Heinz Kinigadner: «Brabec fuhr schnell und fehlerlos»
Toby Price bei der Dakar-Rallye 2020
Heute ging in Saudi-Arabien die KTM-Siegesserie bei der Dakar-Rallye zu Ende. Nach 18 KTM-Siegen in Serie triumphierte bei der 42. Auflage der Wüsten-Rallye der US-Amerikaner Ricky Brabec auf der Werks-Honda. KTM-Berater Heinz Kinigadner (er fuhr die Dakar selbst sieben Mal mit) und Sohn Hannes schauten sich die Zieldurchfahrt ca. 40 km von Riad entfernt an. Bei KTM herrschte trotz der Niederlage gute Stimmung, denn ein Dakar-Sieg von Honda, Yamaha oder Husqvarna hatte sich in den letzten Jahren schon mehrmals klar abgezeichnet.
«Bei uns ist die Stimmung ausgezeichnet. Alles okay», schilderte Kinigadner nach der Rallye im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es könnte viel Schlimmeres geben. Wir sind diesmal einfach von Ricky Brabec geschlagen worden. Nicht weil unser Team oder unser Motorrad nicht gut war, sondern einfach, weil Ricky Brabec keinen Fehler gemacht jat. Er hat hier eine erstklassige Leistung gezeigt. Und sein Motorrad hat dementsprechend gut gehalten.»
«Bei uns ist nicht alles perfekt gelaufen», gab der zweifache 250-ccm-Motocross-Weltmeister zu bedenken. «Wir hatten etwas Pech, denn manche Etappen sind verkürzt worden, eine wurde abgesagt, dadurch verloren wir Möglichkeiten zum Aufholen. Dazu hatten wir den Unfall von Sam Sunderland und einen Reifenschaden bei Toby Price. Das soll keine Entschuldigung und keine Ausrede sein, denn Brabec ist trotzdem auf jeder Etappe besser gewesen. Er ist brutal schnell. Er war diesmal schneller als unsere Fahrer, das erklärt seinen Vorsprung. Er hat schon im Vorjahr keinen Fehler gemacht. Wäre 2019 sein Motorrad nicht kaputt geworden, hätte er wahrscheinlich schon in Südamerika gewonnen. Man muss das ganz klar anerkennen. Brabec ist ein exzellenter Fahrer. Er kommt von den Bajas in Kalifiornien, er kann wirklich schnell Motorrad fahren. Er ist auch auf Sand extrem schnell. Er war diesmal auch ein exzellenter Taktierer, denn er hat sich keinen Fehler geleistet. Das ganze KTM-Team hat sich bei der Zieldurchfahrt neben der Rampe aufgestellt und den Siegern aufrichtig gratuliert.»
Klar, drei Etappen wurden verkürzt. Einmal wegen eines Sandsturms, einmal wegen eines fehlenden Wegpunkts, heute wurde die Stage wegen einer im Bau befindlichen Raffinerie um 200 km gekürzt). Und am Montag wurde die achte Etappe nach dem Tod von Paulo Gonçalves komplett gestrichen. So kam es zu einer Gesamtlänge von 6942 km und 4269 Sonderprüfungs-Kilometern.
«Ja, aber wir hätten trotzdem keine Bäume ausgerissen, denn Brabec war mindestens immer gleich stark wie unsere Topfahrer, wenn er vorne gestartet ist», hält Heinz Kinigadner fest. «Und wenn er hinten gestartet ist, hat er meistens sogar noch Zeit gut gemacht. Ihm ist kein Fehler passiert, sein Material war standfest. Er war ja schon 2019 bis zum drittletzten Tag auf dem ersten Platz. Dann ist er durch einen Motorschaden ausgeschieden. Was wir in den letzten Jahren alles richtig gemacht haben, das ist diesmal bei ihm alles gut gelaufen. Weder Matthias Walkner noch Toby Price haben groß gejammert… Sie haben beide zugegeben: ‘Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht.‘ Das verzeiht die Dakar nicht.»
KTM und Husqvarna brachten insgesamt sieben Fahrzeuge in die Top-11. Kinigadner: «Deshalb empfinden wir uns alle zusammen nicht als große Verlierer. Natürlich sind wir gekommen, um zu gewinnen, wir wollten nicht freiwillig das Handtuch werfen. Aber insgesamt tut es dem Sport natürlich gut, wenn nach 18 Jahren einmal eine andere Marke oben steht. Wenn man schaut, was Honda in den letzten 18 Jahren in die Dakar investiert hat, muss man sagen: Es war an der Zeit, dass sie die Rallye einmal gewinnen. Honda ist inzwischen lang genug dabei; sie machen keine Anfängerfehler mehr; sie haben viel dazugelernt. Auch Joan Barreda hat sich gesteigert. Er war jedes Jahr der schnellste Fahrer und hat dann seine Chancen durch Stürze weggeschmissen. Dieses Mal hat er sich in der ersten Woche geschickt zurückgehalten. In den letzten drei Tagen war er wieder voll dabei! Erst am vorletzten Tag ist ihm ein Fehler passiert.»
«Kini» in Anspielung auf das rigorose Alkoholverbot im Land: «Die meisten unserer Mechaniker sind mit der Zeit unrund geworden, sie haben dann nicht mehr gut geschlafen, weil sie wochenlang auf ihr Feierabendbier verzichten mussten. Das ist unsere beste Ausrede», schmunzelte der 59-jährige Tiroler.
Kinigadner weiter: «Man hat gesagt, in Saudi-Arabien kommen wir in ein neues Rallye-Land. Niemand hatte Vorteile bei der Streckenkenntnis. Das haben wir in Südamerika ein bisschen kritisiert… Wir haben die Rallye nicht auf die leichte Schulter genommen. Das gilt für das Team, für die Fahrer und die Betreuer. Aber der zweite Teil der Rallye war eindeutig zu schnell. Das war wieder wie früher bei den Prüfungen in Mauretanien. Dort sind früher regelmäßig Fahrer auf der Strecke geblieben. In Südamerika sind wir von tödlichen Unfällen verschont geblieben. Ich halte es nicht für gescheit, dass man auf so eine Art von superschnellen Etappen zurückkommt. Sportdirektor David Castera und alle anderen A.S.O.-Chefs sind sich einig, sie wollen diesen Fehler 2021 nicht wiederholen. So extrem schnelle Etappen sollen nicht mehr geplant werden.»