Marco Wittmann: Konkurrenz schaut blöd aus der Wäsche
Fährt der Konkurrenz davon: Marco Wittmann
Das größte Lob kam vom früheren Teamkollegen. «Man muss den Hut vor ihm ziehen, das war sehr eindrucksvoll. Wir allen schauen ein bisschen doof aus der Wäsche im Moment. Er hat das meiste Gewicht an Bord und stellt das Ding mit zwei Zehnteln Vorsprung auf die Pole», sagte Timo Glock. Kurz zuvor hatte sein Markenkollege Marco Wittmann in seinem BMW auf dem Nürburgring zum dritten Mal in dieser Saison die Bestzeit im Qualifying erzielt. Und das mit dem Maximalgewicht von 1130 Kilogramm.
Die Konkurrenz? Ist ratlos. Und schaut am heutigen Sonntag vor allem gen Himmel. Die letzte Hoffnung ist das wechselhafte Eifelwetter. Und mit einem kräftigen Schauer vielleicht die Möglichkeit, dass das Feld durcheinandergewirbelt wird. Die Vorhersagen für das Rennen wechseln buchstäblich minütlich, dunkle Wolken hängen über dem Traditionskurs.
Verfolger patzen und patzen
Die Verfolger in der Meisterschaft haben wie schon in Spielberg gepatzt. Mattias Ekström? Der Zweite hat schon 39 Punkte Rückstand und geht nur als 22. ins Rennen. Bruno Spengler, als Dritter schon 53 Punkte zurück? Wurde im Qualifying 16. Zumindest Edoardo Mortara (54 Punkte zurück) und Mike Rockenfeller (beide Audi/60) können beim siebten Saisonrennen als Zweiter und Dritter in der Startaufstellung auf Punkte hoffen. Sollte es für Mortara mit dem Sieg klappen und Wittmann geht leer aus, würde der Vorsprung auf 29 Zähler schmilzen.
Doch das Problem dabei ist Marco Wittmann, der ganz vorne steht und natürlich auf ein trockenes Rennen ohne Zwischenfälle hofft. Und ganz nebenbei auch schlicht der konstanteste Fahrer im Feld ist. Sollte der 24-Jährige seinen vierten Saisonsieg vor Mortara einfahren, hätte er vor den letzten drei Rennen 61 Punkte Vorsprung. Bei noch 75 zu vergebenen Zählern ein ganz gewaltiges Pfund.
Stellen sich vor allem zwei Fragen. Zum einen: Wie macht er das? Glock kennt Wittmann aus dessen Debütsaison gut. Beide fuhren für MTEK, Wittmann wurde auf Anhieb Rookie des Jahres. «Er hat ja schon das ganze Jahr über einen Weg gefunden, mit dem Auto immer konstant vorne einen reinzusetzen. Sein Team macht auch einen guten Job, sie bringen ihn immer zur richtigen Zeit auf die Strecke. Er hat schon letztes Jahr einen speziellen Fahrstil gehabt, er fährt relativ stark untersteuernd. Das funktioniert für ihn in diesem Jahr, das Auto scheint ihm zu passen», sagte Glock.
Die zweite Frage: Ist die Konkurrenz, provokativ gefragt, zu blöd? «Ich weiß nicht, ob man davon sprechen kann, dass die Konkurrenz zu blöd ist. Spielberg war sicherlich ein Rennen, in dem nicht alle ihre Chancen optimal nutzen konnten», sagte Wittmanns Boss, BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt, diplomatisch. «Es sind immer noch 100 Punkte zu vergeben. Und es sind immer noch viele Rennrunden. Deshalb sind wir gut beraten, seinen Job so gut zu machen wie im Qualifying. Es ist noch ein langer Weg, und das vier Mal», so Marquardt.
Dann kann auch der Blitz einschlagen
Glock kennt noch einen anderen Grund, warum Wittmann derzeit nicht aufzuhalten ist. «Wenn du einen Lauf hast, hast du einen Lauf. Dann kann kommen, was will. Da kann hier der Blitz einschlagen und dann fährt er das Ding trotzdem noch auf Eins.» Als Beispiel führt Glock seinen Kumpel Timo Scheider an, der die DTM 2008 und 2009 gewann. «Er hat gesagt, dass Auto war wie für mich gebaut. Und dann hat er das Ding dominiert. Marco ist ein Talent hinter dem Lenkrad. Deswegen ist er hier und deswegen ist er vorne.»
Und Wittmann selbst: Würde nie behaupten, dass sich die Konkurrenz selbst im Weg steht. «Wir haben ein enorm starkes Fahrerfeld, wahrscheinlich stärker als das der Formel 1», so Wittmann. Sein Erfolgsgeheimnis? «Es kommt darauf an, im Qualifying alles auf den Punkt zu bekommen und das Paket muss stimmen. Das ist es, was ich mag: Auf einer Runde alles zu geben. Das Qualifying scheint meine Stärke zu sein», sagte der BMW-Mann.
In gewisser Weise ist der Gesamtführende von seiner starken Performance auch selbst überrascht. «Wenn mir jemand vor der Saison gesagt hätte, du stehst nach dem siebten Rennen ganz vorne, hätte ich das nicht geglaubt. Das habe ich auch selbst nicht erwartet. Wir haben im Winter hart daran gearbeitet, dass ich mit dem M4 zurechtkomme und wir den Weg finden, den ich mag, um das Potenzial vom Auto auszunutzen. Zusätzlich trägt mehr Erfahrung und Lockerheit dazu bei, das eine oder andere Prozent mehr rauszuquetschen.»