DTM: Die vier Titelkandidaten im Meister-Check
Maximilian Götz, Liam Lawson und Kelvin van der Linde. Marco Wittmann hat nur noch rechnerische Chancen.
Vier Fahrer, zwei Rennen, ein Ziel: Auf dem Norisring wird am Wochenende der DTM-Champion 2021 gekürt. Liam Lawson, Kelvin van der Linde, Maximilian Götz und Marco Wittmann bilden beim Finale das Quartett, das den Titel holen kann. Die Voraussetzungen sind allerdings unterschiedlich. Wir machen vor dem großen Showdown den Titelcheck.
Liam Lawson (AF Corse, 206 Punkte): Der Neuseeländer mischt als Rookie die DTM auf, außerdem sitzt er im Ferrari 488 GT3 Evo, der als das vielseitigste Auto im Feld gilt. Seine jüngste Form ist beeindruckend: Zuletzt feierte er zwei Siege, drei zweite und einen vierten Platz.
Legende Hans-Joachim Stuck verneigt sich: «Ich kann nur sagen, das Liam einen fantastischen Job macht. Es ist nicht das Auto, er macht den Unterschied. Er ist in großartiger Form, und ich würde mich freuen, wenn er den Titel gewinnt.»
Tatsächlich hat der 19-Jährige seine Mini-Krise am vierten Rennwochenende auf dem Nürburgring eindrucksvoll überwunden, seitdem leistet er sich kaum noch einen Fehler und behält kühlen Kopf, auch in schwierigen Situationen. Eine Unbekannte für ihn: Am Norisring wird Alex Albon - der als Red-Bull-Ersatzfahrer bei der Formel 1 in Istanbul weilt, durch Nick Cassidy ersetzt. Lawsons Landsmann hat vor der Saison getestet, hat aber noch kein DTM-Rennen in dieser Saison absolviert. Kann er also überhaupt eine Hilfe sein?
«Nick war immer mit dem Team eng verbunden, und er kennt den Norisring und das Auto, er wird sich sicher schnell einschießen», glaubt Lawsons. Sein Problem könnte der Samstag werden, da er dann wegen seines zweiten Platzes zuletzt in Hockenheim 18 Kilogramm zuladen muss. «Für mich wird besonders der Samstag schwierig, zumal sich das Zusatzgewicht auf dem Norisring bemerkbar machen wird», betonte er. Trotzdem hat er ohne Frage die besten Karten - wenn er so fehlerlos bleibt wie bislang, denn der Norisring verzeiht keine Patzer.
Kelvin van der Linde (Abt, 192 Punkte): Erster Gejagter, dann Jäger, dann wieder Gejagter, nun wieder Jäger: Kelvin van der Linde hat zwar 14 Punkte Rückstand, fühlt sich in der Rolle des Jägers aber am wohlsten. «Ich bin total happy, wo wir stehen. Liam (Lawson) hat eine schwere Last auf seinen Schultern, denn alle jagen ihn. Jetzt wird er die schlaflosen Nächte vor dem Rennen haben! Ich weiß, wie sich das anfühlt», sagte er.
Eine besondere Motivation ist Mechaniker Manuel, der beim Boxenstopp von van der Lindes Abt-Teamkollegen Mike Rockenfeller an der linken Hand verletzt wurde.
«Hockenheim war extrem emotional. Als Team sind wir eine Familie. Er erholt sich gerade von der Operation. Ich habe mit ihm telefoniert, er hat gesagt, dass er uns die Daumen drückt. Daraus ziehen wir die Extra-Motivation, die wir am Norisring brauchen», so van der Linde, der im Audi R8 LMS GT3 mit allen Wassern gewaschen ist. Außerdem kann er auf das Wissen von Rene Rast setzen. Der dreimalige Champion ist Kumpel und Mentor van der Lindes und weiß, wie man Titel gewinnt – vor allem auch dann, wenn man vor dem Finale zurückliegt.
Maximilian Götz (HRT, 180 Punkte): Wenn zwei sich streiten…Nutzt Götz die alte Weisheit, dass sich gerne mal der Dritte freut? Er fährt zwar eine gute Saison, ihm fehlen im Mercedes-AMG GT3 aber die ganz großen Ausreißer nach oben, um vorne reinzustechen. Van der Linde hat vier Siege, Lawson drei, Götz aber nur einen. «Am Ende muss ich am Samstag vor Liam ankommen, damit die Chancen gewahrt sind», sagte Götz. «Dafür müssen sogar ein, zwei Plätze zwischen uns liegen. Das ist auf jeden Fall das Ziel.»
Götz kennt den Norisring aus seiner früheren DTM-Zeit. Er hoffe, dass er durch seine Erfahrung auf dem Norisring einen Vorteil habe, «und durch die Möglichkeiten im Freien Training, dass wir mehr Chancen zum Testen haben, mit einem leichten Vorsprung ins erste Qualifying gehen kann.» Mercedes-AMG lässt nichts unversucht im Titelkampf, baute zur Vorbereitung auf einem Flugplatz sogar den Norisring nach.
Marco Wittmann (Walkenhorst, 165 Punkte): Der Fürther fährt im «Auslaufmodell» BMW M6 GT3 – 2022 bringt BMW mit dem M4 GT3 ein neues Modell an den Start – eine sehr starke Saison. Vor dem vorletzten Rennwochenende war er Gesamtzweiter und hatte in allen Rennen gepunktet, in Hockenheim ging er aber komplett leer aus.
Die Einstufung des M6 bei der Balance of Performance, mit der die verschiedenen Autos leistungsmäßig zusammengeführt werden sollen, habe den BMW benachteiligt, heißt es aus dem BMW-Lager. Weniger Ladedruck, weniger Power, keine Punkte: Für Wittmann gestaltete sich ausgerechnet der Endspurt «frustrierend».
Fakt ist: 41 Punkte Rückstand auf den Führenden Liam Lawson sind ein Brett, 56 Zähler kann ein Fahrer am Norisring insgesamt holen. Auch van der Linde und Götz müssten patzen. An ein Wunder glaubt der 31-Jährige deshalb nicht mehr, auch wenn das Finale in Nürnberg ein Heimspiel ist.
«Ich war immer ein Freund von Realismus. Man sieht den Abstand und alles andere wäre ein Wunder. Und daran glaube ich eher selten», sagte er. Der Walkenhorst-Pilot hat eine klare Marschroute: «Ich will das letzte Rennwochenende der Saison genießen. Ich bin total relaxed und werde auf meiner Heimstrecke alles geben.»