Neue W Series: Das sagt die DTM zur Frauen-Rennserie
Die W Series fährt 2019 im Rahmen der DTM
Ein erstes Ziel hat die W Series nach ihrer Verkündung sehr schnell erreicht: Sie ist in aller Munde. Eine Rennserie nur für Frauen – interessante Idee oder kompletter Kokolores? Die Meinungen gehen auseinander. Teilweise sehr weit, es wird kontrovers diskutiert. Immerhin: Für die 18 bis 20 Plätze gibt es bereits rund 50 Bewerbungen.
Und klar: DTM-Chef Gerhard Berger «liebt» die W Series, schließlich ist ihm der Coup gelungen, dass sie 2019 im Rahmenprogramm der DTM fährt. Der Österreicher auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com: «Am Anfang war ich etwas skeptisch, aber dann habe ich gesehen, wer alles involviert ist. Sie wissen, was sie tun. Und sie tun nichts, was keine Chance auf Erfolg hätte.»
Förderer der Serie mit 270-PS-Formel-3-Rennern sind unter anderem Ex-Formel-1-Pilot David Coulthard und Formel-1-Technilkguru Adrian Newey. Berger: «Die Frauen können aufgebaut werden und lernen. Mit einem guten Auto, mit finanzieller Unterstützung, und den richtigen Absichten. Es ist eine großartige Sache.» Auch DTM-Pilot Timo Glock sagt SPEEDWEEK.com: «Ich finde es gut. Ich glaube, dass es wie in allen anderen Sportarten eine Berechtigung für eine Frauen-Meisterschaft gibt.»
Es ist keine Überraschung, dass die DTM-Verantwortlichen der Serie durchaus etwas abgewinnen können. BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt hätte mit Beitske Visser sogar eine potenzielle Teilnehmerin in seinem Kader. «Sie könnte da bestimmt eine Rolle spielen», bestätigte er dann auch.
Der BMW-Boss über die Serie: «Ich finde es nicht falsch, wenn man den Mädels eine Plattform gibt, auf der sie wirklich zeigen können, was sie draufhaben und dann ein, zwei raussucht, die weiterkommen und man dadurch einen Push bei dem Thema hat. Wenn richtig gute Leute das promoten, als Gesamtpaket, als Anschubhilfe, finde ich das nicht schlecht. Wichtig ist, dass es keine Sackgasse ist, sondern ein anderer Weg zum Ziel. Eine andere Art Überholspur. So würde ich es sehen.»
Es gibt aber auch deutlichen Gegenwind. Ellen Lohr findet den Ansatz, die Idee hinter der Serie, komplett falsch. Die frühere DTM-Pilotin zu SPEEDWEEK.com: «Das ist ein echter Rückschlag, ein absoluter Rückschritt. Das ist im Geiste von Carmen Jorda: Wir brauchen eine Formel 1 für Frauen, denn wir Frauen sind leider zu schwach, um Formel 1 zu fahren. Es macht genau das, was es nicht machen sollte: Die Geschlechter separieren. Das macht keinen Sinn.»
Sie stellt klar, dass man sich als Frau in einem motorsportlichen Umfeld nur beweisen könne, wenn man gegen die Männer kämpfe: «Einen geschützten Raum für die Frauen zu schaffen – ich kann mir nichts Unsinnigeres vorstellen.» Sie glaubt sogar: «Damit verlieren sie ein Jahr ihrer Karriere. Sie waren unter sich und hatten keinen Wettbewerb gegen Männer. Den sie aber in höheren Klassen wieder haben werden. Man kann jeder Frau, die Karriere machen will, nur davon abraten.»
Die Probleme liegen nicht in einem Mangel an weiblichen Talenten, sondern ganz woanders, betont Lohr. Sie sind vielfältiger, tiefer. Genereller in einem Motorsport, wo erste Schritte im Kart bereits sechsstellige Summen verschlingen oder wo in der Königsklasse nicht mehr nur Cockpits, sondern gleich ganze Teams gekauft werden. Talent setzt sich nicht mehr automatisch durch, und das ganz geschlechterunabhängig.
