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Bernd Schneider im Interview zum 60. Geburtstag

Von Jonas Plümer
Am heutigen Samstag feiert der fünfmalige DTM-Meister Bernd Schneider seinen 60. Geburtstag. Im Interview blickt «Mister DTM» auf seine DTM-Karriere und auf seine Erlebnisse im Sportwagen zurück.

Motorsport und die damit verbundenen Siege sind fest in der DNA von Mercedes-AMG verankert. Für eines der großen Erfolgskapitel im internationalen Motorsport war Bernd Schneider (GER) verantwortlich. Zwischen 1991 und 2008 prägte der heutige AMG Markenbotschafter als Rekordchampion in der DTM und als Weltmeister in der FIA-GT-Meisterschaft eine außergewöhnliche Ära der Fahrzeuge mit dem Stern.

Fast zwei Dekaden seiner professionellen Rennfahrerkarriere verbrachte Bernd Schneider mit Mercedes-Benz und Mercedes-AMG. Der Ruf des «Mister DTM» bleibt ihm auch 16 Jahre nach seinem DTM-Rücktritt unerschütterlich erhalten. Keinem anderen Fahrer ist es bislang gelungen, seinen Rekord von insgesamt fünf Titeln einzustellen. Den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere legte der gebürtige Saarländer bereits mit elf Jahren im Kartsport. Der Gewinn der Junioren-Weltmeisterschaft 1980 sowie der Titel in der Europameisterschaft 1982 ebneten seinen Weg in den Automobilsport. Nach den Anfängen ab 1984 in der Formel Ford, feierte er 1987 die Meisterschaft in der hochkarätigen deutschen Formel 3. Es folgten Einsätze mit Ford in der DTM, für Zakspeed und Footwork Arrows in der Formel 1 und für Porsche in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Die DTM wurde ab 1991 mit seinem Wechsel zu Mercedes-Benz für lange Zeit seine sportliche Heimat. In der renommierten Tourenwagenserie lieferte er sich denkwürdige Duelle und gewann 1995 erstmals die Meisterschaft. In den Jahren 2000, 2001, 2003 und 2006 wiederholte er den Erfolg. Das Saisonfinale im Oktober 2008 auf dem Hockenheimring markierte das Ende seiner aktiven Laufbahn. Bis heute führt er zahlreiche historische Statistiken in der DTM an. Er hat die meisten Rennstarts (236), Siege (43), Podien (104), Pole Positions (25) sowie schnellsten Runden (60) und erreichte fast alle diese Meilensteine mit den Rennfahrzeugen aus Affalterbach. Mit 224 Starts, 43 Siegen, 24 Poles und 103 Podien ist es in der Geschichte der Serie die erfolgreichste Partnerschaft zwischen einem Hersteller und einem Fahrer.

Seinen Ruf als Ausnahmekönner stellte Bernd Schneider auch in anderen Disziplinen eindrucksvoll unter Beweis. Bei der Rückkehr von Mercedes-Benz an die Weltspitze des Langstreckensports spielte er eine der Hauptrollen. Im ersten Jahr des Programms gewann er 1997 mit dem ikonischen Mercedes-Benz CLK GTR den Weltmeistertitel in der FIA-GT-Meisterschaft. Zusammen mit seinen Teamkollegen Klaus Ludwig (GER), Alessandro Nannini (ITA), Marcel Tiemann (GER) und Alexander Wurz (AUT) gewann er fünf der elf Rennen. Im Folgejahr feierte er mit dem späteren Formel-1-Rennsieger Mark Webber (AUS) an seiner Seite erneut fünf Siege und wurde Vizeweltmeister. Bei den 24 Stunden von Le Mans erzielte er 1998 mit dem Mercedes-Benz CLK-LM außerdem die Pole Position für den Langstreckenklassiker. Ein Rennsieg in Le Mans blieb ihm leider vergönnt.

