Klaus Ludwig, Armin Hahne 1989: Der große Knall
Der 30. April 1989 markiert einen der schlimmsten Tage in der DTM-Geschichte. Der grauenvolle Frontalcrash zwischen Armin Hahne und Klaus Ludwig beim Eifelrennen 1989 auf dem GP-Kurs des Nürburgrings ging für beide nur mit unglaublichem Glück noch vergleichsweise glimpflich aus.
Den TV-Zuschauern stockte der Atem angesichts des fürchterlichen Aufpralls, als Hahne mit seinem Ford Sierra RS 500 mit rund 190 km/h in den gegen die Fahrtrichtung stehenden 190er Mercedes von Klaus Ludwig krachte.
Es war das erste Jahr der offiziellen Rückkehr von Mercedes in die DTM mit gleich mehreren Teams. Die Stuttgarter hatten Klaus Ludwig von Ford zu AMG gelockt, wo er als Titelverteidiger mit der Startnummer 1 als Hoffnungsträger galt.
Die Saison ließ sich für Ludwig aber nur mäßig gut an, dem Eifelrennen vorausgegangen war nur ein einziger Sieg, eine Pole-Position sowie ein dritter Platz aus den bisherigen fünf Läufen. Dementsprechend groß war der Erfolgsdruck für die Nummer 1 von AMG beim Eifelrennen auf der 4,5 km langen GP-Strecke.
Für mich und meinen Kollegen Béla Rethy war es erst der dritte Einsatz als DTM-TV-Kommentator für 3sat. ZDF-Fußballexperte Béla war wie schon zuvor in Zolder und in Hockenheim gerade dabei, sich auch im Rennsport zurecht zu finden und sein Fachwissen zu stabilisieren.
Wir beide saßen also in unserer TV-Kabine und fieberten dem zweiten Tages-Lauf entgegen. Den ersten Durchgang hatten das BMW BMW-M3-Duo Steve Soper und Fabien Giroix dominiert. Klaus Ludwig machte mit seinem dritten Platz keinen sehr glücklichen Eindruck, denn als hochgelobter, teurer Mercedes-Neuzugang und Titelverteidiger war er bislang für seinen neuen Arbeitgeber AMG hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Dementsprechend stand Ludwig mächtig unter Druck, jetzt wenigstens auf seiner Hausstrecke den anstehenden zweiten Durchgang zu gewinnen. Aber statt einer souveränen Vorstellung nahm das Unheil schon in der Startrunde seinen Lauf. Ludwig will sofort eine frühe Führung, die sich aber erst mal Soper im M3 schnappt. Der Bonner bleibt dicht dran, bereitet auf der Steigung nach der Dunlop-Kehre mit viel Schwung einen Angriff vor.
Die Attacke misslingt aber gründlich, der schwarze Mercedes mit der Startnummer 1 gerät ins Rutschen, segelt quer über die Fahrbahn ins Grün, kommt von dort unkontrolliert wieder auf die Rennstrecke zurück und bleibt mitten auf der Piste mit der Frontpartie gegen die Fahrtrichtung stehen.
Was dann passiert, läuft bei mir im Kopf noch heute wie ein Horrorfilm ab.
Die direkten Verfolger reagieren mal mehr, mal weniger schnell und weichen hektisch nach links oder rechts aus. Nachdem schon sechs, sieben Piloten gut reagiert hatten, erkannte der Vordermann von Ford Ford-Sierra-Pilot Armin Hahne das Hindernis erst in allerletzter Sekunde und wich blitzartig aus. Dem dichtauf folgenden Hahne ist die Sicht auf das Hindernis versperrt, ihm bleibt bei knapp 200 km/h keine Chance mehr, das Unheil noch abzuwenden.
Es war ein Frontalzusammenstoß der brutalsten Art. Als Kommentator ist es im ersten Moment eines solchen Unfalls unendlich schwer, sofort die richtigen Worte zu finden. Ich war ja auch noch TV-Novize und auf so was Brutales nicht vorbereitet. Mir schoss als erstes durch den Kopf: Die sind beide tot.
