BMW-Junior Marc Surer: Demolition-Derby 1977
mmer wieder ist Marc Surer gefragt worden, wie das aus seiner Sicht gewesen ist, damals, am 3. Juli 1977 beim Rennen auf dem Norisring; jenem Rennen, das als Demolition-Derby in die zwar schlagzeilenträchtigen, aber eher unerfreulichen Annalen dieser sonst so begeisternden DRM-Saison 1977 einging.
Man muss sich das so vorstellen: Da gab es die etablierten Stars wie Hans Heyer, Tpine Hezemans, Harald Grohs, Jörg Obermoser und Albrecht Krebs – und dann kommen sie daher, Manfred Winkelhock, Eddie Cheever und Marc Surer.
Drei Nobodys, eingebettet in ein fabelhaftes Werksteam mit den auf Anhieb standfesten und konkurrenzfähigen nagelneuen Gruppe 5-BMW 320.
Und was machten sie? Hielten vom ersten Meter an mit; Surer konnte sogar das erste Rennen in Zolder gewinnen, Manfred wurde Dritter und Eddie Fünfter.
Weil sie sich auch in den folgenden Rennen hervorragend schlugen, spürten sie allmählich eine leichte sich gegen sie entwickelnde Stimmung.
Da wurde mal hier gerangelt, dort gemosert, da gedrückt – kurzum, die Situation war nicht ganz einfach für die drei, zumal sie ja auch alles andere als brave Buben waren.
Dann kam das Rennen auf dem Norisring. Doch lassen wir den 72-jährigen Basler Marc Surer selbst erzählen.
«Worin noch heute meine nachhaltigste Erinnerung besteht: Es war unheimlich heiß auf der Noris. Irgendwie war schon deshalb von Anfang an viel Emotion im Spiel.»
«Die entscheidenden Szenen entwickelten sich so: Eddie, der neben Heyer im ersten Escort aus der ersten Reihe gestartet war und der das Rennen später auch gewann, war schon weg. Vor mir konnte ich sehen, wie Heyer meinen Teamgefährten Manfred nach allen Regeln der Kunst blockierte. Heyer fuhr so offensichtlich Zickzack, dass ich schon beim Zuschauen richtig sauer wurde.»
«Irgendwann hat Manfred aufgegeben und mich vorbeigewinkt, nach dem Motto: Versuch du es mal. Eine Runde später habe ich mich neben Hans gequetscht. Ich will gar nicht das Unschuldslamm spielen, wir haben uns berührt und er hat sich gedreht.»
«Inzwischen war Armin Hahne im zweiten Escort an die Box gekommen – ich glaube, wegen eines Reifenschadens – und man schickte ihn just dann wieder auf die Strecke, als Manfred und ich auf der Zielgeraden angeflogen kamen.»
«Die Taktik war ersichtlich, und nicht nur mir und den BMW-Leuten, dass er uns beide aufhalten sollte. Als Überrundeter hätte er mich ja vorbeilassen müssen. Doch er warf immer wieder die Tür zu. Heute würde die Rennleitung eingreifen.»
«Irgendwann war ich daneben und im Zuge der folgenden Rangeleien zog ich mir einen Reifenschaden zu. Ich musste an die Box. Da hatte ich einen richtig dicken Hals. Mit neuem Reifen machte ich mich auf die Hatz, eindeutig getrieben von der Wut, das macht man mit mir nicht, und wie du mir so ich dir.»
Surer legt auch im Nachhinein großen Wert auf diesen Aspekt: «Für das, was dann geschah, habe ich an der BMW-Box nicht die Spur einer Anweisung bekommen, wie die üblichen Verdächtigen später lauthals behaupteten. Auf jeden Fall war ich, darüber kann es keinen Zweifel geben, von Revanchelust getrieben, denn mein Rennen war durch den Boxenstopp gelaufen.»
«Ich sah im Rückspiegel den vermeintlichen Hahne-Escort hinter mir auftauchen, mit Winkelhock im Windschatten. Der hält den Manfred immer noch auf, war mein erster Gedanke. Logisch helfe ich ihm, dass er da vorbei kommt. Also habe ich den Ford vor der Grundig-Kehre außen ordentlich auflaufen lassen und mich dann am Kurvenausgang weit hinaustragen lassen, so dass Manfred uns beide passieren konnte.»
«Doch der Escort-Fahrer hielt voll dagegen, so dass sich unsere Autos verhakten. Erst jetzt, als wir etwa 200 Meter qualmend dahin fighteten, wurde mir klar, dass es sich nicht um Hahne, sondern um Heyer handelte, der nach Kräften dagegenhielt. Aber das war mir mit meinen Rachegelüsten dann auch egal. Die Verkeilung löste sich dann mit einem spektakulären Dreher.»
Wie die Autos danach aussahen, ist millionenfach abgedruckt worden unter dem Motto «Spiel mir das Lied vom Schrott». Heyer beendeten das Rennen an vierter und Surer an achter Stelle.
Aber danach brach natürlich die Hölle los.
Surer: «Ich war, wenn auch nicht ganz zu Unrecht, der Sündenbock, dem armen Hans war übel mitgespielt worden und die Situation verfestigte sich angesichts der dramatischen Bilder doch deutlich zu meinen Ungunsten.»
Soweit Surers subjektive Situation und Sichtweise.
Dazu bekam er dann auch seinerzeit Gelegenheit, als die drei Junioren anschließend im Vorstandsstockwerk des BMW-Vierzylinders antreten mussten, bei Hans-Erdmann Schönbeck.
Surer: «Zunächst saßen wir im Vorzimmer und hatten mächtig Schiss vor einem Riesendonnerwetter, denn der Vertriebsvorstand Schönbeck empfand das, was wir in Nürnberg veranstaltet hatten, als unziemlich und imageschädigend für die Marke an.»
Stattdessen lobte er die drei zunächst für den insgesamt sehr guten Auftritt. Darauf ermahnte er sie eindringlich, so etwas wie an der Noris dürfe sich aber nicht wiederholen.
Surer schließlich: «Dann gab er seiner Vorzimmerdame einen Wink, die daraufhin mit vier Sektgläsern erschien. Schönbeck prostete uns zu und entließ uns zu weiteren Heldentaten.»