Zusatz-Homologation: Steht die DTM am Scheideweg?
BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt, Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich, DTM-Chef Hans Werner Aufrecht und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (v.l.)
Stichtag: 2. Juni. Stichwort: Homologation. Seit dem heutigen Montag ist die technische Weiterentwicklung der aktuellen DTM-Autos eingefroren. Verbesserungen sind nun nur noch sehr eingeschränkt im Rahmen des Reglements möglich.
Eine erste Homologation der Boliden hatte es bereits am 1. März gegeben und obwohl der Zeitpunkt der Zusatz-Homologation schon vor längerer Zeit festgelegt wurde, ist sie derzeit das beherrschende Thema im DTM-Fahrerlager. Denn hinter den Kulissen ist bei weitem nicht klar, wie es weitergehen wird.
Das Problem: Mercedes ist nicht konkurrenzfähig. Und die DTM von der Ausgeglichenheit, von der sie lebt und die die Verantwortlichen immer wieder loben und unterstreichen, meilenweit entfernt. Die Stuttgarter fuhren auch beim dritten Saisonrennen in Ungarn chancenlos hinterher. Der Sieg beim zweiten Lauf in Oschersleben kam vor allem durch den Regen zustande. Natürlich ist man sich im Mercedes-Lager des Problems bewusst. Es wird eifrig an Lösungen gearbeitet. Doch die brauchen Zeit.
DTM-Kommission kommt zusammen
Zeit, die Mercedes aufgrund der Homologation nun eigentlich nicht mehr hat. Doch am Mittwoch findet nun ein Treffen der DTM-Kommission statt. Mit dabei: Vertreter der drei Hersteller Audi, BMW und Mercedes sowie des DTM-Dachverbandes ITR und des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB). Auf der Agenda: Eine Homologation bis einschließlich der kommenden Saison. In erster Linie vor allem wie immer, um Kosten zu sparen.
Der Hintergrund: Wenn die Entwicklung der Autos eingefroren wird, können die Hersteller enorme Kosten sparen. Nach der DTM-Rückkehr von BMW gab es im Zuge des neuen Reglements von 2012 bis 2013 die letzte Homologation. Da die Münchner zur neuen Saison den M4 an den Start gebracht haben, konnten alle Hersteller ihre Boliden wieder weiterentwickeln. Bis gestern. Und BMW und Audi haben ihre Hausaufgaben offenbar besser gemacht als Mercedes.
«Der Grundsatz der DTM immer, dass alle drei Marken auf Augenhöhe fahren. Auf der anderen Seite gibt es ein Reglement und eine Sportbehörde. Das ist etwas, was man kommende Woche diskutieren muss. Denn das Reglement ist ja grundsätzlich erst einmal für alle gleich», sagte BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt.
Desaster für Mercedes
Doch der Mercedes-Rückstand auf der Strecke liegt bei trockenen Bedingungen teilweise bei über einer Sekunde. Die zaubert man nicht innerhalb von wenigen Wochen aus dem Hut. Trotz der vor der Saison eingeführten Performance-Gewichte, von denen die Stuttgarter natürlich am meisten profitieren. «Und dann kommt einer nachher auf die glorreiche Idee, ein Zusatzgewicht von 50 Kilogramm einzuführen. Dafür ist das Auto aber auch gar nicht ausgelegt», so Marquardt.
Klar ist: Für Mercedes wäre ein Entwicklungsstopp bis 2015 ein Desaster, auch wenn es trotz Homologation immer Raum für Verbesserungen gibt. Und auch für die DTM wäre es eine mittlere Katastrophe. Denn natürlich geht die Sorge um, dass Mercedes dann den Stecker zieht. Nicht ganz unverständlich, wer will schon eineinhalb Jahre lang hinterherfahren? Und welcher Fan schaut sich das auf Dauer an?
«Die DTM mit nur drei Herstellern ist für so etwas natürlich anfälliger als die Formel 1 mit der Vielfalt der Beteiligten. Wenn in der DTM einer hinterherfährt, besteht immer ein Risiko für die Meisterschaft im Allgemeinen», sagte Audis DTM-Leiter Dieter Gass.
Deshalb soll es auch ein Übereinkommen der Hersteller geben, dass es aufgrund der Mercedes-Probleme eine Verlängerung geben soll, um den Rückstand aufholen zu können. Soll heißen: Der 2. Juni wäre hinfällig, die Homologation würde auf ein neues Datum X festgelegt. Wie die Hersteller sich untereinander genau entschieden haben? Da blocken BMW, Audi und Mercedes gleichermaßen.
«Dann heißt es nachher: Einer hat irgendwas lanciert, um eine bestimmte Entscheidung zu forcieren. Und dann sind wir in Umgangsformen, die wir in der DTM nicht brauchen», so Marquardt: «Das ist keine triviale Sache, sondern ein komplexer Prozess.» Deshalb überraschte es umso mehr, als die ARD im Rahmen des Qualifyings am Samstag berichtete: «Mercedes darf weiter tüfteln.»
Die eine oder andere Überraschung erlebt
Audis DTM-Leiter Dieter Gass erklärte: «Über ungelegte Eier rede ich grundsätzlich nicht. Ich habe bei der DMSB-Kommission schon die eine oder andere Überraschung gesehen. Wenn wir als Hersteller jetzt in die Öffentlichkeit gehen und sagen: ‚Wir wollen es so und so machen‘, dann bringe ich den DMSB in eine sehr schwierige Situation und nehme ihm Handlungsmöglichkeiten. Die Entscheidung soll durch die öffentliche Meinung nicht beeinflusst werden.» Auch Mercedes‘ DTM-Manager Wolfgang Schattling gab sich zugeknöpft: «Es gibt ein Datum und das ist der 2. Juni. Darüber hinaus kann ich nichts sagen. Warten wir mal ab.»
Alles andere als ein Zugeständnis an den derzeit unterlegenen Konkurrenten würde allerdings überraschen. Möglich ist allerdings auch, dass die Weiterentwicklung nur bis zum Ende der laufenden Saison eingefroren bleibt, trotz des Plans, Kosten zu sparen. So oder so: Entscheiden muss final die DTM-Kommission.
Neuer Stichtag ist also der 4. Juni, wenn diese tagt. Acht Teilnehmer sitzen am Verhandlungstisch, fünf Parteien sind für die Einigung notwendig. «Es geht nicht um Mehrheiten, sondern den abgesprochenen Zeitplan umzusetzen», so Marquardt. Der Zeitplan hänge auch davon ab, wie weit die Hersteller mit ihren Modellplanungen seien, wann neue Autos kommen sollen. «Ich habe noch keinen Fall erlebt, bei dem wir nicht zu einer für alle tragbaren Lösung gekommen sind.»
Diese Lösung, wie auch immer sie dann ausfällt, gilt dann natürlich nicht nur für Mercedes. «Wenn Änderungen abgestimmt werden, sind sie für alle gleich. Das ist keine Lex Mercedes oder Lex Audi», sagte Abt-Teamchef Hans-Jürgen Abt. Dann schon eher eine Lex DTM.