Ich war so schockiert, dass ich wie in Trance weiterkommentiert habe. Ich weiß nur noch, dass ich ständig versucht habe, das Grauen so gut wie eben möglich schönzureden mit Hinweis auf die extrem hohen Sicherheitsstandards der DTM-Autos. Und der Hoffnung auf ein Wunder.
Mein Co Béla hat vor Schreck nur noch ständig gesagt, man müsse angesichts des Geschehens jetzt sofort Schluss machen mit dem Rennen und überhaupt mit der ganzen Übertragung. Der arme Kerl hatte genauso wie ich zum ersten Mal einen so brutalen Frontal-Crash live gesehen.
Wir mussten wirklich davon ausgehen, dass mit dem Schlimmsten zu rechnen war. Die Unfallstelle sah aus wie nach einer gewaltigen Detonation. Rauch, Trümmer, nichts bewegte sich zunächst.
Nach gefühlter Unendlichkeit rührte sich im qualmenden Mercedes was, Ludwig befreite sich aus dem völlig deformierten Cockpit und taumelte humpelnd ins Gras.
Bei Armin Hahne tat sich bis zum Eintreffen der ONS-Rettungsstaffel samt Extrication-Team und Rennarzt gar nichts, der arme Kerl war im Cockpit eingeklemmt. Routiniert begann die Bergung des Fahrers, ein Sichtschutz wurde aufgestellt.
Dann kam endlich der Moment, an dem ich die erlösende Nachricht über den Sender weitergeben konnte: Hahne wurde mit komplizierten Bein- und Arm-Brüchen sowie schweren Prellungen aus dem völlig zusammengestauchten Sierra RS 500 befreit. Per Heli gings in eine Unfallklink, wo er auf der Intensivstation sofort operiert wurde.
Béla und ich waren unendlich über die offizielle Meldung der Rennleitung erleichtert. Einen verkürzten zweiten Lauf plus Übertragung gab es auch noch. 3sat war die ganze Zeit über auf Sendung geblieben – es wurde ein ziemlich langer TV-Nachmittag.
Acht Wochen später beim DTM-Saison-Highlight Norisring humpelte Armin Hahne mit Gipsbein und Gehhilfe zu mir ins die 3sat-TV-Kabine und begleitete meine Reportage als Gast-Kommentator. Als der Franzose Alain Ferté als Hahne-Ersatz im zweiten Lauf siegte, entfuhr es dem Rekonvaleszenten fast wehmütig via TV-Mikrofon: «Das ist nicht gerade schön, sein eigenes Auto gewinnen zu sehen und das auch noch kommentieren zu müssen.»
Hahne musste bis zur völligen Genesung noch bis September pausieren, seine Rückkehr gestaltete sich allerdings schwierig. Zum DTM-Saisonstart 1990 in Zolder meldete er sich dann aber topfit zurück – als neuer BMW-Werkspilot im Team Zakspeed.
Klaus Ludwig dagegen fehlte nur beim nächsten DTM-Wochenende 1989 in Mainz-Finthen und war ab Ende Mai auf der Avus wieder an Bord im Team AMG-Mercedes.
«Wir sind nur knapp am Supergau vorbeigeschrammt», sagte mir Wige-Chef und TV-Koordinator Peter Geishecker ein paar Wochen später mit dem Hinweis auf Vertraulichkeit, «hätten wir einen Toten zu beklagen gehabt, wäre das ZDF wohl aus den Live-Übertragungen ausgestiegen und Mercedes hätte sein Werksengagement überdacht.»
AMG-Chef und ITR-Präsident Hans Werner Aufrecht zeigte sich ob der in der DTM zwingend vorgeschriebenen Sicherheitsstandards und deren Schutzwirkung erleichtert und meinte seinerzeit: «Gottseidank haben wir das Sicherheitspaket zusammen mit der ONS und der Technik-Kommission vor Saisonbeginn durchgesetzt. Die rundum verstärkten Fahrgastzellen sind in beiden Fällen heil geblieben, wodurch das Leben der beiden Piloten gerettet wurde.»