele Vorteile durch den Umzug.

«Die Diskussionen über eine Verlegung der Dakar nach Saudi-Arabien sind eigentlich sofort nach der Veranstaltung im Januar 2019 losgegangen», berichtet der siebenfache Dakar-Rallye-Teilnehmer Heinz Kinigadner. «Nani Roma war da sehr stark involviert. Die letzten Informationen habe ich jetzt von Arnaud Duhamel, er ist Head of Motorsports 4-Wheel bei Red Bull, bekommen. Er hat von seinen Mitarbeitern drüben in Südamerika die Information bekommen, dass Veranstalter ASO bereits das gesamte Equipment herübergeschickt hat. Das ist ein klares Zeichen. Wir kennen den Sportminister von Saudi-Arabien sehr gut, das ist Prinz Abdul Aziz bin Turki Al-Faisal, er ist erst 36 Jahre alt, wird von Red Bull gesponsort und ist mehrfacher Porsche-Cup-Sieger. Er war schon bei uns beim Vollgas-Tag im Zillertal. Seine rechte Hand hat uns beim Skiweltcup-Rennen in Kitzbühel im Januar versichert, es sei alles fix. Danach habe ich die ASO angerufen, dort wurde noch nichts bestätigt. Aber man habe jetzt ein gutes Druckmittel, um Chile wieder zum Mitmachen zu bewegen, hieß es. Da Chaleco die Side-by-Side-Buggy Klasse bei der Dakar 2019 gewonnen hat, hat er in Chile einen Empfang beim Staatspräsidenten bekommen. Deshalb sei Chile wieder als zweites Austragungsland ins Gespräch gekommen, wurde mir gesagt. Aber das passierte alles zu spät...»

Wegen der prekären Situation der Staatshaushalte sind Argentinien und Chile bei der Dakar-Rallye für 2019 als Austragungsorte ausgestiegen, erstmals seit dem Beginn 1979 wurde die Rallye in nur einem Land ausgetragen. Die ASO bemühte sich nämlich, von jedem Land in Südamerika 6 bis 7 Millionen US-Dollar für die Austragungsrechte einzukassieren.

«In Saudi-Arabien wird der Business Case, um den sich bei diesem Event alles dreht, am besten hinkommen», meint Kinigadner. «Zu diesen Geldbeträgen mussten ja noch die Helikopter, das Militär, die Polizei und so weiter beigesteuert werden. Ich habe letztes Jahr ein paar Gespräche mit dem Chef der ASO gehabt, er ist auch zur Rad-WM nach Innsbruck gekommen, er hat damals durchblicken lassen, dass man nach neuen Lösungen sucht.»

Übrigens: Die Amaury Sport Organisation (ASO) hat die TSO (Thierry Sabine Organisation) vor einigen Jahren gekauft.

Natürlich spricht die Situation der Menschenrechte und die Unterdrückung der Frauen gegen ein Austragungsland wie Saudi-Arabien. Aber ein Hersteller wie KTM hat bei der Auswahl des Veranstalterlandes sowieso kein Mitspracherecht – auch nach 18 Siegen in Serie nicht.

«Was für Saudi-Arabien spricht ist die Berichterstattung für Europa, weil sie in Asien zwei Stunden voraus sind und nicht fünf oder sechs Stunden zurück», gibt Kinigadner zu bedenken. «Das war bei Südamerika für die Medien eine Katastrophe. Außerdem ist es ein neues Land für die Dakar, wo wieder richtig Abenteuer herrscht. Früher bei der ursprünglichen Paris-Dakar-Rallye war nie ein Fahrer unten in Mali trainieren, kein Peterhansel und kein Meoni. In Südamerika haben alle trainiert...»

Bisher fand in Saudi-Arabien noch nie eine namhafte Rallye statt, aber der Wüstenstaat erstreckt sich über einen Großteil der Arabischen Halbinsel, er grenzt an das Rote Meer und an den Persischen Golf. Das Land gilt als Wiege des Islam und beherbergt die Moscheen in Mekka und Medina. Die Metropole Riad ist die Hauptstadt.

«Ich habe trotz der immensen Größe vorgeschlagen, man solle den Oman oder ein anderes Nachbarland noch dazu nehmen», sagt Kinigadner. «Auch Dubai habe ich vorgeschlagen. Dann könnte man die gleiche Distanz wie von Paris nach Dakar zurücklegen. Die Rallye soll 2020 unbedingt wieder über zwei komplette Wochen gehen. Es wird auch einen neuen Renndirektor geben.»

Etienne Lavigne hatte diese Aufgabe von Nani Roma übernommen, er galt als umstritten. Man warf ihm vor, er habe für die Anliegen der Teams und Fahrer null Verständnis gehabt.

KTM-Berater Heinz Kinigadner: «Die Dakar ist die einzige Motorsport-Veranstaltung, zu der du als Teilnehmer, als Team oder Werk hingehst und nur bezahlst! Und dann wirst du behandelt… Wenn sie dich irgendwie ärgern können, tun sie es. Dass wir mit KTM dort seit 25 Jahren mit einem Werksteam auftreten, ist denen so etwas von wurscht.»

Zur Erinnerung: Die Rallye Paris-Dakar wurde 1979 erstmals gestartet, 2008 musste sie abgesagt werden, dann übersiedelte sie nach Südamerika.

«2008 standen wir in Lissabon bereits am Start», blickt Kinigadner zurück. «Dann wurden wir heimgeschickt, weil vom amerikanischen Geheimdienst an den französischen Geheimdienst gemeldet wurde, dass der Tross in Mali von einer großen Gruppierung mit schweren Fahrzeugen und bis zu den Zähnen Kämpfern bewaffnet erwartet wird. Deshalb wurde die Ralle abgesagt. Die Rallye wurde damals ja schon in den zwei oder drei Jahren vorher immer von Terroristen der Al Quaida-Maghreb überfallen. Einmal haben sie einen russischen Kamaz-Lkw gestohlen. Einmal wurde eine Salve auf einen Toyota abgefeuert.»

«2019 gab es in Peru eine Micky-Mouse-Streckenlänge von 5000 km, 3000 km waren Sonderprüfungen. Das war schlimm, denn solche Distanzen erleben wir ja schon bei der Marokko-Rallye. Das muss sich wieder ändern», betont Kini, der bei der Dakar sieben Mal selbst an den Start ging und viermal das KTM-Werksteam geleitet hat.

Über die politische Situation in Saudi-Arabien muss sich KTM noch genauer informieren. Auf beispielhafte Weltoffenheit wird man dort jedenfalls nicht stoßen. «Ich weiß nur, dass die Frauen dort erst seit kurzer Zeit Autofahren dürfen. Dürfen sie auch Motorrad fahren?», grübelt Kinigadner. «Hätte Jutta Kleinschmidt dort nie eine Rallye bestreiten dürfen? Wir haben ja im KTM-Werksteam die schnelle Spanierin Laia Sanz unter Vertrag.»

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