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6h Silverstone: Analyse des dritten WEC-Rennens 2018

Kolumne von Oliver Müller
SPEEDWEEK.com schaut zurück auf das Geschehen bei den 6 Stunden von Silverstone. Dabei konnte Rebellion den ersten Gesamtsieg in der FIA WEC überhaupt einfahren. Das ist im Home of British Motor Racing aufgefallen.

Das dritte Saisonevent der Sportwagen-WM (FIA WEC) endete mit einem Paukenschlag. Nach einem zunächst locker herausgefahren Doppelsieg wurden die beiden Toyota TS050 Hybrid in der Nacht zu Montag nachträglich aus der Wertung genommen, da sie die technische Nachkontrolle nicht bestanden hatten. Als Folge bekam das Rebellion-Trio Mathias Beche, Gustavo Menezes und Thomas Laurent den ersten Platz zugesprochen. Das neue Ergebnis (sollte es dabei bleiben) ist von historischem Ausmaß. Denn erstmals in der siebenjährigen Geschichte der FIA WEC konnte ein privat eingesetzter LMP1 triumphieren.

Toyota hatte schon während des Rennens die Probleme mit dem Unterboden bemerkt. «Wir konnten es uns nicht erklären, aber auf einmal fühlte sich das Fahrzeug ganz anders an», bestätigte Pilot Mike Conway gegenüber SPEEDWEEK.com. «Aufgrund dessen haben wir beim vorletzten Boxenstopp das Heck getauscht. Doch das hatte keine Auswirkung.» Mit schlechterer Fahrzeugbalance war Schlussfahrer Kamui Kobayashi ein gefundenes Fressen für den heranstürmenden Teamkollegen Sébastien Buemi, der am Japaner vorbei zum vorläufigen Sieg fuhr.

«Normalerweise wird das Heck komplett innerhalb der Zeit des Tankvorgangs getauscht. Warum der Stopp bei unserem Auto aber zehn Sekunden länger gedauert hatte, kann ich nicht erklären. Das musst Du unsere Mechaniker fragen», beanstandete Kobayashi jedoch den Halt in der Box. «Das Schwesterauto war danach auf der Strecke so dicht an mir dran, dass es keinen Sinn mehr für mich machte, gegenzuhalten.»

Trotz des nachträglich zugesprochen Sieges für das Rebellion-Team läuft in der FIA WEC gerade einiges falsch. Die EoT (Equivalence of Technology), die für Chancengleichheit zwischen privaten LMP1 und Hybrid-Rennern sorgen soll, passt einfach nicht. «Wir wurden mit dem Versprechen in die LMP1-Klasse gelockt, dass es ausgeglichene Rennen geben würde, aber es ist uns unmöglich gegen die Toyota zu fighten. Das ist sehr enttäuschend», kotzte Thomas Laurent nach dem Rennen im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Hier muss eine Regeländerung her. Denn für die Zuschauer, die sich auf zur Strecke machen, um sich das Rennen anzuschauen, ist es aktuell nicht interessant. Zwei Fahrzeuge fahren an der Spitze gegen sich selbst», ließ auch BR/Dallara-Fahrer Vitaly Petrov ordentlich Dampf ab.

Fakt ist: Noch in der ersten Rennstunde hatten die Toyota das ganze Feld überrundet. «Dass wir nach sechs Stunden keine sechs Runden Rückstand hatten, lag nur daran, dass Toyota am Ende vorne etwas Pace rausgenommen hatte», analysierte Rebellion-Fahrer Neel Jani. Auf der anderen Seite ist es für die Regelhüter aber auch schwer, die beiden so unterschiedlichen Fahrzeug-Konzepte auf einen Nenner zu bekommen. Dazu kommt, dass Toyota seit Jahren mit seinen TS-Modellen in der LMP1-Klasse antritt und einfach auch mehr Ressourcen zur Verfügung hat, als die privaten Mannschaften. Erfahrung kann eben halt nicht gebalanced werden.

Auch in der GTE-Klasse ging es zur Sache. Über das Wochenende sahen die Ford GT ganz klar wie die sicheren Sieger aus. Doch das amerikanische Werksteam brachte sich selbst um die Sieges-Lorbeeren. Bei einem Boxenstopp ließ sich die Tür am Fahrzeug von Stefan Mücke und Olivier Pla nicht mehr schließen. Als ein Ersatzteil angeschleppt wurde, war die Konkurrenz auf der Strecke aber schon enteilt. Das Türproblem gibt es beim Ford GT schon seit Jahren. Unglaublich, aber noch immer konnten die Techniker hier keine zufriedenstellende Lösung finden.

