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Hans Heyer: Der Gigant mit der übervollen Trickkiste

Von Uwe Mahla
Hans Heyer 1986

Hans Heyer 1986

Heute vor 80 Jahren erblickte Hans Heyer in Mönchengladbach des Licht der Welt – einer der ganz Großen des deutschen Rennsports und seinerzeit einer der besten Tourenwagen- und GT-Piloten der Welt.

Außergewöhnlicher Kampfgeist, tolles fahrerisches Talent und ausgeprägtes technisches Verständnis machten ihn überall, wo er antrat, zu einem nur schwerlich zu schlagenden Gegner – ein Gigant. Zudem beherrschte er das Instrumentarium von Taktik und Strategie aus dem Effeff. Und wenn es einen gab, der, wenn nötig, gern seine übervolle Trickkiste auspackte – dann war es Hans Heyer.

Es wird beispielsweise berichtet, dass Heyer

- zu seiner Zeit als junger Ford-Werksfahrer sich mit befreundeten Mechanikern schon mal nachts heimlich dergestalt an seinem Capri zu schaffen gemacht hat, dass die Fahrwerksabstimmung seinen – und nicht denen des vom bärenstarken Jochen Mass herausgefahrenen – Vorstellungen entsprach,
- seinen jungen Zakspeed-Teamkollegen Klaus Ludwig einmal mit fingierten – falschen – Daten ins fahrwerkstechnische Nirwana geschickt hat,
- er bei einem Einsatz im JUMA-BMW seinen Teamkollegen Dieter Quester in der Toilette einsperren ließ, um selbst den für diesen vorgesehenen nächsten Turn beim 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps zu fahren.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Doch die Würdigung der sportlichen Leistung des Jubilars sollte über derartige «Missetaten» auf keinen Fall zu kurz kommen: Sooft wie er – nämlich dreimal – hat kein anderer die Deutsche Rennsport-Meisterschaft gewonnen. Im Laufe seiner langen Karriere hatte er ein untrügliches Gefühl dafür entwickelt, wann er in welchem Team fahren sollte, um eine optimale Ausgangsposition zu haben. In der Rennsport-Meisterschaft fuhr Heyer im Ford-Werksteam, für Lancia und bei Kremer-Porsche; bei Zakspeed verbrachte er nach eigenem Bekunden seine schönste Zeit.

Heyer hatte im Kartsport schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, eher er in der Tourenwagenszene aufschlug. Dort sorgte er auf Anhieb mit eindrucksvollen Einsätzen in einem heißen Koepchen-2002 und der so genannten «roten Sau», einem 430 PS-Mercedes 300 SEL, für Schlagzeilen. In dem Power-Benz gelang ihm mit seinem Kumpel Clemens Schickentanz ein nicht für möglich gehaltener zweiter Platz beim prestigeträchtigen 24-Stundenrennen in Spa-Francorchamps 1971.

1973 driftete er als Ford-Werksfahrer nur hauchdünn am DRM-Titel vorbei. Dafür wurde er 1974 mit Ford Tourenwagen-Europameister. Auch die Jahre 1975 und 1976 sollten ganz in seinem Sinne laufen. Das eine Mal setzte er sich mit sechs Siegen (bei drei Ausfällen) gegen den Schnitzer-Piloten Albrecht Krebs und pikanter Weise gegen seinen Teamkollegen Klaus Ludwig durch. Beim zweiten Mal lief es alsbald wieder auf das teaminterne Duell mit Klaus Ludwig hinaus. Wieder wurde Ludwig Vize, Heyer Meister. Und als Ford Ende 1979 ihn zugunsten Klaus Ludwigs aufs Altenteil schicken wollte – da zeigte der Wegberger es ihnen noch mal so richtig: Schmiedete mit Lancia und dem GS-Team ein ganz heißes Eisen und sicherte sich auf dem Beta Montecarlo seinen dritten Titel. Auch sein berühmter Überschlag am Norisring, den er unter Hinterlassung eines Schrotthaufens absolut unverletzt überstand, ließ ihn von diesem Ziel nicht Abstand nehmen. Mit neu aufgebautem Auto punktete er weiter.

Im Vorwort zu seiner Biografie «Hans Heyer – Rennsport am Limit» hat er seine Motivation sehr präzise dargestellt: «Ich hatte den Ehrgeiz, eine Profikarriere derart mit der Führung unserer Unternehmensgruppe (Anm. der Redaktion: Baustoffaufbereitung und zertifizierte Entsorgungsfachbetriebe) in Einklang zu bringen, dass beides in Spitzenleistungen mündete. Das bedeutete ganz schlicht: 24-Stunden-Tage. Natürlich ist die Frage berechtigt, warum sich einer das alles antut. Es ist der Enthusiasmus für den Rennsport mit allen seinen Facetten. Nennen Sie es Spaß, das trifft es ganz gut. Aber dieser Spaß besteht aus viel mehr als der reinen Fahrerei. Es ist das Bestreben, das alles mit höchster Professionalität zu betreiben.»

Ehe er 1986 seine aktive Rennsport-Laufbahn beendete, gewann Heyer dreimal die 24 Stunden Spa, zweimal auf BMW, einmal auf Jaguar. Er entwickelte sich zum Langstrecken-Spezialisten und siegte unter anderem bei den 1000-km-

Rennen in Monza, Mugello, Kyalami und auf dem Nürburgring. 1976 und 1980 gewann er mit Porsche bzw. Lancia die Markenweltmeisterschaft für Sportwagen. Ein – allerdings ertrickster – Formel 1-Start (1977) und der Gewinn der LKW-Wertung bei der Rallye Paris-Dakar 1986 komplettierten eine wahrlich außergewöhnliche Karriere. Heute beobachtet er die erfolgreichen Einsätze seines Sohnes Kenneth mit wohlwollendem Engagement und freut sich darüber, dass Heyer auch im aktuellen Rennsport noch ein allseits hoch respektierter Name ist.

Überhaupt würde das Thema Familie wiederum mehrere Seiten füllen, hier nur so viel: Als er einmal mit seiner Frau Marion (seit Mitte der 70er verheiratet, zwei Söhne, eine Tochter) auf einer großen Gesellschaft weilte, unterhielt diese zu später Stunde eine Handvoll Männer mit lustigen Geschichten aus dem Familienleben. Plötzlich tauchte Hans mit folgendem Statement auf: «Wenn Ihr keine Frau habt, dann sucht Euch selbst eine. Das hier ist meine, und die kommt jetzt mit mir heim.»

Zum Abschluss eine persönliche Anmerkung: Lieber Hans, Du warst für uns Journalist/innen immer eine berechenbare Größe. Wenn Du Dich von einem/einer mal ungerecht behandelt oder bewusst falsch beschrieben fühltest, dann hast Du den/die schon mal «mit einer Kolbenrückholfeder» (Originalton) bestraft. Ich habe Dich immer als fairen, zuverlässigen Zeitgenossen erlebt. Du hattest immer Zeit für einen Neugierigen, warst immer, auch heute noch, für einen knackigen, zitierfähigen Spruch gut. Du hattest auf eine anständige Frage immer eine anständige Antwort, hast Dich stets an Absprachen gehalten – etwa, wenn es um einen Moderationsabend ging (was macht es schon, wenn Du einem da auf offener Bühne gern mal mit Absicht die Stichwort-Kärtchen durcheinander gebracht hast?) – Du warst selbstverständlich da. Du meldest Dich auch heute noch prompt, wenn man um Deinen Rückruf bittet. Das alles war und ist nicht selbstverständlich, und dafür danke ich Dir heute einmal ganz ausdrücklich.


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