6h Spa: Rückschau auf zweiten Lauf 2022 der FIA WEC
Der Glickenhaus 007 LMH führte zum Rennbeginn die 6h Spa 2022 an
Die 2022er Ausgabe der 6h von Spa-Francorchamps war ein recht merkwürdiges Rennen. Am Ende siegte der Toyota GR010 Hybrid von Mike Conway, Kamui Kobayashi und Jose Maria Lopez vor dem Alpine von André Negrão, Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere. Das hört sich zunächst einmal nicht sonderlich außergewöhnlich an. Doch wie dieses Ergebnis zustande kam, wird noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.
Denn die 6h von Spa waren wieder einmal ein echtes Chaos-Rennen. Sechs Mal musste Rennleiter Eduardo Freitas das Safety-Car auf die Strecke schicken. Fünf Mal gab es eine Full-Course-Yellow und drei rote Flaggen wurden geschwenkt - kumuliert also 14 Ereignisse. So kam nicht wirklich ein Rennfluss zustande. Aufgrund der limitieren Rennzeit unter Grün, befanden sich am Ende tatsächlich sogar noch fünf LMP2 in der Führungsrunde.
Vor allem Wetterkapriolen sind bei Langstrecken-Rennen immer eine gewisse Art von Salz in der Suppe und sorgen für Unterhaltung. Als es zu Rennmitte jedoch zu heftig regnete, wurde das Rennen richtigerweise unterbrochen. Die beiden anderen roten Flaggen kamen wegen Unfällen in der LMP2-Klasse zustande.
Stark auftrumpfen konnte im zweiten Renndrittel Robin Frijns im Oreca-LMP2 vom Team WRT. Der Belgier setzte sich im Regen an die Spitze und fuhr sogar den Hypercars davon. Bei nassen Bedingungen kommt die Minderleistung der LMP2 (rund 100 kW gegenüber den Hypercars) nicht so sehr zum Tragen wie im Trockenen, da es einfach weniger Vollgasanteile gibt. Teilweise war Frijns rund zwei Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Er nahm aber auch das eine oder andere Risiko, doch als Vollprofi konnte er die Situationen gut einschätzen.
Fakt ist auch, dass Toyota in Bezug auf die anstehenden 24h von Le Mans noch einige Sorgenfalten haben wird. Denn der GR010 Hybrid ist noch immer nicht komplett standfest. Diesmal gab es am Wagen von Sébastien Buemi ein Problem am Hybridsystem, das letztendlich für den Ausfall sorgte. Beim Saisonauftakt in Sebring musste Toyota einen Ausfall wegen eines Fehlers von Lopez hinnehmen. Was bleibt sind lediglich zwei von vier möglichen Zielankünften 2022. Das hat noch Potenzial nach oben. Der nächste Gesamtsieg beim großen Klassiker in Le Mans kann bei den Japanern noch lange nicht eingeplant werden.
Vorbildlich verhielt sich Sébastien Buemi als sein Fahrzeug ausrollte. Schnellstmöglich warnte er die Streckenposten, dass sie den GR010 Hybrid auf keinen Fall berühren dürfen. Eine Warnlampe signalisierte ihm, dass der Hybridrenner noch unter Strom stehen könnte. Buemi selbst sprang akrobatisch von der Seitenverkleidung auf den Asphalt, da er nicht gleichzeitig mit Auto und Bodenverbunden sein wollte. Erst eintreffende Toyota-Techniker konnten das Fahrzeug in einen neutralen Zustand versetzen. Alles noch mal gut gegangen.
Nicht nach Plan lief das Rennende bei Glickenhaus. Ein Missverständnis am Funk sorgte für Rang neun im Gesamtklassement. Zuvor lag der 007 LMH auf Podiumskurs. Pipo Derani wurde per Funk gefragt, ob Romain Dumas, der als nächstes ins Auto steigen sollte, geschnittene Slicks oder Regenreifen montiert bekommen sollte. Derani verstand im Rauschen der Verbindung aber das Wort 'geschnitten' nicht, sondern hörte nur Slicks oder Regenreifen. Somit meldete er Slicks. Das war zu diesem Zeitpunkt noch die falsche Wahl. Dumas fiel mit den Trockenreifen auf der noch feuchten Strecke zurück und musste einen Extra-Reifenstopp einlegen. Dadurch, dass das Feld durch die vielen Neutralisierungen diesmal sehr eng zusammen war, konnten auch einige LMP2 am Glickenhaus vorbeifahren. Mehr als Platz neun war nicht drin.
Das Team könnte sich zudem die Frage stellen, ob es Sinn macht, das eigene Kommunikationsprotokoll einmal zu hinterfragen. Mit geschnittenen Slicks meinte der Kommandostand nämlich Intermediate-Reifen. Wäre Derani am Funk nach 'inters or wets' (anstatt nach cut slicks or wets) gefragt worden, hätte er sicher anders geantwortet. Wenn der Funk sowieso schon rauscht, sind klare Ansagen gefragt.
Keine wirkliche Rolle spielte in Spa der Alpine A480. Das Rennen in Sebring hatte der französische Bolide noch locker gewonnen, nun gab es per BoP-Einstufung 20 kW weniger an Leistung. Somit waren die Siegchancen schon vor dem Rennen passé. Das zeigt alleine schon der Blick auf den Top-Speed. Der Bestwert von Toyota lag bei 319,6 km/h, der Glickenhaus schaffte 315 km/h und der Alpine nur 305,2 km/h. In Sebring war der Franzosenrenner viel zu stark eingestuft - und in Spa nun viel zu schwach. Das ist kein gutes Zeugnis für die Regelhüter.
Besser funktionierte die BoP in der GTE-Pro-Klasse. Porsche und Ferrari kämpften bis zuletzt um den Sieg. Am Ende war das Podium (zwei Ferrari und ein Porsche) nur durch rund 1,2 Sekunden voneinander getrennt. Auch die Corvette war in Spa bei der Musik mit dabei. Das US-Auto hatte am Ende aber mit überhitzenden Reifen zu kämpfen und konnte somit nicht um die Sieg mitfahren - doch dafür kann die BoP natürlich nicht verantwortlich gemacht werden.
Die WEC schaut nun auf die anstehenden 24h Le Mans, die für den 11./12. Juni 2022 terminiert sind. Klar ist, die BoP bei den Hypercars wird nochmals detailliert angeschaut werden müssen. Beim Klassiker an der Sarthe wird außerdem noch ein zweiter Glickenhaus hinzukommen. Somit kämpfen fünf Hypercars um den Sieg. Doch vielleicht gibt es 2022 ja die ganz große Überraschung und ein LMP2 gewinnt in Le Mans. Denn komplett aussortiert ist das Hypercar-Lager noch immer nicht.