Coletta: «Le Mans-Siege für Ferrari extrem bedeutend»
Großer Jubel bei den 24h Le Mans: Antonello Coletta auf dem Podium
Er ist der große Mann im Langstrecken-Motorsport bei Ferrari: Antonello Coletta. Als Gobal Head of Endurance and Corse Clienti verantwortet er in Maranello den Motorsport außerhalb der Formel 1. Und das mit Erfolg: Nach etlichen Triumphen im GT-Bereich baute Coletta parallel das Programm mit dem 499P in der großen Hypercar-Klasse der Sportwagen-WM (FIA WEC) auf. Die Bilanz spricht für sich. Zweimal trat der Ferrari 499P bislang bei den so legendären 24 Stunden von Le Mans an - und beide Male ging der Sieg nach Maranello. Für SPEEDWEEK.com stand Coletta nun exklusiv Rede und Antwort. Im ersten Teil des Interviews blickt er zurück auf Le Mans.
Herr Coletta, seit Jahrzehnten prägt Ferrari den Langstrecken-Motorsport. Den ersten Gesamtsieg bei den 24h Le Mans gab es bereits 1949. 2024 feierten Sie nun den elften Gesamtsieg an der Sarthe. Was bedeutet dieser Triumph für Ferrari im historischen Kontext?
«Nach 50 Jahren Pause gaben wir 2023 das Comeback in der großen Sportwagen-Klasse und konnten direkt die 24h Le Mans gewinnen. Das war damals ein ganz besonderes Rennen für den Veranstalter, da es der einhundertste Geburtstag des Klassikers war. Schon dieser Sieg machte uns sehr stolz. 2024 konnten wir den Triumph wiederholen – und das gegen noch stärkere Konkurrenz als im Vorjahr. Für Ferrari waren dies extrem bedeutende Siege, denn unsere Historie ist eng mit dem Langstrecken-Sport verknüpft.»
Mit insgesamt 23 Hypercars war die Konkurrenz in Le Mans dieses Jahr richtig stark. Was war Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Sieg?
«Zunächst einmal kamen wir natürlich gut vorbereitet nach Le Mans. Wir hatten im Vorfeld viele Testfahrten unternommen und konnten unsere Autos entsprechend vorbereiten. In Le Mans spielten dann viele Dinge zusammen. So liefen beispielsweise unsere Boxenstopps richtig gut. Dazu kam, dass wir uns perfekt an die vielen Wetterumschwünge während des Rennens anpassen konnten. Das gelang mit allen drei Fahrzeugen. An dieser Stelle soll nicht unbeachtet bleiben, dass auch der gelbe privat eingesetzte 499P lange Zeit in Führung lag, was die Qualität des Teams und der Fahrer unterstreicht. Alle im 499P-Programm involvierten Personen haben sich im Verlauf der Saison nochmals gesteigert und so konnte der Triumph als Mannschaftsleistung eingefahren werden.»
Regen, Spritsparen, offene Tür und Druck durch Toyota. Nicklas Nielsen hatte es zu Rennende schwer. Wie beurteilen Sie seine Performance im Cockpit - insbesondere zu Rennende?
«Nicklas ist bereits seit einiger Zeit ein Teil von Ferrari, somit kennen wir ihn sehr gut. Obwohl er noch recht jung ist, ist er ein sehr zuverlässiger und schneller Pilot. In den letzten beiden Rennstunden hat er mit äußerster Ruhe, einige komplexe Situationen gemanagt. Die von Ihnen angesprochene offene Tür war natürlich ein großes Problem, da zu diesem Zeitpunkt Toyota dicht hinter uns lag. Nicklas musste somit früher als geplant zum Service in die Box kommen und als Folge dessen bis zum Rennende mit dem Treibstoff haushalten, um einen weiteren Stopp zu vermeiden. All das hat er eindrucksvoll geschafft. Le Mans war eines seiner besten Rennen überhaupt. Für uns war das aber keine Überraschung - denn wir wissen, was wir an ihm haben.»
Nielsen holte 2018 den Titel in der Ferrari Challenge Europe und ist somit ein Ferrari-Eigengewächs. Nun sitzt er im 499P. Ist Nielsen der Beweis dafür, dass die Nachwuchsarbeit bei Ferrari funktioniert und kann er als eine Art Vorbild für jüngere Piloten hergenommen werden, die über die Ferrari-Programme bis an die Spitze aufsteigen wollen?
«Er ist eine ideale Bestätigung für all unsere Anstrengungen, die wir in junge Rennfahrer investieren. Sein Beispiel kann als Motivation für Nachwuchspiloten hergenommen werden. Nicklas ist ein außergewöhnlicher Rennfahrer. Schon im Kartsport trat er beispielsweise gegen Verstappen oder Leclerc an. Nachdem er mit dem Formelsport aufgehört hatte, stieg er in die Ferrari Challenge Europe ein. Jetzt sprechen wir über ihn als Le Mans-Sieger. Und das hat er sich verdient. Uns ist aber auch klar, dass es sicherlich nicht möglich ist, jedes Jahr einen ähnlich starken Piloten ausfindig zu machen.»
Miguel Molina ist in Deutschland durch seine Einsätze in der DTM bekannt. Mittlerweile ist er Ferrari-Werksfahrer. Was zeichnet ihn aus und wo liegen seine Stärken im 499P-Cockpit?
«Als wir Miguel vor einigen Jahren in unseren Fahrerkader berufen hatten, fragten mich viele Meinungsträger und Journalisten nach den Beweggründen dafür. Mittlerweile hat sich Miguel als ein wichtiger Pfeiler in unserem Team herausgestellt. Er verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, hat ein gutes technisches Verständnis und kann die Reifen extrem gut managen. Egal, welche Bedingungen auf der Strecke herrschen, Miguel ist immer schnell. Das zeichnet ihn aus. Somit passt er in unser Aufgebot. Alles in allem verfügen wir aber über sechs extrem starke Fahrer. Mit dem 499P trat Ferrari nun zweimal bei den 24h Le Mans an - und wir haben jeweils mit einem anderen Fahrertrio das Rennen gewonnen. All unsere sechs Piloten sind nun Le Mans-Sieger. Das macht mich sehr stolz und zeigt, dass wir uns für die richtigen Piloten entschieden hatten.»