Als Teil der heutigen Mercedes-AMG Familie wurde Bernd Schneider im Jahr 2007 Markenbotschafter. Nach seinem vorläufigen Rücktritt vom aktiven Rennsport war er nicht nur in die Entwicklung der Straßenfahrzeuge von AMG eingebunden. Er trug auch maßgeblich zum Erfolg des 2010 gegründeten Mercedes-AMG Customer Racing Programms bei. Seine Fähigkeiten und seine Erfahrung brachte er zusammen mit Test- und Entwicklungsfahrer Thomas Jäger (GER) in die Entwicklung des Mercedes-Benz SLS AMG GT3 ein. Im September 2010 absolvierte er mit Jäger in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring die Rennpremiere des ersten Modells aus dem Kundensportprogramm. 2013 feierte er beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring im Line-up mit Jeroen Bleekemolen (NED), Sean Edwards (GBR), und Nicki Thiim (DEN) für Black Falcon einen historischen ersten Sieg für Mercedes-AMG beim Langstreckenrennen in der Eifel. Im selben Jahr gewann er außerdem die 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps und in Dubai sowie die Gulf 12h und das Bathurst 12h. Der Mercedes-AMG GT3 sorgte ab 2016 für eine Fortsetzung dieser Siegesserie. Bei den 24h Nürburgring triumphierte Bernd Schneider im ersten Anlauf mit dem neuen Fahrzeug an der Seite von Adam Christodoulou (GBR), Maro Engel und Manuel Metzger (beide GER) erneut. Nach den Meilensteinen mit den GT3-Fahrzeugen war er auch in die Entwicklung des Mercedes-AMG GT4 sowie des Mercedes-AMG GT2 eingebunden.

Heute lebt der am 20. Juli 1964 in St. Ingbert geborene Bernd Schneider, mittlerweile Vater von zwei Töchtern und einem Sohn, mit seiner Lebensgefährtin Svenja in Bottighofen in der Schweiz. Trotzdem ist er in seiner Rolle als AMG Markenbotschafter nach wie vor an fast jedem Wochenende an einer Rennstrecke vor Ort. Im Interview spricht Bernd Schneider über bedeutende Momente, unvergessene Rivalitäten und den Rennsport im Wandel der Zeit.

Du stehst kurz vor deinem 60. Geburtstag und bist immer noch an der Rennstrecke anzutreffen. Welche Aufgaben übernimmst du heute für Mercedes-AMG?

Bernd Schneider: «2008 war offiziell mein Rücktritt als professioneller Rennfahrer. Aber bald darauf begann die Entwicklung des Mercedes-Benz SLS AMG, erst als Straßen- und dann als GT3-Fahrzeug. Damit einher ging der Aufbau unseres bis heute sehr erfolgreichen Customer Racing Programms. Ich bin dadurch wieder viel gefahren und das hat mir auch viel Spaß gemacht. Dass ich in diesem Zusammenhang doch noch einige Rennen absolviert habe, war eigentlich nicht geplant. Das hat sich aus meiner Rolle heraus ergeben. Ich bin heute viel für AMG bei Driving Experiences und Presse- sowie Kundenevents eingebunden. Ein Großteil der Veranstaltungen findet beispielsweise in Immendingen, auf dem großen Mercedes-Benz Test- und Entwicklungsgelände, statt. Das sind nicht nur tolle Events, sondern es ist für mich auch recht praktisch, weil ich von meinem Wohnort am Bodensee eine kurze Anreise habe. Es gibt immer etwas zu tun und mir ist nicht langweilig. Darüber hinaus habe ich mit meiner eigenen Firma auch noch viele Verbindungen zum Motorsport, und das hält mich auch auf Trab.»

Wie bewertest du die heutige Rennfahrer-Generation verglichen mit deinen Rivalen von damals?

Bernd Schneider: «Im Lauf meiner Karriere wurde der Umgang zwischen den Marken und Fahrern verschiedener Hersteller immer distanzierter. Wir Fahrer hatten irgendwann untereinander fast nichts mehr miteinander zu tun, außer, dass wir zusammen in der Fahrerbesprechung saßen. Das fand ich sehr schade. Inzwischen hat sich das wieder zum Positiven verändert. Unsere Mercedes-AMG Fahrer sind in Australien, Amerika, Europa oder Asien im Einsatz und treffen dort immer wieder auf die Fahrer anderer Marken. Da sitzt man heutzutage auch mal zusammen und tauscht sich aus. Klar, es gibt immer Charaktere, die nicht miteinander können. Aber es gibt auch diejenigen, die sich auf der Strecke harte Duelle liefern und abends ein Bier zusammen trinken oder Feiern gehen. Das erinnert mich wieder mehr an meine Zeit. Meiner Meinung nach ist der Sport dennoch viel härter geworden. Wenn ich sehe, wie in manchen Rennen 40 Fahrzeuge von neun Marken, wie zuletzt in Spa, innerhalb von einer Sekunde liegen – das gab es früher nicht. Der Druck auf die Teams und Fahrer ist enorm hoch. Das führt zu einem unglaublich tollen, aber auch harten Racing. Ein Rennen zu gewinnen, war wahrscheinlich noch nie so schwer wie heute. Du brauchst die richtige Einstufung, ein erstklassiges Line-up, ein professionelles Team und das nötige Glück. Du darfst dir überhaupt keine Fehler mehr erlauben.»