«Abartig und utopisch», wie Lohr die Situation im Nachwuchs nennt: «Die Grenze für ein normales Talent mit normalem Budget und normalen Kontakten ist die Formel 3. Da muss etwas getan werden. Daran hapert es. Da gebe ich David Coulthard Recht.» Auch Berger geht in diese Richtung. «Seit Jahren diskutieren wir darüber, warum es keine Frauen in die Formel 1 schaffen. Ganz einfach: Weil sich niemand um sie kümmert, wenn sie in der Formel 3 fahren. Sie kämpfen für sich. Wenn sie aber die Chance bekommen, werden wir ein, zwei Frauen auf hohem Motorsport-Level sehen, zum Beispiel in der Formel 1 oder in der DTM.»
Es ist aber nicht nur das Problem im Nachwuchs. Lohr: «Die Attitüde in der Formel 1 ist immer noch komplett kontra. Wenn das frauenfeindliche Getue in der Formel 1 aufhören würde, würde es eine Chance geben. Aber die Formel 1 ist auch der letzte abgeschlossene Männerzirkel in der Motorsport-Welt.»
Aber ganz klar: «Mit einer Frauen-Serie sind die Probleme nicht zu lösen.» Fünf Frauen haben es in der Vergangenheit in die Formel 1 geschafft, fuhren Rennen. Lella Lombardi holte als Sechste beim Spanien-GP 1975 einen halben WM-Punkt. Keine Frage: Das ist sehr übersichtlich. Susie Wolff hätte den Sprung schaffen können, war von 2012 bis 2015 Williams-Testfahrerin und die erste Frau seit Giovanna Amati 1992, die an einem Rennwochenende teilnahm, wenn auch «nur» im Training. Für Renneinsätze kam sie aber nicht infrage.
«Es wäre der Knaller gewesen, wenn Susie gefahren wäre. Sie wäre sicher im Mittelfeld gefahren und hätte für ihre Sponsoren und die Formel 1 ein riesen Marketing gemacht», so Lohr, die verrät: Viel zugetraut hatte man der Gattin von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nicht. Lohr: «Ich rege mich schon bei der Vorstellung auf: Warum denkt ein Ingenieur in der Formel 1, dass Susie nur acht Runden fahren kann am Stück und dann körperlich zusammenbricht? Sie ist dann bei ihrem ersten Test raus und hat mal eben einen Longrun hingelegt. Daran sehe ich, dass bei der Einstellung etwas nicht stimmt.»
Was würde Lohr machen, anstatt eine Serie für Frauen einzuführen? Ganz einfach: Das Preisgeld von bis zu 500.000 Dollar anders nutzen. Die 53-Jährige: «Ich würde einzelne Fahrerinnen herauspicken und die konsequent bis in die Formel 1 fördern. Wenn ich Leute wie Adrian Newey und David Coulthard im Boot habe, habe ich Leute, die eine Frau in die Formel 1 führen können. Nur mit Talent bringst du es als Frau nie in die Formel 1.»
Oder: Eine vernünftige Förderung, mit Simulatoren zum Beispiel. «Dann lädt man die Frauen ein. Denn viele können sich das gar nicht leisten, obwohl das der Schlüssel zum Erfolg ist. Man sollte mit dem Geld eine konsequentere Förderung betreiben, anstatt die wirklichen Talente aus dem Geschäft herauszunehmen und gegeneinander fahren zu lassen.»
Was sagen die Herren der Schöpfung zur Kritik einiger Damen? Neben Lohr hatten auch Pippa Mann und Sophia Flörsch den Sinn der Serie infrage gestellt. Berger: «Warum schaffen es Frauen im Motorsport nicht bis ganz nach oben? Die körperlichen Voraussetzungen mögen ein Grund sein. Aber hat jemand schon einmal eine Formel-3-Serie nur für Frauen mit dieser Unterstützung drei, vier Jahre laufen lassen? Dann können wir sagen, ob es funktioniert oder nicht. Für mich ist das offen.»