«DTM verreckt»: Warum ausgerechnet St. Petersburg?
Die DTM fährt 2020 in St. Petersburg
Es war die Überraschung beim DTM-Kalender für 2020: die Rückkehr nach Russland, das Gastspiel in St. Petersburg vom 29. bis 31. Mai. So hat die Serie das Event, das kurz vor dem Finale als letztes Puzzlestück präsentiert wurde, verkauft.
Eine Überraschung war es auch, für viele Fans nur keine positive. «Die DTM verreckt gerade! Jetzt SO eine Strecke in so einem Land, welches Null Identifikation mit der DTM hat. Schade!», hieß es zum Beispiel.
Oder: «Danke an Herrn Berger für die Entscheidungshilfe..... Ich bestelle dann mal die Tickets für die GT Masters nächstes Jahr.» Ein anderer wurde sarkastisch: «Klasse Idee. Dann müssen wir Fans nicht immer so weit bis zu den Strecken fahren um das live zu sehen. So kann man gemütlich am Fernseher bleiben und sich die Rennen dort ansehen.»
Auch der Wechsel von Hockenheim auf Zolder als Saisonauftakt stieß auf Kritik. Die Hockenheim-Ring GmbH nannte «strategische Gründen» und «geänderte Rahmenbedingungen» als Grund für den Verzicht auf den Saisonstart.
«Wir wollen unserem guten und langjährigen Partner ITR bei seiner Internationalisierung nicht im Wege stehen und sehen unter der Devise 'Stärken stärken', der Konzentration auf das Finale nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen, sehr positiv entgegen», sagte Jorn Teske, Geschäftsführer der Hockenheim-Ring GmbH. Der Ersatz für Hockenheim ist immerhin historisch: Wie im ersten Jahr 1984 startet die neue Saison in Zolder.
Schmaler Grat Internationalisierung
Dafür ist es kein Wunder, dass die deutschen Fans ein Event im fernen Russland als suboptimal empfinden. Die geplante Internationalisierung ist ein schmaler Grat: Zum einen die nicht vermeidbare Entfernung von den deutschen Wurzeln, um sich internationaler auszustellen bei gleichzeitiger Beibehaltung des deutschen Kerns – einfach ist das nicht.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Serie, dass es nur vier deutsche Events gibt. Das Problem ist dabei auch immer, wo im Ausland gefahren wird, die Events in Zolder oder Assen finden zum Beispiel in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze statt.
Die große Frage: Warum ausgerechnet St. Petersburg? Warum eine Rückkehr nach Russland, wo sich doch die ersten Events auf dem Moscow Raceway irgendwo im Nirgendwo 80 Kilometer außerhalb von Moskau und vor meist leeren Tribünen zwischen 2013 und 2017 als Griffe ins Klo erwiesen haben?
Wichtige Märkte abdecken
«Wir müssen wichtige Märkte abdecken. Russland ist ein großer Markt mit viel Potenzial. Die Möglichkeit war da», sagte DTM-Chef Gerhard Berger, der verriet, dass sich die Idee dazu vor rund einem Jahr entwickelt hatte.
«Ich mochte das Event in Moskau nicht, es hatte keine Seele. Aber diesmal hatte ich das Gefühl, dass etwas getan wird. Alles machte plötzlich einen Sinn und ich habe mehr und mehr daran geglaubt, dass es ein gutes Event wird», sagte Berger: «Denn es kommt darauf an, welche Leute dahinter stehen, um ein gutes Event zu machen. Man braucht Kraft, um das Event zu promoten.»
Zolder und Assen hatten sich 2019 hervorgehoben, pushten ihre Rennen unaufhörlich und wurden mit gutem Besuch belohnt. Mit Aufwand alleine ist es aber nicht getan, das Publikum muss Interesse mitbringen.
In St. Petersburg werden die Organisatoren die DTM ebenfalls pushen, immerhin ist der Igora Drive brandneu, die DTM das Zugpferd und die erste internationale Rennveranstaltung. Das ganze Projekt soll rund 200 Millionen Dollar gekostet haben. Heißt: Für die DTM dürfte sich der abgeschlossene Fünfjahresvertrag auch finanziell lohnen. Ob es am Ende dann aber voller als während der trostlosen Jahre in Moskau wird, bleibt abzuwarten.
Außerdem hofft man auf spektakuläre Bilder, denn auf der von Hermann Tilke entworfenen Strecke gibt es eine große Beleuchtungsanlage, theoretisch wären also Nachtrennen möglich. Aber: Ende Mai fährt die DTM während der sogenannten «Weißen Nächte», wo es in der Gegend nie wirklich dunkel wird.
Was bleibt, ist ein deutsch/internationales Verhältnis von 4 zu 6 bei 10 Veranstaltungen. «Ich denke, es ist ein guter Mix», sagte Berger, der das nicht in Stein gemeißelt sieht. «Ideal wäre 50/50. Ein Jahr wird es so sein, ein anderes so wie jetzt. Das ist aber das Maximum, wie weit ich bei dem Verhältnis zwischen deutschen und internationalen Events gehen würde.»