Einfach hattest du es aber auch nicht. An welche Gegner erinnerst du dich aus deiner Zeit besonders gerne zurück?

Bernd Schneider: «Ich hatte wirklich sehr viele starke Konkurrenten, vor allem auch im eigenen Team. Da hat Gerhard Ungar, der in der DTM bei Mercedes das Amt als Technischer und Sportlicher Leiter innehatte, schon immer für gesorgt. Mit Mika Häkkinen hatte ich einen zweifachen Formel-1-Weltmeister als Teamkollegen, und dann gab es noch die jungen Fahrer wie Jamie Green, Gary Paffett oder Paul Di Resta. Die wurden mir oft vorgesetzt. Meine ersten grauen Haare habe ich 1995 schon von Dario Franchitti bekommen. Der war unfassbar schnell und damit hatten wir alle nicht gerechnet. Eigentlich haben alle auf Jan Magnussen geschaut, aber Dario war extrem gut. Er war später in den USA in der IndyCar und beim Indy 500 jeweils mehrfach Champion. Also, die grauen Haare habe ich mir nicht nur eingebildet! Zu Beginn meiner Zeit mit AMG hatte ich natürlich mit Klaus Ludwig auch einen sehr schnellen Teamkollegen. Wir hatten ein super Verhältnis und sind immer gut ausgekommen – bis heute. Er ist in unserer gemeinsamen Zeit zweimal DTM-Champion geworden und wir haben uns nie in den Haaren gehabt, obwohl wir auf der Strecke immer bis zum Äußersten gekämpft haben. Das war schon eine Seltenheit.»

Die DTM hat auf deinem gemeinsamen Weg mit uns eine wichtige Rolle gespielt. Was hat dich in den Touren- und Sportwagen der Marke zu dieser Zeit so erfolgreich gemacht?

Bernd Schneider: «Rückblickend war die DTM für mich natürlich extrem wichtig, nachdem es in der Formel 1 nicht nach meinen Vorstellungen lief. Als ich 1991 in die DTM zurückkam, war das der Anfang einer Erfolgsstory. Es gab da hinter den Kulissen aber auch manchmal Reibereien. Es ist nicht so, dass ich einfach so gewonnen habe. Die Medien haben hin und wieder geschrieben, dass nur Bernd Schneider mit AMG gewinnen kann. Aber es gab auch immer wieder andere Fahrer, die mit den Fahrzeugen erfolgreich waren. Als Stammfahrer habe ich damals sämtliche Testfahrten durchgeführt. Dadurch war es für die anderen umso schwerer, weil ich das Auto natürlich immer so entwickelt habe, wie ich es haben wollte. Es wurde in der neuen DTM ab 2000 dann für mich viel schwieriger, weil Fahrer wie Paffett oder Di Resta bei der Entwicklung den gleichen Input hatten. Ich musste mich adaptieren und dadurch glich sich das Niveau innerhalb unserer Teams immer mehr an. Ein wichtiges Thema war damals die Reifenentwicklung. Ich hatte früher alle Reifentests gemacht, also wusste ich ganz genau, wie der Reifen arbeitet, egal ob im Qualifying oder im Rennen. Das war schon ein Vorteil, den es beim Einheitsreifen nicht mehr gab. Da habe ich dann natürlich auch versucht, meine Interessen durchzusetzen, aber wenn sich für eine Variante entschieden wurde, die andere Fahrer oder Hersteller bevorzugt haben, hatte ich natürlich mehr als die zu kämpfen. Aber damit musste ich klarkommen.»

Du hast allein in der DTM mit fünf unterschiedlichen Generationen von AMG Fahrzeugen Rennen gewonnen. Mit welchem bist du am liebsten gefahren?

Bernd Schneider: «Das ist so, wie nach dem Lieblingskind zu fragen – und ich habe drei Kinder! Ich bin so viele geile Rennautos gefahren. Den CLK GTR haben wir in 125 Tagen konstruiert und entwickelt, und damit sofort die Weltmeisterschaft gewonnen. Das war unfassbar für uns alle. Da sind wir auch heute noch sehr stolz drauf. Aber mein letzter DTM-Meistertitel 2006 mit der C-Klasse war für mich auch wichtig. Mit diesem Fahrzeug im Alter von 42 Jahren nochmal die DTM zu gewinnen, war etwas Besonderes. Aber wenn ich an meine Zeit im Customer Racing Programm denke - ich habe mit dem Mercedes-Benz SLS AMG GT3 auch fantastische Erfolge gefeiert. 2013 haben ich praktisch alle großen Langstreckenrennen gewonnen, an denen ich teilgenommen habe. Jedes Fahrzeug hat irgendwo seinen Reiz.»

