Audis alte Männer vor einem späten Triumph
McNish und Kristensen haben den WM-Titel fast in der Tasche
Es gab Zeiten, da konnte man ein Sportwagenrennen nur gewinnen, wenn man Allan McNish im Auto hatte. Dann kamen Zeiten, in denen man den Schotten am besten nicht mit auf dem Auto hatte, wenn man am Ende auf dem Podium ganz oben stehen wollte. 2011 und 2012 waren solche Jahre. Doch in diesem Jahr ist alles anders: Allan McNish (43) und Tom Kristensen (46), die beiden «Grandseigneur» im Audi-LMP1-Aufgebot, können den Spätherbst ihrer Karriere nach dem Le-Mans-Sieg im Juni mit dem WM-Titel in der Sportwagen-WM FIA WEC krönen.
Besonders 2011 und 2012, nach dem Umstieg vom offenen R15 auf den geschlossenen R18, taten sich McNish und Kristensen schwer. In den beiden vergangen Jahren gelang McNish und Kristensen «nur» der Sieg bei den 12h von Sebring 2012. Man musste sich in beiden vergangenen Jahren Sorgen darum machen, wie lange der Schotte und der Däne noch im LMP1-Cockpit Platz nehmen dürfen. Doch so treu wie Audi dem Langstreckensport ist, so treu sind de Ingolstädter auch ihren Piloten gegenüber. In diesem Jahr sind die beiden dienstältesten Piloten (beide im 14. Jahr bei den Ingolstädtern) im Audi-Sportwagenkader wieder da. Dem neunfachen Kristensen und dem dreifachen Le-Mans-Sieger McNish tat die Ergänzung von Loic Duval gut: Der Franzose hat seine Beförderung als Stammfahrer in diesem Jahr mehr als gerechtfertigt und ist statistisch gesehen sogar der erfolgreichste WEC-Fahrer von Audi: In neun WM-Rennen fuhr der im zweiten Audi-Dienstjahr stehende Duval bereits vier Siege ein.
McNish/Kristensen/Duval hatten vielleicht im absoluten Speed in diesem Jahr einen minimalen Nachteil gegenüber ihren Teamkollegen, doch darum geht es im Langstreckensport nicht immer. Die Siege in den bisherigen sechs Läufen teilten die beiden Audi-Besatzungen in der WM fein säuberlich unter sich auf. Die aller Wahrscheinlichkeit neuem Sportwagen-Weltmeister hatten im Saisonverlauf zwei Joker: Der grösste war der Le-Mans-Sieg, ein kleinerer das kuriose Rennen in Fuji. Durch den Lichtmaschinendefekt in Le Mans büssten Lotterer/Fässler/Treluyer 30 Punkte ein, weitere 8,75 Zähler gingen den noch amtierenden Weltmeistern in Japan flöten. Denn nachdem Lotterer im Monsun von Fuji hinter dem Safety-Car den Luftfilter tauschen lassen musste, gab es in Japan nur mickrige 0,25 Punkte für die Besatzung im #1 R18. In der Fahrerwertung unterschiedet die FIA WEC nicht zwischen LMP1 und LMP2 – daher gab es keine Punkte für Platz vier in der LMP1 sondern nur die Standartpunkte (0,5) für die Rennteilnahme und davon dann nach dem Abbruch auch nur die Hälfte.
In der WM-Tabelle liegen Kristensen, McNish und Loic Duval zwei Rennen vor dem Saisonende 40,25 Punkte vor den amtierenden Titelträgern André Lotterer, Benoit Treluyer und Marcel Fässler. 52 Punkte wurden für die Sieg und die Pole in Shanghai am kommenden Samstag und in Bahrain am letzten November-Wochenende noch vergeben. Heisst: Fährt das Trio im #2 Audi R18 e-tron quattro in China mindestens auf Gesamtrang vier - ein durchaus machbares Ergebnis bei fünf Teilnehmern in der LMP1-Klasse - ist den diesjährigen Le-Mans-Siegern der WM-Titel rechnerisch nicht mehr zu nehmen.