Extrication-Training: «Ein sehr mulmiges Gefühl»
Extrication-Training: «Ein sehr mulmiges Gefühl»
«Bei mir haben sie es immer besonders schwer», sagt Tomczyk. «Schließlich bin ich einer der größten Fahrer im Feld.» Für den BMW-Piloten ist diese Übung in seiner seit 2001 andauernden DTM-Karriere bereits Routine – für das Extrication-Team ebenfalls. Und das ist auch dringend vonnöten.
Schließlich tritt diese Rettungsmannschaft in Aktion, wenn sich ein Pilot nach einem Unfall nicht mehr aus eigener Kraft aus seinem Auto befreien kann. Jede Rennstrecke verfügt in der Regel über ihr eigenes Team. Diese sechsköpfigen Teams sind speziell für die DTM und weitere Motorsport-Veranstaltungen geschult, um den Fahrer wirbelsäulenschonend aus dem Auto zu befreien.
In manchen Fällen muss es jedoch schnell gehen. Immer, wenn beispielsweise Feuergefahr herrscht, gilt es, den Fahrer so schnell wie möglich aus dem Fahrzeug zu bekommen. Peter Beurschgens, beim DMSB unter anderem zuständig für die Ausbildung der Medical Car Crews: «Da zählt es nur, den Fahrer aus dem Auto zu bekommen. Eine mögliche Verletzung, beispielsweise an der Wirbelsäule, müssen wir da billigend in Kauf nehmen – das Leben das Piloten hat dann absoluten Vorrang.» Eine Vorgehensweise, die jedoch nur im akuten Notfall angewendet wird.
Schließlich sind die Extrication-Teams in speziellen Lehrgängen darauf geschult worden, die Fahrer so schonend wie möglich aus ihren Wagen zu befreien. Ein Team besteht aus sechs Leuten – einem Notarzt und fünf erfahrenen Sanitätern. Dieses Sextett arbeitet in der Regel immer in derselben Formation zusammen, erlangte auch gemeinsam das Extrication-Zertifikat bei entsprechenden Lehrgängen. Damit das Team den Rettungsablauf immer wieder testet und nicht aus dem Tritt gerät, findet vor jeder Rennveranstaltung ein Extrication-Training statt.
Zu Beginn einer Extrication wird zunächst der Pilot untersucht. Ist er ansprechbar? Wo klagt er über Schmerzen? Dann wird die Fahrertür entfernt und eine spezielle Klappe auf dem Dach – bei jedem DTM-Fahrzeug ist diese vorhanden - geöffnet. Die Klappe ermöglicht es dem Team, den Helm des Fahrers so vorsichtig wie möglich zu entfernen. Es ist die erste Maßnahme, die bei einer Extrication durchgeführt wird.
Dann wird der Halsbereich des Piloten mit einer speziellen Halskrause stabilisiert, ehe erneut durch die Dachluke gearbeitet wird. Durch diese wird das sogenannte KED-System - ein Rettungskorsett, das die Wirbelsäule komplett immobilisiert - in sorgfältiger Teamarbeit zwischen Fahrer und Sitz geschoben. Bevor der Verunfallte aus dem Wagen geborgen werden kann, wird er abschließend regelrecht gefesselt. Hände, Kopf, Oberkörper, Beine – alles wird mit speziellen Gurten fest fixiert. Erst, wenn jedes Körperteil sich nicht mehr bewegen kann, wird der Fahrer vorsichtig aus dem Sitz gehoben, auf eine Trage gelegt und durch die Fahrertür aus dem Auto geborgen.
«Das ist schon wirklich ein sehr mulmiges Gefühl, auch wenn es nur eine Übung ist», sagte Tomczyk. «Da hofft man, wirklich nie in eine solche Situation zu kommen. Umso besser, dass solche Übungen stattfinden. So beklemmend das auch ist, gibt es einem doch das Gefühl von Sicherheit. Die Jungs machen wirklich einen guten und immens wichtigen Job.»