Gab es Momente oder Rennen in deiner Karriere, die dich besonders geprägt haben?

Bernd Schneider: «Es gab nicht nur ein Rennen, das mir in Erinnerung geblieben ist. Ich bin so viele Rennen gefahren, und wenn dann nur zwei oder drei ein Highlight gewesen wären, wäre ich wahrscheinlich nicht besonders erfolgreich gewesen. Es gab auch schwierige Zeiten. Die Leute sprechen heute immer davon, dass früher alles besser war. Ich glaube, man erinnert sich einfach eher an die positiven Momente. Die DTM war eine prägende Zeit für mich. Als ich bei AMG unterschrieben habe, stiegen plötzlich Audi und BMW aus der Serie aus. Da standen wir dann alle da und machten uns Gedanken, wie es weitergeht. Da waren damals richtig starke Macher am Werk, die alles dafür getan haben, dass es weitergeht. Es wurde hart dafür gekämpft, dass Opel und Alfa Romeo weitermachen. Als dann 1996 in Suzuka klar war, dass es das letzte Rennen ist, war das schon sehr enttäuschend. Die DTM beziehungsweise ITC war damals auf einem extrem hohen Level, auch was die Zuschauerzahlen und die Aufmerksamkeit der Medien anging. Dass es das von heute auf morgen nicht mehr gab, war schon enttäuschend.»

Im Jahr 2000 kam die DTM zurück und du hast dort weitergemacht, wo du 1996 aufgehört hattest. War das Comeback der Serie etwas, das du dir zu der Zeit gewünscht hast?

Bernd Schneider: «Absolut. Wir haben immer gehofft, dass das passiert. Ich war zu der Zeit in Amerika und wollte IndyCar fahren. Ich hatte auch einen Test, und dann hat mich ein paar Tage davor Norbert Haug, der damalige Motorsportchef von Mercedes-Benz, angerufen und gesagt: ‚Komm zurück, du brauchst den Test nicht machen, wir fahren auf jeden Fall DTM.‘ Also habe ich mich auf die DTM gefreut und gerade 2000, das Millennium-Jahr, war etwas ganz Besonderes. Das Duell zwischen Opel und uns war cool, und nachher auch gegen ABT mit dem Audi TT. Das war eine sehr schöne Zeit.»

Du warst in unterschiedlichen Epochen erfolgreich. Wie wichtig ist der Motorsport für die Marke AMG?

Bernd Schneider: «Das ist natürlich eine einzigartige Motorsporthistorie. Das Unternehmen hat sich im Verlauf der Zeit stark verändert, aber die DNA ist immer geblieben. Motorsport ist seit jeher mit AMG verbunden, angefangen mit der ‚Roten Sau‘, die 1971 bei den 24 Stunden von Spa den Klassensieg geholt hat und Gesamtzweiter geworden ist. Dieses Rennen hat AMG bekannt gemacht und um die Firma weiter nach vorne zu bringen, wurde fortan auf den Erfolg im Motorsport gesetzt. Bei Mercedes-AMG arbeiten mittlerweile rund 2600 Mitarbeiter. Wenn ich heutzutage in Affalterbach bin, treffe ich das eine oder andere Gesicht, das schon vor 30 Jahren dabei war. Wir reden noch heute enthusiastisch darüber, was wir auf die Rennstrecke und die Straße bringen können, um die Kunden zu begeistern. Ein Teil dieser Geschichte zu sein, ist für mich sehr schön.»

Und wie geht diese Geschichte weiter? Du bist 2022 in der GT2 European Series letztmals ein Rennen gefahren. Was muss passieren, damit du dich wieder hinter das Steuer setzt?

Bernd Schneider: «Ja, das war in Spielberg, das ist inzwischen aber auch schon wieder etwas her. Ein guter Freund von mir besitzt einen Mercedes-AMG GT3. Ich hoffe, dass wir, wenn es seine Zeit zulässt, bald mal wieder zusammen fahren. In diesem Jahr ist noch ein Test geplant, bei dem ich sicher am Steuer sitzen werde. Vielleicht ergibt sich ja auch mal etwas im Rahmen von Dreharbeiten. Aber ich mache mir keinen Druck und es wird einfach passieren, wenn es gerade passt.»

Hier blickt Kommentatorenlegende Rainer Braun noch einmal genauer auf die frühen Jahre der Karriere von Schneider.

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