Dem Schwesterauto von Andy Priaulx und Harry Tincknell machte die Strategie einen Strich durch die Siegesrechnung. Ford zog zu Rennmitte die Boxenstopps etwas vor, was die amerikanischen Wagen in einen anderen Rhythmus brachte. Als später eine Full Course Yellow ausgerufen wurde, war Ford schon beim Service gewesen. Die Konkurrenz stoppte unter 'Gelb' und machte entscheidende Zeit gut. Manchmal genügt es eben nicht, das schnellste Auto zu haben, um ein Rennen zu gewinnen.

Ganz oben auf dem Klassenpodium stand dagegen Ferrari. Und das Dank einer strategischen Meisterleistung am Kommandostand. Die italienischen Boliden konnten auf eine Runde die Pace der Ford nicht mitgehen, jedoch punkteten sie durch ihren Spritverbrauch. Vor einer (anderen als der oben erwähnten) Full Course Yellow konnte der am Ende siegreiche Ferrari dadurch zwei Runden länger auf der Strecke bleiben. Während die Konkurrenz noch unter 'Grün' zum Service kam, stoppte Ferrari während der Neutralisation. Das brachte Alessandro Pier Guidi und James Calado zunächst von Platz sechs auf Position zwei nach vorne. «Manche mögen das vielleicht Glück nennen, doch wir haben es absichtlich voll auf das Benzinsparen abgesehen. Nur so hatten wir eine Chance», enthüllte Calado nach dem Rennen. Später fuhr der Ferrari noch an einem Porsche vorbei und übernahm die Führung. Dass sich das Ferrari-Duo zum Rennende überhaupt an der Spitze halten konnte, lag einfach daran, dass der 488 GTE Evo am besten mit den Reifen zurecht kam. Somit musste im Finale im Gegensatz zu den Rivalen nicht so sehr an Pace rausgenommen werden.

Nicht viel zusammen lief in Silverstone bei BMW. «Wir müssen nicht drum herumreden. Wir konnten die Zeiten der Anderen nicht mitgehen. Wir waren ganz einfach chancenlos», bilanzierte Martin Tomczyk gegenüber SPEEDWEEK.com. «Es war schon erstaunlich, dass wir am Ende auf Platz sechs ins Ziel gekommen sind. (Es wurde später sogar Platz fünf nach der Disqualifikation eines Porsche, d. Red.). Mit dem Ergebnis hatten wir eigentlich Glück gehabt, da viele Konkurrenten mehr oder weniger ausgefallen sind.» Am selben Tag wie das Rennen in Silverstone, fand übrigens auch ein IMSA-Lauf statt. Dort siegte BMW mit dem M8 GTE. Doch im amerikanischen Championat herrscht eine andere BoP als in der Sportwagen-WM.

In der GTE-Am-Kategorie triumphierte wie schon in Le Mans das Trio Christian Ried, Matt Campbell und Julien Andlauer (Dempsey-Proton Racing). Das Rennen bestimmten hier jedoch die Markengefährten Jörg Bergmeister, Patrick Lindsey und Egidio Perfetti (Team Project 1). Vor allem der letztgenannte Gentleman-Pilot hatte zu Rennbeginn eine starke Performance geboten. Später gab es aber eine 75-sekündige Stop-and-Go-Strafe, nachdem der Project-1-Porsche während einer Safety-Car-Phase zum Service hereinkam, als die Boxengasse jedoch noch nicht geöffnet war. Da der ebenfalls stark aufgelegte Aston Martin von Salih Yoluc, Jonathan Adam und Charles Eastwood (TF Sport) den gleichen Fehler beging, war der Weg für Dempsey-Proton frei.

Die FIA WEC geht nun auf ihre lange Welttournee. Nächster Halt ist das Toyota-Heimspiel im japanischen Fuji am 14. Oktober. Nach Stationen in Shanghai und Sebring kehrt die Serie erst im Mai 2019 für die 6h von Spa-Francorchamps nach Europa zurück.

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Von Ivo Schützbach
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