6h Silverstone: Was erwartet uns gleich im Rennen?
Die Sportwagen-WM (FIA WEC) bietet tolle Autos, verglichen mit anderen Serien einen guten Sound und auch atemberaubende Track-Action mit sehenswerten Überholmanövern bzw. spektakulären Kurvendurchfahrten. Eines wird das anstehende 6-Stunden-Rennen im britischen Silverstone jedoch nicht liefern können - einen ausgeglichenen Wettbewerb um den Gesamtsieg. Denn trotz aller EoT-Maßnahmen der Regelhüter im Vorfeld der Veranstaltung fahren die beiden Toyota dem Rest des Feldes wieder regelrecht um die Ohren. Für alles andere als einen locker nach Hause gefahrenen Toyota-Triumph wäre das Wort Überraschung an diesem Wochenende maßlos untertrieben.
So sieht es auch Pole-Setter Mike Conway. «Die privaten LMP1 sind natürlich sehr schnell. Doch wir haben sie in der Qualifikation bereits um zwei Sekunden geschlagen. Und auch in Bezug auf die Longrun-Pace haben wir eine große Marge zu ihnen. Somit wird der Sieg zwischen unseren Toyota ausgemacht», meinte der Werksfahrer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
Die beiden japanischen Hybrid-Renner werden sich im Rennen jedoch untereinander nichts schenken. «Wir dürfen voll fighten. Und auch die Set-up-Einstellungen beider Fahrzeuge sind recht ähnlich – höchstens eine Zehntelsekunde voneinander getrennt. Ich werde hier nur glücklich nach Hause fahren, wenn ich das Rennen gewonnen habe», machte Conway eine Kampfansage.
Hinter den Werkswagen dürfte es zwischen den BR/Dallara von SMP Racing und den Rebellion R13 jedoch sehr eng zugehen. Beide Fahrzeugmodelle fahren auf einem Niveau. «Für uns ist es wichtig, die Rebellion zu schlagen. Und das haben wir in der Qualifikation geschafft. Im Rennen wird es darauf hinauslaufen, dass wir eine ähnliche Pace wie Rebellion haben. Mit dem neuen Hi-Downforce-Kit sollten wir auch in Bezug auf den Reifenverschleiß gut aussehen. Jedoch haben wir noch keine Doppel- oder Tripplestints mit einem Reifensatz unternommen. Das Podium ist aber definitiv unser Ziel», gibt SMP-Pilot Vitaly Petrov die Marschrichtung vor.
Trotz der Niederlage in der Qualifikation schielt auch Rebellion-Fahrer Neel Jani auf einen Podiumsplatz. «Der Abstand in der Qualifikation war schon signifikant. Wir wussten, dass die SMP auf eine Runde schnell sein würden. Unser Auto ist auf den vielen Bodenwellen hier extrem schwierig zu fahren. Somit ist unser Wochenende sehr unberechenbar. Wir können auf der Strecke nicht viel riskieren, sonst fliegen wir einfach ab. Doch wenn wir das bis zum Rennen aussortieren können, werden wir an den SMP dran sein. Grundsätzlich dürften wir im Renntrimm viel dichter beieinander liegen als noch in der Qualifikation», machte sich der Schweizer bei SPEEDWEEK.com Hoffnung.
Ein ähnliches Bild wie an der Spitze des Feldes wird sich auch in der GTE-Klasse einstellen. Hier fährt Ford in Silverstone in einer ganz eigenen Liga. «Es gibt eine Marke, die doch recht stark vorne ist. Und diese bringt das sonst so homogene Gesamtbild etwas durcheinander», spielte Martin Tomczyk stellvertretend für den ganzen GTE-Paddock auf Ford an. Für sein eigenes BMW-Lager prognostiziert der Bayer ein hartes Rennen. «Die Startplätze sieben und acht sind natürlich nicht toll. Wir sind mit der Erwartung angereist, hier um das Podest zu fahren. Das wurde ganz schön gedämpft.»
Auch Aston Martin wird im Rennen wohl nicht mithalten können. Die britischen Boliden haben mittlerweile zwar den Speed der Konkurrenz gefunden, doch im Rennen dürfte sich ein anderes Bild einstellen. «Über eine Runde konnten wir eine gute Zeit aus dem Auto herauspressen. Aber im Rennen sollte es schwer werden, da wir einen großen Reifenverschleiß haben. Daran müssen wir noch etwas arbeiten. Das Ergebnis der Qualifikation verfälscht etwas das Gesamtbild», ist Werksfahrer Marco Sørensen bei SPEEDWEEK.com gewohnt offen.
Einen Schritt nach vorne wird im Rennen Porsche machen. «Wir werden den Abstand auf Ford etwas reduzieren können», meinte Pilot Kévin Erste. «In Silverstone kommt ihnen einfach das Streckenlayout entgegen. Unser Porsche ist mit einem anderen Aero-Konzept entwickelt. Aber dennoch: Im Longrun können wir etwas erreichen!»
Auch Ferrari sollte nicht unterschätzt werden. Die Italiener wollen zunächst nur im Pulk mitfahren, auf Safety-Car-Phasen hoffen und sich zum Ende mit frischeren Reifen in Szene setzen. «Unsere Strategie wird so wie beim Saisonauftakt in Spa-Francorchamps sein», enthüllte Werksfahrer Davide Rigon. «Das bedeutet, dass wir am Ende des Rennens schnell sein wollen. Außerdem haben wir bei unserer internen Analyse festgestellt, dass wir zu Beginn des Stints anderthalb Sekunden auf die Konkurrenz verlieren und am Ende nur noch eine halbe Sekunde.»
Alles in allem deuten die genannten Fakten auf klare Verhältnisse sowohl in der LMP1- als auch in der GTE-Pro-Klasse hin. Sollte nichts Unvorhergesehenes passieren, so werden Toyota bzw. Ford den jeweiligen Sieg unter sich ausmachen. Hinter den Dominatoren dürfte sich jedoch ein spannender Fight um den letzten Podiumsplatz entwickeln.